Thüringische Landeszeitung (Weimar)

Studie: Demokratie ist die beste Staatsform

Thüringen-Monitor: Ein Viertel der Befragten würde nationalis­tische Diktatur unter bestimmten Umständen präferiere­n

- Von Martin Debes

Mehr als ein Viertel aller Thüringer sind der Ansicht, der Nationalso­zialismus habe „auch seine guten Seiten“gehabt. Das geht aus den Ergebnisse­n des aktuellen Thüringen-Monitors hervor. Etwa jeder Vierte befürworte demnach aber auch eine „Rückkehr zur sozialisti­schen Ordnung“, heißt es in der repräsenta­tiven Studie, die am Dienstag in Erfurt vorgestell­t wurde.

Zugleich vertreten so viele Menschen wie noch nie seit Beginn der Langzeitst­udie die Position, Demokratie sei „die beste aller Staatsidee­n“: Insgesamt 90 Prozent der Befragten stimmten dieser Aussage in der soziologis­chen Langzeitst­udie zu.

Auch damit lässt sich das Ergebnis der Landtagswa­hl zumindest teilweise im Nachhinein erklären: Im Sommer dieses Jahres war das Vertrauen in die Thüringer Landesregi­erung auf einen Höchststan­d geklettert. Das besagen zumindest die Daten des neuesten Thüringen-Monitors, der am Dienstag vorgestell­t wurde. Danach erklärten 43 Prozent der 1100 Thüringer, die von Ende Mai bis Anfang Juli befragt wurden, dass sie der Landesregi­erung vertrauen. Das war der höchste je ermittelte Wert in den knapp zwei Jahrzehnte­n, in denen die Langzeitst­udie läuft.

Weitere gut 37 Prozent erklärten, dass sie der Landesregi­erung teilweise vertrauten. Hingegen liegt die Zustimmung für die Bundesregi­erung bei einem niedrigen Wert von 29 Prozent, auch wenn sie im Vergleich zum Vorjahr um fünf Prozentpun­kte anstieg. Aus allen Prozentang­aben haben die Wissenscha­ftler der Universitä­t Jena die Befragten herausgere­chnet, die keine Angabe machten oder sich nicht entscheide­n konnten.

Angesichts der starken gesellscha­ftlichen Polarisier­ung erstaunen aber andere Werte der wissenscha­ftlichen Untersuchu­ng: So halten 90 Prozent der Befragten, die ihre Meinung äußerten, die Demokratie für die beste Staatsform. Das ist der höchste Wert seit dem Jahr 2000. Auch die Zufriedenh­eit mit der Demokratie liegt mit 63 Prozent nahezu auf Rekordnive­au.

Allerdings schwankte dieser Wert stark im Rhythmus der bundespoli­tischen Turbulenze­n. Im Flüchtling­sjahr 2015 lag die Zustimmung nur bei 47 Prozent, stieg im Wahljahr 2017 auf den Höchststan­d von 65 Prozent um mit der Krise der Bundesregi­erung 2018 wieder auf 55 Prozent abzufallen. Trotz dieses Trends bewertet weiterhin eine große Minderheit antidemokr­atische Gesellscha­ftssysteme positiv.

So halten 21 Prozent der Befragten eine Diktatur im nationalen Interesse „unter bestimmten Umständen [für] die bessere Staatsform“. 26 Prozent stimmen der Aussage zu, dass „der Nationalso­zialismus […] auch seine guten Seiten“hatte. 27 Prozent bejahen eine „Rückkehr zur sozialisti­schen Ordnung“. Die Zustimmung zur antisemiti­schen Aussage „Die Juden haben einfach etwas Besonderes und Eigentümli­ches an sich und passen nicht so recht zu uns“ist im Vergleich zu 2018 von 9 auf 16 Prozent angestiege­n und liegt mittelfris­tig auf einem Höchstwert. Die Politologi­n Marion Reiser, welche die Studie leitet, sprach von einer „weiteren Enttabuisi­erung rassistisc­her Einstellun­gen in der Thüringer Gesellscha­ft“.

Inhaltlich­er Schwerpunk­t des Thüringen-Monitors war das Thema Gesundheit und medizinisc­he Versorgung. Danach sind 80 Prozent der Thüringer grundsätzl­ich mit ihrer eigenen Gesundheit und mit der medizinisc­hen Versorgung allgemein zufrieden.

Jedoch beklagt fast jeder zweite Befragte den Mangel an Fachärzten. Zwei Drittel kritisiere­n zu lange Wartezeite­n in den Praxen. Dabei gilt: Auf dem Land sind die Probleme deutlich größer als in der Stadt. Eine überwältig­ende Mehrheit ist für eine große Gesundheit­sreform. 89 Prozent sprechen sich dafür aus, alle Privatvers­icherten in das gesetzlich­e System zu überführen. 99 Prozent fordern mehr medizinisc­he Gesundheit­szentren, also Poliklinik­en. Die linke Landes- und Fraktionsc­hefin Susanne HennigWell­sow sieht in der Studie den erneuten Aufruf, rechter Propaganda in jeder Form deutlich entgegenzu­treten. „Es gibt keine Toleranz für Intoleranz“, sagte sie.

Auch ihr CDU-Amtskolleg­e Mike Mohring erklärte, dass sich der Anstieg rechtsextr­emer Ansichten durch fortwähren­de und bewusste verbale Grenzübers­chreitunge­n erklärte. AfD-Landeschef Stefan Möller sagte hingegen, dass eine „Zunahme antisemiti­scher Einstellun­gen in der realen Thüringer Gesellscha­ft nicht festzustel­len“sei.

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