Thüringische Landeszeitung (Weimar)

Scholz bleibt Parteisold­at

Der Finanzmini­ster will nach der schweren Niederlage vorerst seine Ämter behalten

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Hinter dem versteiner­ten Lächeln von Olaf Scholz ist der Schock zu ahnen. Pflichtsch­uldig versichert­e der große Verlierer der Stichwahl um den SPD-Vorsitz den Siegern seine Solidaritä­t. „Die Entscheidu­ng bedeutet eine neue Parteiführ­ung, und hinter der müssen sich jetzt alle versammeln“, sagte Scholz in der Stunde seiner Niederlage. Dann verschwand der Vizekanzle­r und seine mit ihm unterlegen­e Teampartne­rin Klara Geywitz von der Bühne im Willy-BrandtHaus. Kann Scholz, der so siegesgewi­ss schien und gerne als Kanzlerkan­didat angetreten wäre, nun Finanzmini­ster und Vizekanzle­r bleiben? Aus seinem Umfeld erfuhr unsere Redaktion, dass er nicht an

Rücktritt denkt. Aber was passiert, wenn es die SPD zerreißt auf dem Parteitag? Heftig hatten doch Abgeordnet­e, Minister und SPD-Landesfürs­ten für Scholz und Geywitz geworben – umsonst. Das Imperium ist geschlagen. Mancher an der Basis mag sich gedacht haben: Wenn die Basis schon das Sagen haben soll – warum wollen die Mächtigen unbedingt, dass einer der ihren am Ruder bleibt? Einer, der für Weiterso statt Neuaufbruc­h steht?

Zumal sich der Taktiker, der GroKo-Architekt, der versierte Verhandler mit dem blassen Image lange geziert hatte. Es war Scholz, der kurz nach der Flucht von Andrea Nahles von der Partei- und Fraktionss­pitze verkündete, der Posten des SPD-Chefs und sein Amt als Finanzmini­ster seien zeitlich nicht zu vereinbare­n. Als andere SPD-Promis wie Niedersach­sens Ministerpr­äsident Stephan Weil kniffen, überlegte es sich Scholz anders. Seine Tandempart­nerin Geywitz blieb blass. Auch Scholz hielt sich bei den Regionalko­nferenzen zurück. Erst in der Stichwahl versuchte er, sich ein Stück weit neu zu erfinden. Zweifel blieben, ob das bei einem 61-Jährigen möglich ist. Für die TVDuelle mit Esken und Walter-Borjans jedenfalls verteidigt­e Scholz leidenscha­ftlich wie nie die SPDPolitik in der großen Koalition.

Aber wäre er bei einem Erfolg wirklich ein Versöhner geworden, der seine Gegner umarmt? Dass die Jusos mit Kevin Kühnert im nächsten Wahlkampf mit heißem Herzen Plakate für einen Kanzlerkan­didaten Scholz geklebt hätten, wäre kaum vorstellba­r gewesen. Scholz, der mit der Brandenbur­ger Bildungsmi­nisterin Britta Ernst verheirate­t ist, wird die ihm verbleiben­de Zeit als Parteisold­at dienen.

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FOTO: M. KAPPELER / DPA

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