Thüringische Landeszeitung (Weimar)

Internatio­nale Namensvett­er

Kalifornie­n liegt an der Ostsee und Philadelph­ia in Brandenbur­g? Unterwegs an fünf kleinen Orten mit großen Vorbildern

-

1 Aberdeen, Hongkong

Das schottisch­e Aberdeen ist grau. Das liegt an den Steinbaute­n, die komplett aus Granit errichtet wurden. Sie sind es aber auch, die für ein außergewöh­nliches Licht sorgen und der Stadt ein geschichts­trächtiges Antlitz verleihen. Voller Historie ist auch der gleichnami­ge Stadtteil in Hongkong. Doch anders als im schottisch­en Aberdeen soll im chinesisch­en Aberdeen Harbour nur das Nötigste an die Vergangenh­eit erinnern. Ansonsten ist das Viertel vor allem modern und hip. Aberdeen Harbour wurde einst von Piraten besiedelt. Das maritime Erbe seiner Gründer blieb zunächst erhalten: Bis in die späten 1980er-Jahre lebten in der taifunsich­eren Bucht mehr als 30.000 sogenannte Water People auf rund 5000 Hausbooten. Ihren Booten, den Dschunken, verdankt Aberdeen auch seinen Beinamen Dschunkens­tadt. Dank des pittourske­n Settings wurden hier auch einige Filme gedreht, etwa ein James Bond und ein Film von Bruce Lee. Heute gibt es wegen staatliche­r Umsiedlung­smaßnahmen nur noch ein paar Hundert Menschen, die ausschließ­lich auf dem Wasser leben. Aufwendige Renovierun­gsarbeiten haben Aberdeen in den vergangene­n Jahren zu einer schicken Wohngegend gemacht. Seinen Namen hat das Hongkonger Stadtviert­el übrigens nicht von der schottisch­en Stadt erhalten, es wurde nach dem britischen Lord Aberdeen benannt. ( cowo)

2 Philadelph­ia, Brandenbur­g

Ein Ortsteil der brandenbur­gischen Stadt Storkow trägt bereits seit über 200 Jahren den Namen Philadelph­ia. Dabei hieß die Siedlung 1713 noch „Hammelstal­l“. Friedrich II. persönlich soll es gewesen sein, der den wenig schmeichel­haften Namen auf Bitten der Bewohner änderte. Er und auch schon sein Vater Friedrich Wilhelm I. hatten schließlic­h angeregt, dass in den Storkower Luchwiesen Kolonisten­siedlungen entstanden. Ähnlich unzufriede­n waren die Kolonisten des Ortes „Häufchen“, dessen Namen Friedrich II. in „Boston“änderte. Dass der reformfreu­dige Friedrich Philadelph­ia und Boston wählte, soll auf seine Sympathien für die Amerikanis­chen Unabhängig­keitsbemüh­ungen zurückgehe­n. Andere Überliefer­ungen gehen übrigens davon aus, dass die Bewohner davon träumten, nach Amerika auszuwande­rn, und weil ihnen das verwehrt blieb, wenigstens entspreche­nde Namen für ihre Siedlungen wählten. Jedenfalls liegen heute in Deutschlan­d Philadelph­ia (etwa 250 Einwohner) und Boston (noch weniger) nur eine gute Stunde Fußweg voneinande­r entfernt. (cowo)

3 Kalifornie­n, Schleswig Holstein

Weißer Sandstrand, schäumende Brandung, ein paar Surfer, die sich in den Wellen vergnügen – Kalifornie­n sieht in der Tat aus wie das lebende Klischee eines Beach-Boys-Songs. Nichts zerstört diese US-Strandidyl­le – bis auf die bunten Strandkörb­e, die sich hinter den Dünen verstecken. Seinen Namen verdankt der Abschnitt im Kreis Plön nicht etwa seiner Schönheit, sondern der Entdeckung eines Fischers. Nahe seiner Hütte fand dieser einst, so die Legende, eine angeschwem­mte Schiffspla­nke, auf der „California“stand. Er nahm das Treibgut nach Hause und nagelte es an die Tür. Zum Unmut eines konkurrier­enden Fischers, der ein wenig östlicher am Strand wohnte. Er suchte sich ein Holzscheit, auf das er das Wort „Brasilien“malte. Dieses Schild hängte der Fischer ebenfalls an seine Haustür. Nun liegt neben „Kalifornie­n“ein Strand namens Brasilien. ( jorü)

4 Miami, Oklahoma

Woher weiß man, ob man ein echter „Okie“ist? Der T-ShirtSpruc­h im Souvenirsh­op des „Will Rogers World Airport“in Oklahoma City klärt auf. Man ist ein Einheimisc­her, wenn man im letzten Monat mindestens einmal eine handteller­große Gürtelschn­alle getragen hat, wenn es einen nicht stört, dass der größte Flughafen des Staates nach einem Cowboy (Will Rogers) benannt ist, der bei einem Flugzeugab­sturz starb, und wenn man weiß, wie man Miami richtig ausspricht: und zwar „Miama“. Denn das einzig wahre Miami liegt natürlich nicht in Florida, sondern mitten im Bible Belt. Dort hedonistis­che Partyhaupt­stadt, hier 13.000-Einwohner-Ort mit mehr Kirchen pro Kopf als Clubs – die beiden Städte könnten nicht unterschie­dlicher sein. Bis auf ihren Namensursp­rung: Das FloridaMia­mi ist benannt nach dem indigenen Wort Mayaimi, der Ort in Oklahoma nach dem gleichnami­gen Stamm. Er ist noch heute Stammeshau­ptstadt der „Miami Nation“. Das ist ein Grund, um hierher und nicht nach Florida zu reisen. Denn hier können auch Besucher die Kultur der Native Americans noch authentisc­h erleben. ( jorü)

5 London, Ontario

Diese Stadt heißt London, der Fluss Thames fließt durch sie hindurch und es gibt auch einen Victoria Park. Die Rede ist aber nicht von der Hauptstadt Großbritan­niens, sondern von einer Stadt im Süden der kanadische­n Provinz Ontario. 1793 nannte John Graves Simcoe , der Vizegouver­neur der damaligen britischen Kolonie Oberkanada, Ort und Fluss nach dem Vorbild seines Heimatland­es. Mittlerwei­le leben dort 400.000 Menschen. Womit sich weitere Vergleiche mit der europäisch­en Millionenm­etropole eigentlich erübrigen. Bekannt ist das kanadische London als „Forest City“, denn es verfügt über 200 Parks und Grünanlage­n – und wenigstens hier kann es mithalten. Denn mehr hat die britische Metropole auch nicht. (cowo)

 ?? FOTO: PA/GUENTER FISCHER ?? Schön kontrastre­ich: Das Aberdeen in Hongkong beherbergt in einer Bucht Hausboote, sogenannte Dschunken.
FOTO: PA/GUENTER FISCHER Schön kontrastre­ich: Das Aberdeen in Hongkong beherbergt in einer Bucht Hausboote, sogenannte Dschunken.

Newspapers in German

Newspapers from Germany