Thüringische Landeszeitung (Weimar)
Kramp-Karrenbauer: Türkei entfernt sich von Werten der EU
Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth fordert wirtschaftlichen Druck gegen Regierung Erdogan
BERLIN/ISTANBUL. Wegen des Streits um Akkreditierungen für deutsche Journalisten sieht CDU-Chefin Annegret KrampKarrenbauer wenig Chancen für eine weitere Annäherung der Türkei an die EU. „Wir haben immer gesagt, wir sehen eine besondere Partnerschaft mit der Türkei“, sagte Kramp-Karrenbauer am Montag im Nachrichtensender Welt. Wegen der Entscheidung der türkischen Behörden, unabhängige Journalisten nicht zu akkreditieren, entferne sich die Türkei aus diesem Prozess. Daher müsse man darüber reden, ob es „Sinn macht, einen Prozess voranzutreiben, von dem ein Partner ganz deutliche Signale setzt, dass er in keinster Weise mehr oder kaum noch die entsprechenden Werte, die wir in Europa hochhalten, teilt“.
Wochenlang hatten sich Diplomaten und Politiker für die deutschen Korrespondenten in der Türkei eingesetzt, von denen weiter viele auf ihre neuen Pressekarten warten. Das Vorgehen belastet die Beziehungen Deutschlands zur Türkei erneut schwer. ZDF-Korrespondent Jörg Brase und „Tagesspiegel“-Reporter Thomas Seibert hatten am Sonntag die Türkei verlassen. Das Presseamt in Ankara hatte ihnen und einem nicht ständig in der Türkei lebenden NDR-Reporter mitgeteilt, dass ihr Antrag auf eine neue Pressekarte abgelehnt worden sei.
Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth (Grüne) kritisierte die Bundesregierung. „Die Türkeipolitik der Bundesregierung ist und bleibt grob fahrlässig: Nicht die autokratische Regierung verdient unsere Unterstützung, sondern die vielen Menschen, gerade auch Journalistinnen und Journalisten, die trotz massiver Repression weiter für Demokratie und Menschenrechte einstehen“, sagte Roth unserer Redaktion. „Die herbeibeschworene Normalisierung mit Ankara ist großkoalitionäres Wunschdenken und spielt der repressiven Politik von Präsident Erdogan nur in die Karten.“Roth fordert von der Bundesregierung: „Was es braucht, sind klare Ansagen und spürbaren Druck, auch wirtschaftlich.“Zum ersten Mal seit zehn Jahren befinde sich die Türkei in einer Rezession. Hier müsse Berlin ansetzen. „Presse- und Meinungsfreiheit sind in der Türkei seit Langem hinter Gittern“, so Roth. Nun mache sich die Erdogan-Regierung daran, auch deutsche Redaktionen unter Druck zu setzen. „Es ist richtig, dem standzuhalten.“(ak/dpa)