Thüringische Landeszeitung (Weimar)
„Das war wirklich Gänsehaut pur“
Bei der WM 2008 erlebt Biathlet Alexander Wolf eine sportliche Sternstunde, aber auch seine schmerzhafteste Erfahrung
ÖSTERSUND. Vor elf Jahren stürmte er in Östersund zu seinem Karriere-Höhepunkt. Im Verfolgungsrennen und mit der deutschen Staffel holte der Thüringer Alexander Wolf jeweils Bronze. Die Erinnerungen an seine Erfolge sind bei dem 40-Jährigen nach wie vor sehr präsent.
Herr Wolf, vier Medaillen in fünf Rennen. Zufrieden mit der WM-Ausbeute?
Es war ein ordentlicher Start. Die Silbermedaille in der Mixedstaffel hat erst mal Druck von der Mannschaft genommen. Dazu drei Medaillen für die Frauen, überstrahlt vom WM-Titel für Denise – es läuft rund im Team. Bei den Männern war der eine oder andere Schießfehler zu viel dabei. Aber ich bin optimistisch, dass sie in dieser Woche bei der Medaillenvergabe noch eingreifen. Die Form passt jedenfalls.
Kommen bei Ihnen die Momente von einst wieder hoch?
Klar. Eigentlich hätte ich nach Östersund fahren müssen. Das wird für mich immer ein besonderer Ort sein. Ich wollte 2008 die WM-Medaille unbedingt, nachdem in den Jahren zuvor so viel schief gelaufen ist und ich nach den Olympischen Spielen 2006 mit dem Gedanken gespielt hatte, meine Laufbahn zu beenden.
Warum?
Ich war riesig enttäuscht, dass ich in Turin die Olympia-Staffel nicht laufen durfte. Dabei hatte ich mir vorher in der Saison das Gelbe Trikot des Weltcup-Führenden geholt. Leider bin ich in Ruhpolding krank geworden und dann leider aus der Staffel geflogen. Ein Jahr später bei der WM in Antholz war ich wieder Mitfavorit auf eine Medaille, ganz gereicht hat es aber nicht.
Auch in Östersund sah es zunächst so aus, als würde Ihnen das Pech treu bleiben...
Stimmt. Im Sprint bin ich weggerutscht und habe durch den Sturz den Laufrhythmus verloren. Als 19. hatte ich in der Verfolgung eigentlich keine Chance mehr aufs Podest. Doch meine Trainer Frank Ullrich und Mark Kirchner haben mir viel Mut gemacht, mich aufgebaut – ja, und dann kam mein Moment.
Erzählen Sie.
Im Rennen konnte ich mich immer weiter nach vorn arbeiten. Beim letzten Schießen waren wir dann sieben Athleten, die um Bronze kämpften. Ole Einar Björndalen und Maxim Tschudow waren längst weg. Da dachte ich mir: Jetzt oder nie! Im Laufe der Schlussrunde konnte ich mich mit Dimitri Jaroschenko von den anderen lösen. Das Gefühl, als ich ihn dann am letzten Anstieg stehen ließ, war unbeschreiblich; meine Genugtuung beim Zieleinlauf riesengroß. Und ich weiß noch genau, wie Schulkinder bei der Siegerehrung auf dem Rathausplatz die Nationalhymne gesungen haben – das war Gänsehaut pur.
Ein paar Monate später wurde der Russe des Epo-Dopings überführt und gesperrt.
Ja, aber eine Medaille, die man nachträglich mit der Post bekommt, kann diese Emotionen niemals ersetzen. Auch am Echo der Fans habe ich gespürt, wie sehr sie mit mir mitgefiebert haben. Selbst der damalige Bundespräsident Horst Köhler sagte bei einem Empfang in Oberhof zu mir, wie sehr ihm meine Aufholjagd imponiert hat. Diese Reaktionen machen die Bronzemedaille für mich noch wertvoller.
Nach Ihrer Karriere starteten Sie schnell als Trainer durch. War das genauso geplant?
Eigentlich wollte ich nicht mehr aus der Tasche leben; mehr zu Hause sein. Doch mittlerweile habe ich in dem Job meine Erfüllung gefunden. Es macht unheimlich viel Spaß mit den elf Jungs. Sie sind ehrgeizig und schon ziemlich erfolgreich.