Thüringische Landeszeitung (Weimar)
Weimarer Geschichte aus dem Blickwinkel von Jugendlichen
Eine Enzyklopädie der besonderen Art: Für das Internetprojekt „Youpedia“wandern Schüler auf Schillers Spuren
Weimar. Mit Dreispitz auf dem Kopf und Gehstock in der Hand stehen Jonathan und Tobias vor dem Schillerhaus. Von dem Dichter haben sie schon einiges gehört, sei es im Deutsch-Unterricht oder im Alltag. Natürlich ist Schiller in Weimar in aller Munde. Doch in der Rolle des Klassiker durch sein einstiges Wohnhaus gehen, sehen, wo die Werke erdacht wurden, die sie in der Schule behandeln – so nah waren die Neuntklässler dem Dramatiker noch nie.
So wie Jonathan und Tobias sollen auch andere Jugendliche Schiller sehen und verstehen. Aus Fotos, die sie auf ihrer Tour durch das Haus gemacht haben, erstellt die insgesamt vierköpfige Gruppe eine Präsentation und spricht zu jeder Szene erklärende Texte ein – fertig ist ihr erster Beitrag auf „Youpedia“. Wie bei der Online-Enzyklopädie Wikipedia erstellen auch bei „Youpedia“die Nutzer die Inhalte. Eigenständig zu recherchieren, erklärt die Projektverantwortliche Sophia Gröschke, soll den Zugang der Jugendlichen zu Kultur und Geschichte vereinfachen. Dabei arbeiten sie mit einem Werkzeug, das sie ohnehin täglich bedienen: dem Internet. Doch auch, wenn die Google-Suche vielen Schülern schon in Mark und Bein übergegangen ist, will Online-Recherche gelernt sein. Sophia Gröschke und ihre Kollegen von der Klassik-Stiftung zeigen den Arbeitsgruppen, welchen Quellen man vertrauen kann, erklären ihnen, was sie beim Formulieren von Texten und Einsprechen von Audiodatein beachten müssen. Zwar dreht sich „Youpedia“in Weimar um Goethe und Schiller, während der Arbeit an kulturgeschichtlichen Themen könnten die Schüler aber auch Parallelen zu gegenwärtigen Problematiken ziehen. Etwa wenn es um den gesellschaftlichen Stand von Christiane von Vulpius geht. Die Ehefrau Goethes wurde im aristokratischen Umfeld des Dichters nicht akzeptiert. Die Kränkungen, die Christiane Vulpius erfahren hat, kommen Mobbing gleich. Dieses Verhalten haben wohl viele der Schüler schon miterlebt.
Weiterhin beschäftigten sich die Jugendlichen mit dem Verhältnis von Goethe zu Charlotte von Stein sowie der Freundschaft zwischen ihm und Schiller, die – wie die Teilnehmer erfahren – sich anfangs gar nicht freundlich gesonnen waren.