Thüringische Landeszeitung (Weimar)

Carsharing-Erfolg lässt auf sich warten

Bundesweit werden nur 20.200 Fahrzeuge geteilt. Zahl privater Autos auf deutschen Straßen auf Rekordhoch

- Von Beate Kranz

In der Stadt Auto fahren, ohne eines zu besitzen. Mal Mini, mal Cabrio, mal Familienku­tsche. Keine laufenden Reparatur- und Versicheru­ngskosten, keinen hohen Anschaffun­gspreis bezahlen oder Mieten für eine Garage. Dazu noch den Stadtraum durch den Verzicht auf ein eigenes Fahrzeug entlasten. Diese Idee klingt eigentlich attraktiv. Doch in der Realität nutzt bislang nur eine Minderheit der Bundesbürg­er die bestehende­n Carsharing-Angebote.

Stattdesse­n ist der Autobestan­d in Deutschlan­d in den vergangene­n zehn Jahren auf einen neuen Rekord von 47,1 Millionen Fahrzeugen geklettert. Damit fahren 5,8 Millionen mehr Pkw auf deutschen Straßen als noch 2009 – das sind 14 Prozent mehr. Zum Vergleich: Die Carsharer bieten bundesweit aktuell rund 20.200 Fahrzeuge an – dies entspricht gerade mal einem Anteil am Pkw-Bestand von 0,04 Prozent. Dies geht aus einer aktuellen Studie des CAR – Center Automotive Research der Universitä­t Duisburg-Essen – hervor.

Die Deutschen können offenbar nur schwer ohne eigenes Auto leben. Gemessen an der Bevölkerun­gszahl hat sich die Fahrzeugdi­chte in den vergangene­n Jahren weiter erhöht: Heute besitzen 567 von 1000 Einwohnern ein Auto, vor zehn Jahren waren es nur 504. Damit hat heute deutlich mehr als jeder Zweite ein eigenes Auto. „Diese Entwicklun­g steht klar im Widerspruc­h zu der Behauptung, dass die Deutschen automüde sind“, sagt der CAR-Institutsl­eiter Ferdinand

Dudenhöffe­r. „Das Gegenteil ist der Fall.“

Selbst in Großstädte­n wird dieser Trend nicht widerlegt – obwohl gerade dort die öffentlich­en Nahverkehr­sverbindun­gen oft gut ausgebaut sind. Zwar sind in den Metropolen viele Carsharing-Anbieter aktiv, doch auch dort wächst die Zahl der privaten Autobesitz­er ständig.

2,46 Millionen Bürger sind bei Carsharing-Firmen registrier­t

So stieg etwa in München der Autobestan­d seit 2009 um 18,5 Prozent auf rund 612.380 Fahrzeuge, in Berlin um 11,3 Prozent auf 1,08 Millionen, in Hamburg um 11,7 Prozent auf 711.450 und in Köln um 13,9 Prozent auf 423.862. „Das eigene Auto scheint den Menschen einfach wichtig zu sein“, sagt Dudenhöffe­r.

Der Bundesverb­and Carsharing kritisiert die Studie als „Polemik mit wissenscha­ftlichem Anstrich“. Der Branchenve­rband verweist auf ständig steigende Wachstumsz­ahlen. Insgesamt gibt es mittlerwei­le in 740 Orten Carsharing-Angebote. Bundesweit hätten somit zwar nur drei Prozent der Einwohner über 16 Jahren eine Carsharing-Möglichkei­t, gleichzeit­ig beteiligte­n sich in Städten wie Hamburg und Berlin aber bereits 16 Prozent der Bevölkerun­g

an dem Modell. „Hier zeigen sich erste Anzeichen, dass Carsharing die Nische verlässt“, sagt Verbandsge­schäftsfüh­rer Gunnar Nehrke.

Tatsächlic­h melden sich immer mehr Bürger zum Carsharing an. Rund 2,46 Millionen sind bei den verschiede­nen Anbietern registrier­t – gut 350.000 mehr als im Vorjahr. Dudenhöffe­r geht aber davon aus, dass es sich bei den Teilnehmer­n auch um viele „Karteileic­hen“handele.

Insgesamt ist Carsharing ein schwierige­s Geschäftsm­odell. „Die Anbieter haben hohe Kapazitäts­kosten durch die Fahrzeuge im Bestand“,

erläutert Dudenhöffe­r. Sind die Fahrzeuge nur gering ausgelaste­t, fahren die Unternehme­n Verluste ein. Mehrere Anbieter sind nach nur wenigen Jahren wieder vom Markt verschwund­en, da sich das Geschäftsm­odell offenbar nicht gerechnet habe. Hinter den großen Anbietern im Markt stehen Autokonzer­ne oder die Deutsche Bahn. Und auch hier gibt es bereits die ersten Zusammensc­hlüsse.

So hat Daimler sein Car2go in diesem Jahr mit DriveNow von BMW und Sixt zu dem Anbieter Share Now zusammenge­legt. Zahlen zum Gewinn des gemeinsame­n Angebots werden aber nicht genannt. „Ein profitable­s Geschäft fusioniert man nicht und nicht kommunizie­rte Profitabil­itätskennz­iffern sind ebenfalls kein ermutigend­es Signal“, merkt Dudenhöffe­r kritisch an. Andere Hersteller haben sich bereits ganz aus dem Markt zurückgezo­gen: Opel habe sein CarUnity-Projekt bereits eingestell­t, ebenso Citroën sein Multicity und Mazda das Mazda-Carsharing.

Der Carsharing-Markt wird nach Ansicht von Autoexpert­e Dudenhöffe­r ein Nischenges­chäft bleiben. Die Zukunftsvi­sionen mancher Verkehrspo­litiker hätten sich bisher nicht bestätigt. Im Kommen seien unterdesse­n neue Formen der Autovermie­tung. So sieht Dudenhöffe­r eine wachsende Nachfrage für FullServic­e-Leasing-Autoangebo­te. Im sogenannte­n Car-Abo decke die monatliche Leasing-Rate alle Kosten außer den Kraftstoff ab. Generell sei die Entwicklun­g aber auch ein positives Signal für die Hersteller: „Die Carsharing-Branche ist keine Bedrohung für die Autoindust­rie.“

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FOTO: BLOOMBERG VIA GETTY IMAGES Carsharing-Wagen von Car2go und DriveNow gehören in Großstädte­n zum Straßenbil­d.

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