Thüringische Landeszeitung (Weimar)
Wenn ich singe . . .
...verändert sich die Welt um mich herum: Verstand und Vernunft räumen ihren Platz als Sitzungsleiter im „Beratungszimmer meines Ichs“und Herz und Seele übernehmen die Versammlungsleitung.
Wenn ich singe, dann treten die Gedanken an Leistung und Effizienz zurück in die zweite Reihe und das Gefühl für das Wahre und Schöne übernimmt das Dirigat.
Wenn ich singe, erkennt mein Herz Wahrheiten, die dem Verstand verschlossen bleiben, ihm paradox oder gar verrückt erscheinen.
Wenn ich singe, prägen sich mir Worte ein, die mir sonst unhaltbar Sebastian Kircheis ist Pfarrer der Herderkirche.
scheinen. Sie hinterlassen Eindrücke in der Seele, die stärker und nachhaltiger wirken, als das klügste Argument. Wenn ich singe, lebe ich. Der kommende Sonntag lädt uns schon mit seinem Namen zum Singen ein. Er heißt „Kantate“– „Singt dem Herrn ein neues Lied!“(Psalm 98, 1). Ein bekannter Theologieprofessor unserer Tage bekennt: „Ich weiß nicht, ob ich heute Christ wäre, wenn ich das biblische Wort nur gelesen und nie gesungen hätte.“Ich verstehe gut, was er meint: Singen hilft, sich die Welt mit Herz und Seele zu erschließen, auch die Welt des Glaubens.
Und wenn du sagst: „Singen? Kann ich nicht.“Einfach mitmachen. Der barmherzige Gott ist mit Sicherheit kein Musiklehrer, der an „Brummer“schlechte Noten verteilt. Dein Gesang ist ihm genauso wertvoll, wie der der großen drei Tenöre.
Gelegenheit zum Singen gibt es genug.
Und: Niemand muss alleine singen! Man kann sich tragen und mitnehmen lassen: zum Beispiel, wenn die Glocken einladen zum Gottesdienst am kommenden Sonntag. Sein Name ist Programm: „Kantate – singt!“.