Thüringische Landeszeitung (Weimar)
Studie: Demokratie ist die beste Staatsform
Thüringen-Monitor: Ein Viertel der Befragten würde nationalistische Diktatur unter bestimmten Umständen präferieren
Mehr als ein Viertel aller Thüringer sind der Ansicht, der Nationalsozialismus habe „auch seine guten Seiten“gehabt. Das geht aus den Ergebnissen des aktuellen Thüringen-Monitors hervor. Etwa jeder Vierte befürworte demnach aber auch eine „Rückkehr zur sozialistischen Ordnung“, heißt es in der repräsentativen Studie, die am Dienstag in Erfurt vorgestellt wurde.
Zugleich vertreten so viele Menschen wie noch nie seit Beginn der Langzeitstudie die Position, Demokratie sei „die beste aller Staatsideen“: Insgesamt 90 Prozent der Befragten stimmten dieser Aussage in der soziologischen Langzeitstudie zu.
Auch damit lässt sich das Ergebnis der Landtagswahl zumindest teilweise im Nachhinein erklären: Im Sommer dieses Jahres war das Vertrauen in die Thüringer Landesregierung auf einen Höchststand geklettert. Das besagen zumindest die Daten des neuesten Thüringen-Monitors, der am Dienstag vorgestellt wurde. Danach erklärten 43 Prozent der 1100 Thüringer, die von Ende Mai bis Anfang Juli befragt wurden, dass sie der Landesregierung vertrauen. Das war der höchste je ermittelte Wert in den knapp zwei Jahrzehnten, in denen die Langzeitstudie läuft.
Weitere gut 37 Prozent erklärten, dass sie der Landesregierung teilweise vertrauten. Hingegen liegt die Zustimmung für die Bundesregierung bei einem niedrigen Wert von 29 Prozent, auch wenn sie im Vergleich zum Vorjahr um fünf Prozentpunkte anstieg. Aus allen Prozentangaben haben die Wissenschaftler der Universität Jena die Befragten herausgerechnet, die keine Angabe machten oder sich nicht entscheiden konnten.
Angesichts der starken gesellschaftlichen Polarisierung erstaunen aber andere Werte der wissenschaftlichen Untersuchung: So halten 90 Prozent der Befragten, die ihre Meinung äußerten, die Demokratie für die beste Staatsform. Das ist der höchste Wert seit dem Jahr 2000. Auch die Zufriedenheit mit der Demokratie liegt mit 63 Prozent nahezu auf Rekordniveau.
Allerdings schwankte dieser Wert stark im Rhythmus der bundespolitischen Turbulenzen. Im Flüchtlingsjahr 2015 lag die Zustimmung nur bei 47 Prozent, stieg im Wahljahr 2017 auf den Höchststand von 65 Prozent um mit der Krise der Bundesregierung 2018 wieder auf 55 Prozent abzufallen. Trotz dieses Trends bewertet weiterhin eine große Minderheit antidemokratische Gesellschaftssysteme positiv.
So halten 21 Prozent der Befragten eine Diktatur im nationalen Interesse „unter bestimmten Umständen [für] die bessere Staatsform“. 26 Prozent stimmen der Aussage zu, dass „der Nationalsozialismus […] auch seine guten Seiten“hatte. 27 Prozent bejahen eine „Rückkehr zur sozialistischen Ordnung“. Die Zustimmung zur antisemitischen Aussage „Die Juden haben einfach etwas Besonderes und Eigentümliches an sich und passen nicht so recht zu uns“ist im Vergleich zu 2018 von 9 auf 16 Prozent angestiegen und liegt mittelfristig auf einem Höchstwert. Die Politologin Marion Reiser, welche die Studie leitet, sprach von einer „weiteren Enttabuisierung rassistischer Einstellungen in der Thüringer Gesellschaft“.
Inhaltlicher Schwerpunkt des Thüringen-Monitors war das Thema Gesundheit und medizinische Versorgung. Danach sind 80 Prozent der Thüringer grundsätzlich mit ihrer eigenen Gesundheit und mit der medizinischen Versorgung allgemein zufrieden.
Jedoch beklagt fast jeder zweite Befragte den Mangel an Fachärzten. Zwei Drittel kritisieren zu lange Wartezeiten in den Praxen. Dabei gilt: Auf dem Land sind die Probleme deutlich größer als in der Stadt. Eine überwältigende Mehrheit ist für eine große Gesundheitsreform. 89 Prozent sprechen sich dafür aus, alle Privatversicherten in das gesetzliche System zu überführen. 99 Prozent fordern mehr medizinische Gesundheitszentren, also Polikliniken. Die linke Landes- und Fraktionschefin Susanne HennigWellsow sieht in der Studie den erneuten Aufruf, rechter Propaganda in jeder Form deutlich entgegenzutreten. „Es gibt keine Toleranz für Intoleranz“, sagte sie.
Auch ihr CDU-Amtskollege Mike Mohring erklärte, dass sich der Anstieg rechtsextremer Ansichten durch fortwährende und bewusste verbale Grenzüberschreitungen erklärte. AfD-Landeschef Stefan Möller sagte hingegen, dass eine „Zunahme antisemitischer Einstellungen in der realen Thüringer Gesellschaft nicht festzustellen“sei.