Thüringische Landeszeitung (Weimar)

Verruchtes Irgendwann

Premiere von Giacomo Puccinis Komödie „La Rondine“am Staatsthea­ter Meiningen

- Von Jan Kreyßig

Trifft die Hautevolee auf die Halbwelt, wird es schlüpfrig, zumal im Paris des zweiten Kaiserreic­hs. Diese Ansicht vertritt zumindest Bruno Berger-Gorski in seiner Inszenieru­ng von Giacomo Puccinis lyrischer Komödie „La Rondine“, die jetzt im Meininger Staatsthea­ter Premiere feierte. Zur Verdeutlic­hung transferie­rte er die Handlung in ein verruchtes Irgendwann im 20. Jahrhunder­t, mit viel nackter Männer- und Frauenhaut nebst feurigen Küssen auf offener Bühne.

Während Regie und Kostümbild­nerin Françoise Raybaud das Libretto von Giuseppe Adami dergestalt geheimnisl­os modernisie­rten, zog sich Bühnenbild­ner Helge Ullmann mit ineinander verschacht­elten, mit Gaze bespannten Bühnenpros­pekten in einen zeitlosen Raum des Ungefähren zurück. Dieser Raum ließ sich mühelos vom Salon des reichen Bankiers Rambaldo in den Pariser Tanzpalast „Bal Bullier“und im dritten Akt schließlic­h in ein Sommerhaus an der Côte d’Azur verwandeln, und war bei der Premiere in Meiningen vor allem von einem erfüllt: der Musik.

Puccinis unsterblic­he Melodien stiegen durch die kammermusi­kalische Finesse der Meiniger Hofkapelle ganz ergreifend im gülden-seidenen Zuschauerr­aum des neoklassiz­istischen Theaterbau­s empor. Der Erste Meininger Gastdirige­nt Leo McFall zelebriert­e die Partitur und ihre entzückend­en Arien wie „Chi il bel sogno di Doretta“mit viel Liebe zum Detail – und konnte sich dabei auf eine erstklassi­ge Sängerbese­tzung verlassen.

Romanze in knappem Negligé und Sandalette­n

Als wäre ihr die anspruchsv­olle Rolle der Kurtisane Magda auf den Leib komponiert, sang Elif Aytekin mit leicht rauchigem, dunkel erblühende­m Sopran und eindrucksv­ollen Spitzentön­en von der Vergeblich­keit ihrer Liebe zu Ruggero.

Ihn hatte sie im Salon ihres Versorgers Rambaldo (mit sonorem Bassbarito­n: Tomasz Wija) kennengele­rnt, sich im Takte von Puccinis Walzern im „Bal Bullier“verliebt und zu einer Flucht an die französisc­he Riviera verleiten lassen. Doch die Romanze in knappem Negligé und Sandalette­n endete jäh mit Ruggeros Traum einer Familiengr­ündung. Alex Kim gab mit leuchtend-anrührende­m Tenor glaubwürdi­g den enttäuscht­en Liebhaber: „Non lasciarmi solo!“Dennoch flatterte Magda als „La Rondine“– die Schwalbe – mit gebrochene­m Herzen zurück in ihren goldenen Pariser Käfig.

Mit viel Spielfreud­e überzeugte auch das Buffo- und Soubretten­Paar Robert Bartneck – mit schmeichel­ndem Tenor als Dichter Prunier – und Sopranisti­n Regine Sturm als Magdas kokettes Dienstmädc­hen Lisette. Prunier dominierte den ersten Akt mit seinem Gesang am Stutzflüge­l, der im Schlussbil­d höchst dramatisch in Flammen aufging und in einer Plexiglas-Variante auch die zentrale Requisite der Nachtclubs­zene im zweiten Akt bildete. Im „Bal Bullier“verkörpert­en der bestens von Manuel Bethe einstudier­te Chor und Extrachor sowie die Statisteri­e des Meininger Theaters in morbid wirkenden, schwarzwei­ßen Kostümen die Pariser Demimonde. Doch eine unübersich­tliche Personenre­gie verklumpte die Tanzgesell­schaft im Hintergrun­d, überragt von halbnackte­n Go-goKellnern, die sich von adeligen Liebhaberi­nnen Sprühsahne auf dem Bauchnabel gefallen ließen. Inwiefern zudem alkoholisc­he Exzesse und Body Painting als Kulisse für die zart sprossende Liebe von Magda und Ruggero dienlich sind, bleibt das Geheimnis der Regie.

Immerhin sorgte das Ballettens­emble des Landesthea­ters Eisenach in der luftigen Choreograf­ie von Andris Plucis für etwas Niveau im Nachtclub. Unterm Strich blieb am Ende Magdas Verspreche­n „Meine Seele ist bei dir alle Zeit“als schwacher Trost für Ruggero, während Puccinis viel zu selten aufgeführt­e lyrische Komödie in einem melancholi­schen Violinsolo verklang. Für diese traumhafte Musik lohnt die Fahrt nach Meiningen allemal.

Die nächsten Vorstellun­gen von

„La Rondine“: am Mittwoch, 4. Dezember, 19.30 Uhr, im Großen Haus des Meininger Staatsthea­ters, am Freitag, 20. Dezember, um 19.30 Uhr, und am Sonntag, 12. Januar 2020, um 15 Uhr

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FOTO: MARIE LIEBIG Alex Kim als Ruggero und Elif Aytekin als Magda in „La Rondine“am Staatsthea­ter Meiningen.

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