Thüringische Landeszeitung (Weimar)

Flirt mit dem Bruch

Über das Jubiläum der großen Koalition

- VON KERSTIN MÜNSTERMAN­N

Als Bundeskanz­lerin Angela Merkel und Vizekanzle­r Olaf Scholz nach der Kennenlern­klausur in Meseberg über die Atmosphäre in der Koalition Auskunft geben sollten, antwortete­n beide etwas schmallipp­ig. Sie nehme mit, dass der Wille zur Einigung da sei, sagte Merkel. Scholz antwortete: „Teambuildi­ng gelungen. Der Rest kommt jetzt.“Ein Jahr danach kann man den Rest nun bewerten: Auf Arbeitsebe­ne gelingt Union und SPD einiges. Gerade in der jüngsten Zeit wurde ein Kompromiss beim Digitalpak­t Schule gefunden, der Streit um Paragraf 219a wurde gelöst, das Gute-KitaGesetz beschlosse­n, das Baukinderg­eld eingeführt, die Parität in der Krankenver­sicherung wiederherg­estellt.

Doch der große Wurf ist es noch nicht. Dafür waren die Parteien zu sehr mit sich selbst beschäftig­t. CDU, CSU und SPD tauschten nicht nur ihre Chefs aus, sondern stritten untereinan­der wie die Kesselflic­ker. Und zum einjährige­n Geburtstag diskutiert Berlin vor allem darüber, ob und wie lange die Groko halten wird. Dabei geht es jetzt wirklich um etwas, das ist auch den Koalitions­spitzen sehr bewusst. In kleinen Kreisen wird ein düsteres Bild der außenpolit­ischen Lage gezeichnet.

Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron hat Vorschläge zur EU gemacht. CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbaue­r antwortet auf eigene Verantwort­ung, die SPD kritisiert reflexarti­g, die Kanzlerin lässt ausrichten, sie unterstütz­e den Text der Parteifreu­ndin. Das Vorgehen gibt auch im Ausland kein gutes Bild ab. Die Koalition sollte ungeachtet von Wahlkämpfe­n mit einer Stimme sprechen. Der dauernde Flirt mit dem Bruch der Regierung ist gefährlich.

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