Thüringische Landeszeitung (Weimar)
Pilot und Botschafter
Robert Förstemann wechselt in den paraolympischen Sport und startet mit Kai Kruse bei der WM in Apeldoorn
BERLIN. Dass Robert Förstemann (33) in Apeldoorn bei der Rad-WM startet, ist nichts Besonderes. Bis auf Platz fünf im Teamsprint im vergangenen Jahr hat das Geraer BahnradAss immer eine Medaille mit nach Hause gebracht. Doch am Sonnabend wird alles anders sein, steht alles auf Anfang.
Der Olympiadritte von 2012 wird mit seinem Partner Kai Kruse bei der Paracycling-WM im Tandem über 1000 Meter auf die Bahn gehen. An eine Medaille denkt das neue Duo noch nicht, dafür war die Vorbereitungszeit zu kurz, hatte Förstemann mit dem Gesundwerden nach seinem schweren Sturz bei den Sixdays in Bremen zu tun.
Zum 31. Dezember 2018 endete Förstemanns Zugehörigkeit zum Bund Deutscher Radfahrer, wechselte er vom olympischen zum paralympischen Sport. „Mein Fall ist ein Präzedenzfall“, sagt er. Ihm sei nicht bekannt, dass es so einen Wechsel schon einmal gegeben hat. Dankbar ist er der Bundespolizei und dem Bundesinnenministerium, die ihn weiter fördern und als Sportpolizist für das Training freistellen. „Das Vertrauen und diese Unterstützung möchte ich zurückzahlen – mit Erfolgen“, sagt er. Vorbei sind die Zeiten, da das neue TandemDuo nur auf die Bahn gegangen ist, wenn keiner mehr da war. Jetzt sei alles geklärt, könne die Mission Tokio 2020 gestartet werden. „Fast 17 Jahre war ich als Einzelkämpfer unterwegs. Jetzt sind wir zu zweit, trage ich die Verantwortung für Kai, dass er überall unfallfrei hinkommt und wir auf der Bahn schnell und sicher unterwegs sind“, sagt er und sieht die neue Aufgabe „als große Herausforderung“.
Zwar sei Förstemann noch immer als Olympiakader im Bahnradsprint geführt worden, doch die großen Zeiten schienen vorbei, und er habe gespürt, „die Zeit ist reif für etwas Neues“. Und als die Anfrage von Kai Kruse kam, musste er zwar länger überlegen, habe sich dann aber für den Wechsel entschieden und „nun will ich Kai mit meiner Kraft aufs Podest hieven“. Doch das ist leichter gesagt als getan. Das Tandem kommt nur in Fahrt, wenn beide synchron treten, zugleich ihre Kraft auf die Pedale geben. „Gelingt das nicht, bremst einer den anderen aus. Wir sprechen von negativer Kraft.“
Doch schon nach dem vierten Trainingstag lief es rund. „Wir passen gut zusammen. Aber Kai muss sich an meinen Fahrstil gewöhnen. Wir fahren Kampflinie und der Antritt, der Start ist unsere Stärke.“Der Hamburger Kai Kruse freut sich, dass er seinen Wunschpartner gefunden hat, seinen Piloten, wie der Mann vorn auf dem Tandem heißt. Als Kind hatte er sich bei der Leichtathletik schwer verletzt, der Sehnerv wurde beschädigt. „Seither liegt meine Sehstärke auf dem besseren Auge unter zehn Prozent“, sagt er. Vom Sport leben kann er nicht, ist auf Sponsoren angewiesen, arbeitet zehn Stunden die Woche als Physiotherapeut. Zuvor war der 27-Jährige mit Stefan Nimke im Para-Tandem gefahren, in Rio 2016 holten sie Bronze, danach trennten sie sich.
Dass die WM in den Niederlanden auch gleichzeitig ihre Wettkampfpremiere ist, liege daran, dass nur wenige Bahn-Rennen im Paracycling angeboten werden. Da ist die WM, da sind Europacups und die Paralympics. Ein Platz unter den ersten acht soll bei der WM herausspringen – und unmittelbar nach Apeldoorn setzt unter Trainer Emanuel Raasch die Vorbereitung auf Tokio 2020 ein.
Der 63-jährige Berliner war 1991 mit Eyk Pokorny TandemWeltmeister geworden. Aktuell sind die Tandems nur im Behindertensport zu sehen. Doch es gebe einige Ideen, die Tandems wieder auf die Bahn zu bringen, „weil es ein rasanter Sport ist, etwas für die Zuschauer“, sagt der Trainer und bringt seinen Sportler ins Spiel. Förstemann kann als Sprinter zwar nicht mehr bei Weltmeisterschaften und Weltcups starten, aber bei Grands Prix und Sixdays wohl. „Ich werde da trommeln und werben für die Tandems, sehe mich da als Botschafter. Es wäre nicht das erste Mal, dass der paralympische Sport Vorreiter ist.“