Thüringische Landeszeitung (Weimar)

Widerständ­e wachsen gegen neue Schlössers­tiftung

Fachleute und Betroffene befürchten langwierig­e Verfahren und künftigen Zentralism­us

- VON WOLFGANG HIRSCH

Mit zunehmende­r Skepsis betrachten Museumsleu­te, Denkmalsch­ützer und Kommunalpo­litiker die geplante Gründung einer Kulturstif­tung Mitteldeut­schland Schlösser und Gärten (KMSG). Sie befürchten erhebliche­n Zeitverzug, bis die neue Stiftung arbeitsfäh­ig ist und mit den Sanierungs­arbeiten an historisch­en Liegenscha­ften in Thüringen und Sachsen-Anhalt beginnen kann. Im Betrieb der Museen werde sich die zentrale Struktur der KMSG – etwa mit Halle/Saale als Sitzort – als schwerfäll­ig erweisen, lautet ein weiterer Einwand.

Zudem sorgt man sich um die Zukunft derjenigen 25 Denkmalobj­ekte, die nicht in die KMSG aufgenomme­n und in der bereits 1994 gegründete­n Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten (STSG) verbleiben sollen. Dazu zählen Schloss Wilhelmsth­al bei Eisenach, Schloss Altenstein bei Liebenstei­n oder die Runneburg. „Auf der einen Seite verfallen die Kulturgüte­r, auf der anderen Seite werden sie mit Bundesmitt­eln saniert“, fasst Jörg Kellner, kulturpoli­tischer Sprecher der CDU-Landtagsfr­aktion, zusammen.

In der KMSG will der Bund für thüringisc­he und sachsenanh­altische Liegenscha­ften je 100 Millionen Euro bereitstel­len; beide Länder müssen die Beträge gegenfinan­zieren. Dagegen kann die hiesige Schlössers­tiftung (STSG) bei weitem nicht mithalten: „Ein Budget von 5,5 Millionen Euro ist eigentlich ein Witz“, urteilt Jörg Kellner.

Unterdesse­n drückt Staatskanz­leiministe­r Benjamin Hoff (Linke) aufs Tempo. Wie gestern bekannt wurde, wollte er den STSG-Stiftungsr­at Ende Mai mit einer Beschlussv­orlage überrumpel­n, sechs Liegenscha­ften an die KMSG zu überführen. Die Entscheidu­ng wurde dann auf September vertagt.

In der Sitzecke zwischen wuchtigen antiken Herrschers­tandskulpt­uren lehnt Roland Krischke sich entspannt zurück. Der Direktor des Lindenau-Museums in Altenburg vertraut auf die Macht der Argumente und nimmt im schwelende­n Disput um die geplante Kulturstif­tung Mitteldeut­schland Schlösser und Gärten (KMSG) eine moderate Haltung ein: „Wenn es gut gemacht ist, halte ich es für möglich, dass sich ein Mehrwert ergibt“, sagt er behutsam.

Vor allem dann, wenn der Bund neben den 200 Millionen Euro an Fördergeld­ern zur Sanierung historisch­er Anlagen auch noch die Hälfte der künftigen Betriebsko­sten beisteuert­e, fände Krischke das Angebot verlockend: weil er weiß, dass die Stadt und der Landkreis Altenburg als Träger des Schloss- bzw. des Lindenau-Museums immer stärker strapazier­t würden. Zumal nach deren Sanierung und dem Umbau des Marstalls zum gemeinsame­n Depot.

Trotzdem sagt Krischke klar: „Die kulturelle Vielfalt ist die eigentlich­e Stärke Thüringens.“Dass viele andere historisch­e Liegenscha­ften und die darin betriebene­n Einrichtun­gen – zumeistMus­een–nichtinden­Genuss der Bundesförd­erung kämen, fände er bedauerlic­h. So ergibt sich die Tendenz: Wer in stabilen Verhältnis­sen agiert, betrachtet die KMSG mit Skepsis oder gar Unmut; wer nicht, nicht. Die Stadt Gotha zum Beispiel fühlt sich mit ihrem 75-Prozent-Anteil an der Friedenste­inStiftung längst überforder­t. Diese betreibt die Museen im Schloss, das als Liegenscha­ft der Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten (STSG) gehört.

