Thüringische Landeszeitung (Weimar)
Rasch zieht sie ein, rasch zieht sie aus
Berlin! Berlin! Wir fahren nach Berlin! Nicht nur DFB-Pokalfußballer, auch Studenten sind auf die Hauptstadt fixiert. T. hätte genauso gut in Passau oder Leipzig studieren können. Doch eine Weltstadt musste es sein.
Die Euphorie schwindet mit der Suche nach einer Bleibe: Berlin ist zum Bersten überfüllt, platzt aus allen Nähten. Kein freies WG-Zimmer. Kein bezahlbarer Wohnraum für Studenten. Oder vielleicht doch?
T. fährt los, um die Lage zu checken. Nach einer Woche rufe ich sie an: „Bist du in der Uni?“
„Im Uni-Café. Muss nebenbei jobben.“
„Und unter welcher Brücke schläfst du?“
„Mach dir keine Sorgen, ich wohne bei Oma Christa.“„Ach. Und ihr vertragt euch?“„Na ja, ist keine Dauerlösung.“Eine Woche später wohnt T. vorübergehend bei einer Freundin und hat sich für eine mietfreie Nachhaltigkeits-WG beworben. Sie schafft es bis in die Endauswahl, doch nach einer weiteren Woche ist die Nachhaltigkeit wegen Mangels an Sponsoren geplatzt. T. steckt schon im nächsten Casting, diesmal für eine Mehr-Generationen-WG, ein TV-Experiment: Unternehmungslustige ältere Dame mit großer Wohnung sucht junge Mitbewohnerin, die frischen Wind in ihr Leben bringt. Oh, denke ich, das wird flattern.
Die 20-jährige Studentin zieht vor laufender Kamera bei Elvira, einer rüstigen Rentnerin, ein. Man beschnuppert sich, geht zusammen in die Bar und auf den Weihnachtsmarkt.„Und, wie findest du Elvira?“, frage ich am Telefon. „Ach, ganz nett.“
Fünf Tage gibt ihnen der Sender Zeit, sich zu entscheiden. Die Wohnung liegt günstig, nur ein paar hundert Meter von der Uni entfernt. Aber das Zimmer ist nicht preiswert und mit einer Schrankwand verstopft. Am fünften Tag sagen beide vor laufender Kamera, sie hätten sich ein Zusammenleben anders vorgestellt, und T. zieht wieder aus.
„Da hättest du ja auch gleich bei Oma Christa bleiben können“, sage ich. „Und wie geht’s nun weiter? Wo wohnst du jetzt?“
„Ich habe bei einem jungen Start-Up-Unternehmer Unterschlupf gefunden“, sagt T.. Mal sehen, für wie lange.