Thüringische Landeszeitung (Weimar)
Vom Zettelkasten zum Internetportal
Das Thüringer Flurnamenarchiv wird bis Ende 2020 digitalisiert. Kein anderes Bundesland hat eine solch umfangreiche Sammlung
Das kleine Thüringen ist wieder mal der Größte: In keinem anderen Bundesland wurden bislang so viele Flurnamen gesammelt wie in unserem. Sagt jedenfalls Barbara Aehnlich von der Uni Jena. Und sie muss es wissen: Denn als Mitarbeiterin des Instituts für Germanistische Sprachwissenschaft betreut sie seit 2006 das in Jena beheimatete Thüringer Flurnamenarchiv, das inzwischen etwa 150.000 Belege umfasst. 126.000 davon betreffen Thüringen, die übrigen einen an den Freistaat angrenzenden südlichen Teil Sachsen-Anhalts.
Die Flurnamenforschung in Thüringen, sagt Barbara Aehnlich, begann um 1910. 1933 sei dann das Archiv gegründet und in den darauffolgenden Jahrzehnten mal mehr, mal weniger intensiv bestückt und gepflegt worden. Von 1982 bis 1994 etwa stagnierte die Erfassung – auch, weil die Arbeit am Thüringischen Wörterbuch damals viele Kräfte band.
Ehrenamtliche sind eingebunden Besonders an diesem Archiv ist indes nicht nur der Umfang des Bestands. Eine Besonderheit ist auch die Tatsache, dass die Sammlung der Flurnamen zwar beim Heimatbund Thüringen angesiedelt ist, die Jenaer Uni aber die fachkundliche Betreuung übernommen hat. „Das heißt, ehrenamtliche Sammler und Wissenschaftler arbeiten eng zusammen“, erklärt Barbara Aehnlich.
Auf zahlreichen Regionalkonferenzen sei mehr als 350 Heimatforschern erklärt worden, was genau sie erfassen und aufschreiben sollten. Wie sie auch dazu ermuntert worden seien, fleißig weiter zu sammeln. Denn in Thüringen, schätzt Barbara Aehnlich, dürfte es an die 300.000 Flurnamen geben. Bislang ist also gerade einmal die Hälfte davon erfasst worden.
Wirklich genutzt werden konnte das Flurnamenarchiv bis jetzt aber nicht – weder von der wissenschaftlichen Forschung noch von Laien. Denn bislang wurden die Flurnamen nur auf Zetteln von DIN A6Größe vermerkt. Viele davon sind aufgrund der langen Lagerzeit porös und vom Zerfall bedroht, andere zum Beispiel in Sütterlinschrift verfasst, die heute nur noch wenige entziffern können. Barbara Aehnlich hat sich deshalb dafür eingesetzt, das analoge Archiv in Kooperation mit der Thüringer Universitätsund Landesbibliothek (ThULB) Schritt für Schritt zu digitalisieren. Damit soll es künftig jedem interessierten Nutzer möglich sein, online auf die Sammlung zurückzugreifen.
Nachdem die Thüringer Staatskanzlei die Förderung zugesagt hatte, konnte im Juni begonnen werden: Seither tippen studentische Hilfskräfte die teils handschriftlich, teils mit Schreibmaschine festgehaltenen Notizen zu amtlicher Namensform, mundartlicher Lautung des Namens, historischen Belegen, Lage und überlieferten Hinweisen zum Namensursprung ab. Jeweils etwa 100 Stunden pro Monat sind derzeit zwei Studenten damit beschäftigt. Läuft alles wie geplant, sind bis Ende 2020 alle Zettel in die
Datenbank eingearbeitet. Und nicht nur sie: Auch Belege aus mehr als 60 Abschlussarbeiten, die an der Professur für Geschichte der deutschen Sprache der Uni Jena betreut wurden, sowie aus Dissertationen und ehrenamtlich entstandenen Sammlungen sollen dem digitalen Archiv einverleibt werden. Da die vorhandenen Belege durch Mitarbeiter der ThULB dabei zusätzlich mit Geodaten verknüpft werden, wird den Nutzern künftig auf einer Karte auch der jeweilige Ort angezeigt.
Das heißt freilich auch: Bis das gesamte im Flurnamenarchiv lagernde Material für jedermann frei verfügbar ist, dauert es noch gut ein Jahr. Bis dahin wird die Datenbank aber fortlaufend aktualisiert. Generell ist das Interesse an Flurnamen groß, wie Barbara Aehnlich bestätigt: „Es gibt immer wieder Anfragen.“Deshalb ist die Projektleiterin auch froh, dass sie künftig nicht mehr bedauernd die Hände heben muss, sondern auf das Portal verweisen kann. Auch wenn noch ein paar Monate ins Land gehen, bis es komplett ist.