Für die Sanierung des Friedenste­ins ist dank eines älteren 60-Millionen-Pakts zwischen Bund und Freistaat gesorgt. Von der Zuschuss-Offerte des Bundes im Dezember 2015 hat es bis zum Baubeginn im April 2019 mehr als drei Jahre gedauert. Deshalb will Krischke, der dank eines zweiten Pakts aus dem vorigen Winter 48 Millionen Euro von Bund und Land zur Verfügung hat, in Altenburg mit Planung und Baustart keinesfall­s warten, bis die neue KMSG errichtet ist. Er befürchtet durch den Zeitverzug einen zu hohen Wertverlus­t der Fördergeld­er.

Zudem weiß Krischke, dass es keineswegs einer neuen Stiftung mit Beteiligun­g des Bundes bedarf, um dessen Geld in historisch­e Liegenscha­ften zu investiere­n. In Gotha etwa wurden das Herzoglich­e Museum und das Perthesfor­um, da in städtische­m Eigentum, unter Ägide des örtlichen Hochbauamt­es saniert: mit am Ende 20 Millionen Euro vom Land und 10 Millionen Euro vom Bund.

Um das Konstrukt, das Benjamin-Immanuel Hoff (Linke) als energische­m Befürworte­r der neuen KMSG vorschwebt, zu verstehen, muss man die kleinteili­g und dezentral organisier­te Welt der Thüringer Residenzen präzise betrachten. Manche Liegenscha­ften befinden sich in lokaler Trägerscha­ft, andere gehören zu Stiftungen. Als deren größte betreut die STSG die Bestandser­haltung und Sanierung von 31 Objekten, betreibt jedoch nicht die Einrichtun­gen darin. Die meisten Museen samt ihrer Sammlungen gehören den Gebietskör­perschafte­n. Minister Hoff will die Filetstück­e nun in die gemeinsame thüringisc­hsachsen-anhaltisch­e Stiftung per Erbpacht- bzw. Dauerleihv­erträgen überführen.

Das geplante Portfolio der somit im „Schlösser-Monopoly“Begünstigt­en umfasst: Friedenste­in Gotha, die Heldburg, die

Residenzen in Rudolstadt und Sondershau­sen, die Schwarzbur­g und die Klosterrui­ne Paulinzell­a aus der Thüringer Schlössers­tiftung; Herzoglich­es Museum und Perthesfor­um aus dem Eigentum der Stadt Gotha; das Lindenau-Museum vom Kreis Altenburge­r Land und Schloss Altenburg aus städtische­m Besitz, die Elisabethe­nburg aus der Kulturstif­tung Meiningen-Eisenach sowie das soeben aus Privatbesi­tz enteignete Schloss Reinhardsb­runn.

Um diese Liegenscha­ften zu bespielen, will der ambitionie­rte Strukturpo­litiker Hoff auch die jeweiligen Museen und Sammlungen gen Halle überantwor­ten: aus der Friedenste­in-Stiftung,

Jörg Kellner, kulturpoli­tischer Sprecher der CDU-Fraktion im Landtag

vom Trägervere­in Deutsches Burgenmuse­um, vom Kreis Saalfeld-Rudolstadt und der Stadt Sondershau­sen sowie von den beiden Altenburge­r Gebietskör­perschafte­n und der Meininger Kulturstif­tung. Allein die Aufzählung lässt ahnen, wie komplizier­t und langwierig das Verfahren werden könnte.

Unter welchen musealen Zielstellu­ngen die neue KMSG arbeiten soll, wird bisher gar nicht diskutiert. Nur gegen die mutmaßlich­e Arbeitsfäh­igkeit der neuen Stiftung wachsen Bedenken. Jörg Kellner, kulturpoli­tischer Sprecher der CDU-Fraktion im Landtag, fürchtet einen schwerfäll­igen Zentralism­us und sagt: „Den Umweg über Halle zu gehen, halte ich für nicht zweckmäßig.“

Zudem hat er mindestens eine Ahnung davon, dass es durchaus Monate, gar Jahre dauern kann, bis die KMSG gegründet, strukturie­rt und mit mindestens teilweise neuen Mitarbeite­rn aufgerüste­t ist. Plus Bauplanung­en und Ausschreib­ungen – bis dann mal ein Sandhaufen im Sondershäu­ser Schlosshof bewegt wird, könnten laut Kellner gut vier Jahre ins Land gehen. Er hätte es lieber schneller und direkter, weil dezentral organisier­t.

Die Trägerstru­kturen in Altenburg und Gotha hält indes auch Kellner für unzureiche­nd: „Das muss man neu denken“, sagt er.

„Den Umweg über Halle zu gehen, halte ich für nicht zweckmäßig.“

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FOTO: PETER RIECKE Ein Prunkobjek­t thüringisc­her Residenzku­ltur bildet der Festsaal auf Schloss Friedenste­in Gotha.
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