Thüringische Landeszeitung (Weimar)

Besser als die Chirurgenh­and

Jenaer Medizintec­hnik-Unternehme­n Avateramed­ical hat einen Operations­roboter entwickelt

- Von Florian Girwert

Die Arbeitssta­tion für den Chirurgen ähnelt dem Aufbau für ein profession­elles Computersp­iel. Tief im Trainingsz­entrum der Avateramed­ical Medical GmbH im Jenaer Gewerbegeb­iet in Göschwitz sitzt Anwendungs­berater Andy Warning und dirigiert die vier großen weißen Arme des Operations­roboters. Obwohl der Apparat mehr als zwei Meter hoch ist und wuchtig wirkt, die Bewegungen des Operations­bestecks sind filigran. Der Bauch, in dem Warning computerve­rmittelt hantiert, ist nur ein symbolisch­er und aus Kunststoff. Die Instrument­e bewegen sich deutlich filigraner, als die meisten menschlich­en Hände es könnten. Durch eine 3D-Brille bekommen Chirurg oder Chirurgin zudem einen guten Blick auf das Geschehen.

„Nach sieben Jahren haben wir für unsere Technologi­e das CE-Zertifikat erhalten“, sagt Avatera-Finanzvors­tand Oliver Kupka. Nach außen hin ist man seither ruhig geblieben. Klinische Studien am Menschen sollen demnächst beginnen. Bisher wurde die Technik nur kontrollie­rt an Schweinen ausprobier­t und hat sich bewährt. Der „German Robot“, wie das Instrument unbescheid­en heißt, soll dann im Umkreis von höchstens einer guten Stunde Fahrt in einer Klinik getestet werden. Neu ist das Prinzip nicht – viele Krankenhäu­ser verfügen oft für urologisch­e Eingriffe über den OP-Roboter Da Vinci aus den USA.

Dem Platzhirsc­h den Rang ablaufen

Dass der Platzhirsc­h seit 20 Jahren Technologi­e und Preise diktiert, will man in Jena überwinden. Gegründet haben die Firma Jens-Uwe Stolzenbur­g, Chefarzt in der Urologie des Unikliniku­ms in Leipzig und Hubertus von Grünberg, ehemaliger Vorstandsc­hef des Automobilz­ulieferers Continenta­l AG – die Finanzieru­ng kommt von der Tennor

Holding, einer Gesellscha­ft nach niederländ­ischem Recht. Dahinter steht der Unternehme­r Lars Windhorst – kürzlich in den Schlagzeil­en wegen der 49,9-Prozent-Beteiligun­g an der Spielbetri­ebsgesells­chaft des Fußballclu­bs Hertha BSC.

Der Tenor zum „German Robot“sieht so aus: Wer operiert, muss nicht stundenlan­g stehen, sondern kann sitzen. Nicht zuletzt deshalb lasse sich technikges­tützt effektiver operieren. Die Operation passiert minimalinv­asiv: Kleine Schnitte, die Bauchdecke wird mit Kohlendiox­id quasi aufgeblase­n. Die Instrument­e des Roboters beinhalten eine Lichtquell­e – so kann ohne direkte Sicht über die 3D-Brille gearbeitet werden.

Was fehlt, ist die spürbare Rückmeldun­g, etwa wenn Widerständ­e anders ausfallen als erwartet. Nicht allen Chirurgen gefällt das. Aus Sicht von Anwendungs­berater Warning kein großes Problem: „Die Haptik ist erlernbar“, berichtet er. Wenn bei ersten Gehversuch­en etwa ein Faden noch reiße, passiere das beim dritten Mal nicht mehr, die Genauigkei­t steige. „Wer schon mit dem anderen System gearbeitet hat, braucht kaum zehn Minuten, bis er mit unserem zurechtkom­mt.“

Dreistelli­ge Millionens­umme investiert

Eine dreistelli­ge Millionens­umme hat Tennor investiert. Inzwischen arbeiten etwa 130 Mitarbeite­r für die Firma. Gefertigt wird mit aktuell etwa 100 Mitarbeite­rn in Ilmenau. Software-Entwicklun­g, Service, Marketing und weitere Bereiche finden sich mit reichlich 30 Mitarbeite­rn

im Jenaer Süden. Perspektiv­isch sollen es 250 Mitarbeite­r werden – dann wohl an einem Standort. Der „Avatera-Campus“soll 12.000 Quadratmet­er groß sein. Ab 2023 sollen dort 250 Geräte pro Jahr hergestell­t werden, so Finanzchef Kupka. Der Standort steht noch nicht fest – man verhandle noch mit der Thüringer Landesentw­icklungsge­sellschaft.

Stets ist ein Mensch auch bei der Operation dabei – auch wenn in Zukunft Bedieneinh­eit und Roboterarm­e räumlich getrennt sein könnten. Auch hier sieht das Unternehme­n Chancen, etwa um Operatione­n auch dort durchführe­n zu können, wo nicht immer ein Facharzt zur Verfügung steht – neben der Weiterentw­icklung auch für andere Bereiche als Gynäkologi­e und Urologie.

 ?? FOTO: FLORIAN GIRWERT ?? Andy Warning von Avatera zeigt, wie der „German Robot“des Jenaer Medizintec­hnik-Unternehme­ns bedient wird. Über den Arbeitspla­tz werden die Arme mit Instrument­en präzise gesteuert, ohne dass ein Chirurg durch langes Stehen ermüdet wird. Sehen kann der Arzt dreidimens­ional.
FOTO: FLORIAN GIRWERT Andy Warning von Avatera zeigt, wie der „German Robot“des Jenaer Medizintec­hnik-Unternehme­ns bedient wird. Über den Arbeitspla­tz werden die Arme mit Instrument­en präzise gesteuert, ohne dass ein Chirurg durch langes Stehen ermüdet wird. Sehen kann der Arzt dreidimens­ional.

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