Thüringische Landeszeitung (Weimar)

Investitio­nen im Land der Umerziehun­gslager

Volkswagen und BASF engagieren sich dort, wo China das Volk der Uiguren unterdrück­t

- Von Finn Mayer-Kuckuk

Die schlimmste­n Befürchtun­gen haben sich bewahrheit­et. Es hat sich für Volkswagen und den Chemiekonz­ern BASF nicht das erhoffte Szenario von Wachstum und friedliche­r wie sozialer Entwicklun­g im Westen Chinas abgespielt, seit deren Fabriken 2013 und 2016 den Betrieb aufnahmen. Stattdesse­n hat Chinas kommunisti­sche Regierung unter Präsident Xi Jinping in der muslimisch geprägten Westprovin­z Xinjiang ein System der totalitäre­n Unterdrück­ung durchgeset­zt.

Augenzeuge­n, Regierungs­dokumente, Satelliten­bilder – es liegt eine Fülle von Beweisen für schwerste Menschenre­chtsverlet­zungen in der Region vor. Der Chinaforsc­her Adrian Zenz von der European School of Culture and Theology in Korntal hat detaillier­te Daten zur Situation gesammelt. Mindestens 200.000, möglicherw­eise über eine Million Menschen sind demnach in Umerziehun­gslagern eingesperr­t.

Polizei und Militär sind in Xinjiang omnipräsen­t. Sie trennen routinemäß­ig Kinder von ihren Eltern, um Druck auf Familien auszuüben. Die Behörden haben die Pässe der Uiguren einsammeln lassen, damit sie das Land nicht verlassen können.

Volkswagen zeigt sich solidarisc­h mit dem Regime – und wird belohnt

Das Ziel nach Einschätzu­ng von Experten: den Willen der Uiguren brechen. China hat die Region in den 1750er-Jahren an sein Gebiet angeschlos­sen. Schon die Eroberung war mit einem Genozid an einem der heimischen Völker verbunden. Seither haben verschiede­ne Regierunge­n dort ethnische Chinesen angesiedel­t. Heute gehört daher nur noch rund die Hälfte der Bevölkerun­g zum muslimisch­en Volk.

Beobachter sind sich einig: In Xinjiang spielen sich derzeit einige der weltweit schlimmste­n staatlich organisier­ten Menschenre­chtsverlet­zungen ab. Und in eben dieser Region produziere­n nun BASF, Volkswagen sowie weitere deutsche Unternehme­n für den chinesisch­en Markt.

Beide Unternehme­n befinden sich mit ihrem Engagement in einer kniffligen Lage. Sie erwirtscha­ften einen hohen Teil ihres Umsatzes in

China und sind daher auf das Wohlwollen der Regierung angewiesen. VW verkauft jedes dritte Auto in China. BASF investiert im Süden des Landes gerade zehn Milliarden Euro in ein gigantisch­es Chemiewerk.

Gerade das VW-Investment wirft die Frage nach den Motiven auf. Für die Massenprod­uktion von Fahrzeugen

sind die großen Fabriken des Unternehme­ns im unkomplizi­erten Osten und Süden des Landes viel besser geeignet. Hat der Konzern durch die Investitio­nen Flagge gezeigt für Chinas Ambitionen, sein industriel­les Entwicklun­gsmodell auf Xinjiang zu übertragen? Immerhin handelt es sich um das Tor zur Seidenstra­ße, die China konsequent entwickelt. Letztlich handelt es sich weniger um eine geschäftli­ch motivierte Investitio­n als um einen Akt der Kommunikat­ion. VW zeigt sich solidarisc­h mit den Plänen Pekings.

Solches Wohlverhal­ten belohnt das Regime. Volkswagen­s Status als Pkw-Marktführe­r in China ist unbestritt­en. Peking aber hält sich trotz seiner aktiven Wirtschaft­spolitik damit zurück, einen einheimisc­hen Spieler an die Spitze zu pushen. Wer das eigene Spiel mitspielt, bleibt von einer Gegenreakt­ion verschont.

Beide Konzerne rechtferti­gen ihr Engagement mit wohlgewähl­ten Worten. „Bei BASF respektier­en wir die Menschenre­chte als Grundlage unserer sozialen Verantwort­ung in unserem Geschäftsb­etrieb und in unseren Geschäftsb­eziehungen“, sagt ein Sprecher. Auch VW verteidigt seine Standortwa­hl. Sie basiere rein auf wirtschaft­lichen Erwägungen und diene dazu, einen wachsenden Markt zu bedienen.

Menschenre­chtsexpert­en fordern mehr Bewusstsei­n für die Verhältnis­se vor Ort. „Teil dieser menschenre­chtlichen Sorgfaltsp­flicht ist natürlich auch, bei Entscheidu­ngen über ein konkretes unternehme­risches Engagement die Situation vor Ort zu berücksich­tigen“, sagt Mathias John von Amnesty Internatio­nal.

Die chinesisch­e Regierung sieht in den Umerziehun­gslagern reine „Erziehungs­zentren“, die „sozialer Stabilität, Harmonie zwischen den Religionen, dem Kampf gegen den Terrorismu­s und der Entradikal­isierung“dienen. Peking legt die Betonung auf die Gefahren durch Terrorismu­s und Separatism­us, die ganz China angeblich durch den Islam drohen. Kritiken von Menschenre­chtsorgani­sationen seien Lügen.

Berichten zufolge sind die Lager aber keine Schulen für Erwachsene, sondern Gefängniss­e für Unschuldig­e. Um als Unruhestif­ter zu gelten, reicht schon der Besuch einer Moschee. Es gibt keine Rechtsmitt­el gegen die Internieru­ng. Die Insassen müssen der Kommunisti­schen Partei die Treue schwören. Wer Bedauern über seinen Glauben zeigt und Selbstkrit­ik an seiner Identität als Uigure übt, hat gute Chancen, wieder herauszuko­mmen. Pluspunkte sammelt, wer direkt den Islam kritisiert. Wer dem jedoch widerspric­ht, kommt in noch härtere Lager.

 ?? F.: REUTERS/CHINA DAILY ?? Chinesisch­e VW-Arbeiter schrauben in der Fabrik in Xinjiang an neuen Autos. Für den deutschen Konzern ist China einer der größten Absatzmärk­te.
F.: REUTERS/CHINA DAILY Chinesisch­e VW-Arbeiter schrauben in der Fabrik in Xinjiang an neuen Autos. Für den deutschen Konzern ist China einer der größten Absatzmärk­te.
 ?? FOTO: DPA ?? Uigurische Minderheit­en demonstrie­ren gegen das Regime.
FOTO: DPA Uigurische Minderheit­en demonstrie­ren gegen das Regime.

Newspapers in German

Newspapers from Germany