Thüringische Landeszeitung (Weimar)

Frauenschu­tzräume als Pflichtauf­gabe

Vorsitzend­e des Gleichstel­lung s ausschusse­s: Mehr Sensibilis­ierung bei häuslicher Gewalt nötig

- VON FABIAN KLAUS

ERFURT. Die Vorsitzend­e des Gleichstel­lung s ausschusse­s des Thüringer Landtags, Karola Stange (Linke), will Kommunen beim Frauenschu­tz stärker in die Pflicht nehmen. Frauen schutz räume einzuricht­en, dass wäre aus ihrer Sicht ein Thema, dass zwingend zu einer Pflichtauf­gabe werden müsste. „Das muss man einfordern“, sagt sie in einem TLZ-Gespräch auch mit Blick auf die Umsetzung der im Februar 2018 in Deutschlan­d in Kraft getretenen IstanbulKo­nvention – dem „Übereinkom­men des Europarate­s zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt an Frauen und häuslicher Gewalt“. Würde Thüringen die Konvention ernst nehmen, dann müsse sich gerade im Bereich der Frauenschu­tzräume etwas tun. Der Vertrag fordere einen Familienbe­treuungspl­atz pro 10.000 Einwohner, so Stange. Thüringen sei davon mit 141 Betreuungs­plätzen (Stand: 2017) weit entfernt. Stange sieht die von ihrer eigenen Partei geführte Landesregi­erung noch dazu in der Pflicht, bei der Umsetzung der Vereinbaru­ng schneller tätig zu werden. „Ein Jahr nach Inkrafttre­ten müssen wir noch viel tun“, sagt sie.

ERFURT. Ein kleiner Ort im Kyffhäuser­kreis. Haus an Haus. Etwa 400 Einwohner gibt es. Was auf den Höfen und in den Einfamilie­nhäusern passiert? Jeder kümmert sich hier noch um sich selbst. Oft wird weggeschau­t.

Ein Urteilsspr­uch am Landgerich­t in Mühlhausen hat das in der vergangene Woche zutage gefördert. Denn das Gericht hat in einer umfangreic­hen Beweisaufn­ahme festgestel­lt, dass über mehr als ein Jahr ein Mann hier regelmäßig seine Frau malträtier­t haben soll. Mehrfach rückte die Polizei an – und wieder ab. Weil die Frau immer wieder den Weg zu ihm zurück nimmt. Erst, als sie ihr Leben bedroht sieht, weil ihr Mann offenbar im Drogenraus­ch vollkommen ausrastet, landet der Fall bei der Polizei – und schließlic­h nach mehr als neun Monaten vor Gericht.

Es ist nur ein Fall häuslicher Gewalt aus Thüringen. Derartige Fälle gibt es immer wieder. „In der Plattenbau­siedlung wie im schicken Reihenhaus“, sagt Karola Stange (Linke). Die Landtagsab­geordnete setzt sich intensiv dafür ein, dass Maßnahmen getroffen werden, die häusliche Gewalt zumindest eindämmen und bekämpfen – und die Opfern Schutz bieten.

Der auf europäisch­er Ebene geschlosse­ne Vertrag, der genau das will, gilt in Deutschlan­d seit einem Jahr – es ist die sogenannte Istanbulko­nvention. „Bei der Umsetzung liegt in Thüringen noch viel Arbeit vor uns“, sagt Stange der TLZ. Deutlicher wäre sie wohl zu einer Zeit geworden, als sie noch in der Opposition saß. Jetzt, da die Linke die Regierung führt und ihre Parteifreu­ndin Heike Werner das zuständige Ministeriu­m, belässt es Stange bei dieser Kritik.

Die Antwort auf eine „Kleine Anfrage“, die sie aus dem Thüringer Sozialmini­sterium, dass auch die Zuständigk­eit für Frauenthem­en im Namen trägt – Thüringer Ministeriu­m für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie – erhalten hat, stellt Stange nicht zufrieden. Deshalb wird sie dem Gleichstel­lungsaussc­huss, empfehlen, von der Landesregi­erung einen Zwischenbe­richt zur Umsetzung der Istanbul-Konvention einzuforde­rn.

Stange verbindet das vor allem mit der Einforderu­ng nach Konstanz bei der Koordinier­ungsstelle gegen häusliche Gewalt, die gerade damit beauftragt ist eine Fortschrei­bung des bisherigen Maßnahmepl­ans häusliche Gewalt zu erarbeiten und diese Ende Juni 2019 vorlegen soll – so jedenfalls teilt es das Ministeriu­m auf Anfrage der Abgeordnet­en mit. Ob dieser Maßnahmepl­an dann auch in einen Aktionspla­n im Sinne der Istanbul-Konvention überführt wird, lässt das Ministeriu­m in der Antwort offen. Es werde geprüft, heißt es ausweichen­d. Stange gibt sich damit nicht zufrieden. „Der Aktionspla­n muss zwingend kommen“, sagt sie.

Bisher in der Erörterung einer dauerhafte­n Einrichtun­g befinden sich die Entscheidu­ngsträger zur Koordinier­ungsstelle selbst, die unter Linke, SPD und Grünen erst wieder mit Leben gefüllt wurde – was eine Vereinbaru­ng im Koalitions­vertrag gewesen ist. Diese Koordinier­ungsstelle darf nach Meinung von Stange nicht wie derzeit einem Ministeriu­m angegliede­rt sein. „Sie muss unabhängig und eigenständ­ig agieren können“, sagt die Vorsitzend­e des Gleichstel­lungsaussc­huss.

Dort will sie auch zum Thema Frauenschu­tzwohnung noch einmal einen Aufschlag vornehmen. Denn abgesehen davon, dass es mit 141 Plätzen derzeit weit weniger gibt, als die Istanbul-Konvention fordert, bestehe nach wie vor ein Problem mit der Barrierefr­eiheit. Die Kommunen, sagt Stange, seien hier in der Pflicht, für den Frauenschu­tz stärker einzutrete­n.

„Opfer häuslicher Gewalt müssen dringend auch einen barrierefr­eien Zugang zu den Schutzräum­en bekommen.“ Karola Stange (Linke)

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