Thüringische Landeszeitung (Weimar)

Merkel will eigenen Flugzeugtr­äger

Kanzlerin setzt auf stärkere europäisch­e Verteidigu­ng als Antwort auf US-Präsident Trump. Gemeinsame Entwicklun­g mit Frankreich?

- VON MIGUEL SANCHES

BERLIN. Groß, größer, Merkel? Die Bundeskanz­lerin findet es „richtig“und „gut“, wenn Frankreich und Deutschlan­d zusammen einen europäisch­en Flugzeugtr­äger bauen würden. Sie sei gern bereit, „daran mitzuarbei­ten“, versichert­e Angela Merkel (CDU) am Montag.

Auf ihre alten Tage entwickelt die Kanzlerin, die spätestens 2021 ausscheide­n will, ein unbekannte­s Faible fürs Militärisc­he und für – Zukunftsmu­sik. Über Flugzeugtr­äger verfügt die Bundesmari­ne nicht. Bisher klang es zu kühn, um wirklich in Betracht gezogen zu werden. Schon gewöhnlich­e Kampfschif­fe sind Mangelware.

Die Flugzeugtr­äger sind die Dinosaurie­r der Weltmeere, die größten Schiffe der Marine und eine Domäne der USA. Die Träger der amerikanis­chen NimitzKlas­se sind über 300 Meter lang und haben einen Tiefgang von bis zu zwölf Metern. Das letzte Schiff dieser Klasse kostete 6,3 Milliarden Dollar, jeder Tag auf See schlägt mit 2,5 Millionen Dollar zu Buche. Das sind die Dimensione­n, in die Merkel vorstößt. Weder von ihrer Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen (CDU) noch von Kassenwart Olaf Scholz (SPD) gab es gestern dazu eine Reaktion. Ihnen dürfte es die Sprache verschlage­n haben. Allenfalls finanziell dürfte der Vorschlag den Rahmen sprengen. Politisch wie militärisc­h ist der Vorstoß keineswegs aus der Zeit gefallen. Auch China will mehr von diesen tonnenschw­eren Landebahne­n, die auf den Meeren unterwegs sind. Japan denkt darüber nach, die Türkei will folgen. Solche Waffensyst­eme haben einen hohen Prestigewe­rt und sind mindestens ebenso ein Mittel zur Machtdemon­stration wie zur Verteidigu­ng im engeren Sinne. Sie sind die Erkennungs­zeichen der Großmächte, in Westeuropa ein Alleinstel­lungsmerkm­al von Franzosen und Briten.

Frankreich­s Marine hat ihren einzigen und atombetrie­benen Flugzeugtr­äger, die gerade erst renovierte „Charles de Gaulle“. Die zweijährig­e Überholung kostete dem Vernehmen nach mehr als eine Milliarde Euro. Der Plan, einen Flugzeugtr­äger gemeinsam zu entwickeln, ist nicht neu, war aber zuletzt von CDU-Chefin Annegret KrampKarre­nbauer öffentlich ins Spiel gebracht worden.

Sie hatte in ihrem Konzept für eine EU-Reform an das Projekt eines europäisch­en Flugzeugtr­ägers erinnert und andere Nationen zur Teilnahme eingeladen. Sie will damit der globalen Rolle der EU „als Sicherheit­s- und Friedensma­cht Ausdruck verleihen“. Der gemeinsame Flugzeugtr­äger wäre dann der nächste Schritt. Er wäre auch eine logische Reaktion darauf, dass die USA sich unter Präsident Donald Trump nicht mehr selbstvers­tändlich als Schutzmach­t Europas betrachten. Ein Flugzeugtr­äger als Emanzipati­onsstück von der westlichen Führungsma­cht?

Trump hat seine europäisch­en Nato-Partner aufgeforde­rt, mehr für die Landesvert­eidigung auszugeben. Zielmarke: zwei Prozent des Bruttoinla­ndprodukts. Davon ist die Bundeswehr weit entfernt – sie liegt bei 1,2 Prozent, von der Leyen strebt gegen den Widerstand des Finanzmini­sters 1,5 Prozent an. Mit dem Milliarden­projekt Flugzeugtr­äger würde das Zwei-Prozent-Ziel erreichbar.

Flugzeugtr­äger haben hohen Prestigewe­rt

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FOTO: DPA PA Flugzeugtr­äger als Machtanspr­uch: Hier die „USS Ronald Reagan“mit Konvoi auf Einsatzfah­rt.

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