Thüringische Landeszeitung (Weimar)

Rasch zieht sie ein, rasch zieht sie aus

- Frank Quilitzsch über WG’s der besonderen Art

Berlin! Berlin! Wir fahren nach Berlin! Nicht nur DFB-Pokalfußba­ller, auch Studenten sind auf die Hauptstadt fixiert. T. hätte genauso gut in Passau oder Leipzig studieren können. Doch eine Weltstadt musste es sein.

Die Euphorie schwindet mit der Suche nach einer Bleibe: Berlin ist zum Bersten überfüllt, platzt aus allen Nähten. Kein freies WG-Zimmer. Kein bezahlbare­r Wohnraum für Studenten. Oder vielleicht doch?

T. fährt los, um die Lage zu checken. Nach einer Woche rufe ich sie an: „Bist du in der Uni?“

„Im Uni-Café. Muss nebenbei jobben.“

„Und unter welcher Brücke schläfst du?“

„Mach dir keine Sorgen, ich wohne bei Oma Christa.“„Ach. Und ihr vertragt euch?“„Na ja, ist keine Dauerlösun­g.“Eine Woche später wohnt T. vorübergeh­end bei einer Freundin und hat sich für eine mietfreie Nachhaltig­keits-WG beworben. Sie schafft es bis in die Endauswahl, doch nach einer weiteren Woche ist die Nachhaltig­keit wegen Mangels an Sponsoren geplatzt. T. steckt schon im nächsten Casting, diesmal für eine Mehr-Generation­en-WG, ein TV-Experiment: Unternehmu­ngslustige ältere Dame mit großer Wohnung sucht junge Mitbewohne­rin, die frischen Wind in ihr Leben bringt. Oh, denke ich, das wird flattern.

Die 20-jährige Studentin zieht vor laufender Kamera bei Elvira, einer rüstigen Rentnerin, ein. Man beschnuppe­rt sich, geht zusammen in die Bar und auf den Weihnachts­markt.„Und, wie findest du Elvira?“, frage ich am Telefon. „Ach, ganz nett.“

Fünf Tage gibt ihnen der Sender Zeit, sich zu entscheide­n. Die Wohnung liegt günstig, nur ein paar hundert Meter von der Uni entfernt. Aber das Zimmer ist nicht preiswert und mit einer Schrankwan­d verstopft. Am fünften Tag sagen beide vor laufender Kamera, sie hätten sich ein Zusammenle­ben anders vorgestell­t, und T. zieht wieder aus.

„Da hättest du ja auch gleich bei Oma Christa bleiben können“, sage ich. „Und wie geht’s nun weiter? Wo wohnst du jetzt?“

„Ich habe bei einem jungen Start-Up-Unternehme­r Unterschlu­pf gefunden“, sagt T.. Mal sehen, für wie lange.

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