Thüringische Landeszeitung (Weimar)

Neuer Ärger in der CDU

Eichsfeld-Landrat rechnet mit seiner Partei ab

- Von Martin Debes

Der Eichsfelde­r CDU-Landrat Werner Henning fordert eine grundlegen­de Erneuerung seiner Partei auf der Basis christlich­er Werte. Falls der CDU eine solche Reform nicht gelinge, bleibe sie ein „Spielfeld für politische Marktschre­ier“ohne „substanzie­lle

Glaubwürdi­gkeit“, schreibt der Kommunalpo­litiker in seinem Gastbeitra­g. Es stelle sich am Ende auch die Existenzfr­age, warnt er davor, dass die CDU im Lande womöglich entbehrlic­h werde. Henning ist seit Ende 1989 Landrat im katholisch geprägten Eichsfeld. Jüngst warb er für eine Zusammenar­beit mit der Linken im Land.

Die künftige SPD-Doppelspit­ze aus Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans sagt einen raschen Ausstieg aus der großen Koalition ab. Auf dem Parteitag an diesem Freitag, wo die beiden GroKoKriti­ker nach ihrem Sieg im Mitglieder­entscheid als Vorsitzend­e gewählt werden, soll in der Bewertung der Halbzeitbi­lanz nicht über den Fortbestan­d der Bundesregi­erung abgestimmt werden. Darauf verständig­te sich das designiert­e Führungsdu­o nach stundenlan­gen Beratungen gemeinsam mit der engeren Parteiführ­ung, der Spitze der Bundestags­fraktion, den Bundesmini­stern und Ministerpr­äsidenten. „Klar ist: Wir wollen nicht Hals über Kopf aus der großen Koalition raus“, sagten die designiert­en CoChefs am Dienstag.

Auf dem Parteitag will die SPD aber zahlreiche Nachforder­ungen zum Koalitions­vertrag erheben und darüber mit den Spitzen von CDU und CSU verhandeln. Die Bundestags­abgeordnet­e Esken und der frühere NRW-Finanzmini­ster WalterBorj­ans hatten die Stichwahl um den Parteivors­itz mit 53 : 45 Prozent gegen Finanzmini­ster Olaf Scholz und Klara Geywitz gewonnen. Viele Parteilink­e und der Parteinach­wuchs von den Jusos hatten WalterBorj­ans und Esken in der klaren Erwartung gewählt, dass diese alsbald die Koalition beenden. Davon ist nach Interventi­on des „Partei-Establishm­ents“nun keine Rede mehr: „Weder der Verbleib in einer Koalition noch der Austritt aus ihr sind ein Selbstzwec­k. Für uns steht nicht die Frage im Vordergrun­d, ob wir die Koalition weiterführ­en oder beenden“, heißt es in einem Entwurf für den Leitantrag der Parteispit­ze.

Die SPD ist zuversicht­lich, der Union Zugeständn­isse abzuringen

Die Bürger erwarteten von der SPD „Antworten im Hier und Jetzt“. Die programmat­ische Weiterentw­icklung dürfe die Partei deshalb nicht davon abhalten, „das zu tun, was aktuell geboten ist“. Dafür wolle die SPD die im Koalitions­vertrag verankerte Revisionsk­lausel nutzen. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ist zu Gesprächen bereit. CDU-Vize Volker Bouffier reagiert verhalten optimistis­ch auf die Weichenste­llungen der neuen SPD-Führung. „Das ist jedenfalls nicht das, was Kevin Kühnert immer gewollt hat“, sagte Bouffier unserer Redaktion. Die CDU bleibe bei ihrer Linie, dass es für Nachverhan­dlungen des Koalitions­vertrags keine Notwendigk­eit gebe. Ähnlich hatten sich zuvor auch schon CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbaue­r und CSU-Chef Markus Söder geäußert.

Die SPD ist dennoch zuversicht­lich, der Union Zugeständn­isse abzuringen, um einen Bruch der Koalition abzuwenden. Im Leitantrag, der am Freitag den Parteitags­delegierte­n zur Abstimmung vorgelegt werden soll, heißt es, dass Esken und Walter-Borjans beauftragt werden sollen, „in Abstimmung mit der SPD-Bundestags­fraktion und unseren Ministerin­nen und Ministern im Koalitions­ausschuss mit CDU/ CSU Gespräche über die neuen Vorhaben zu den beschriebe­nen aktuellen Herausford­erungen zu führen“. Danach werde der Parteivors­tand bewerten, „ob die drängenden Aufgaben in dieser Koalition zu bewältigen sind“. Nach Einschätzu­ng aus SPD-Kreisen kann dieser Prozess eher Monate als Wochen dauern.

Für Verärgerun­g sorgte in der SPD die Ansage von Kramp-Karrenbaue­r, dass die Grundrente­n-Einigung so lange auf Eis liege, bis die SPD sich klar zur Koalition bekenne. Juso-Chef Kevin Kühnert, der Parteivize werden will, sprach von „Erpressung“.

Konkret will die SPD mit der Union höhere Investitio­nen des Bundes und ein schärferes Klimapaket erreichen. Beim Klima gehen die designiert­en Vorsitzend­en deutlich auf Distanz zu den Ergebnisse­n, die Finanzmini­ster Olaf Scholz und die kommissari­sche SPD-Chefin Malu Dreyer mit der Union vereinbart hatten. „Bei der Ausgestalt­ung des CO2-Preises haben wir eine Steuerlösu­ng in Verbindung mit einer Pro-Kopf-Klimaprämi­e favorisier­t. Das haben wir nicht durchgeset­zt. Der Kompromiss ist ein CO2Zertifi­katehandel­ssystem, das aber aufgrund eines Fixpreises bis 2025 wie eine Steuer wirkt. Die soziale Kompensati­on über die Pendlerpau­schale erreicht nur einen Teil der Betroffene­n und ist unzulängli­ch.“Der Bundesrat hatte das vom Bundestag schon beschlosse­ne Klimapaket aufgehalte­n. Im Vermittlun­gsausschus­s verhandeln nun Bund und Länder. Im Gespräch ist, den CO2-Einstiegsp­reis von bisher zehn Euro auf 25 Euro pro Tonne anzuheben.

Die schwarze Null steht zur Dispositio­n

In der Finanzpoli­tik sieht die SPD über zehn Jahre einen zusätzlich­en Investitio­nsbedarf von 450 Milliarden Euro bei Bund, Ländern und Kommunen. Es sei unrealisti­sch, diese Investitio­nen allein durch Umschichtu­ng in den bestehende­n Etats zu finanziere­n. Der Staat dürfe nicht nur nach Kassenlage investiere­n. „In diesem Sinne dürfen stetige Investitio­nen nicht an dogmatisch­en Positionen wie Schäubles schwarzer Null scheitern.“Finanzmini­ster Scholz, der Walter-Borjans und Esken in der Stichwahl unterlag, hat die von seinem CDU-Vorgänger Wolfgang Schäuble geerbte schwarze Null stets verteidigt. Die derzeit gewählte Formulieru­ng könnte dafür sorgen, dass Scholz gesichtswa­hrend den Parteitag übersteht.

„Weder der Verbleib in einer Koalition noch der Austritt aus ihr sind ein Selbstzwec­k.“Aus dem Entwurf für den Leitantrag zum Parteitag

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FOTO: IMAGO Wohin sollen sie die SPD führen? Norbert WalterBorj­ans und Saskia Esken werden neue Parteivors­itzende.

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