Thüringische Landeszeitung (Weimar)
Frage der Glaubwürdigkeit
Wohin mit der CDU im Land? In den vergangenen Wochen war oft von einem „Appell konservativer Unionsmitglieder in Thüringen“zu lesen, welche im Namen der Demokratie „die CDU Thüringen und die CDU-Fraktion im Thüringer Landtag“dazu aufgefordert haben, „ihrer Verantwortung für die Zukunft unseres Freistaates Thüringen gerecht zu werden und sich aktiv am Gesprächsprozess mit ALLEN demokratisch gewählten Parteien im Thüringer Landtag“zu beteiligen.
Mag auch diese Forderung im Sinne von Respekt gegenüber einem breiten Wählervotum verstehbar sein, so bleibt sie doch rein technisch und wird einem Anspruch auf eine zu bewahrende „Werthaltigkeit“, als Synonym für das „konservative“Ferment, keineswegs gerecht. Was gilt es denn schon zu „bewahren“, wenn alles gesprächsweise auf dem Politikmarkt miteinander verhandelt werden kann?
Der Niedergang der rein mechanischen Parteipolitik
Aus christlicher Sicht – immerhin beruft sich die Union ja ihrem Namen nach noch darauf – dürfte das bedeutendste zu bewahrende Gut das Bild vom Menschen sein, auf dessen Grundlage man ja nach Partnern Ausschau halten kann. Wie wäre es denn da mit dem Prüfstein der „Barmherzigkeit“als zentrales Element aller monotheistischen Weltreligionen, die uns in der Bergpredigt Jesu so nahe gebracht wird. Da höre ich schon so manche Politiker, die mir zurufen werden, diese Gedanken in eine reine theologische Sphäre abschieben zu können. Die konkrete Politik sei doch etwas anderes und bedürfe dieser Ausschmückungen nicht.
Sie irren gewaltig und verkennen, dass der Niedergang der rein mechanischen Parteipolitik viel mit Verlust an immer währender humaner Kultur zu tun hat, welche von den Religionen als anzustrebende Tugenden in besonderer Weise beschrieben werden. Man denke hier besonders an die in der jüdisch-christlichen Religion besonders erstrebten Eigenschaften wie Ehrlichkeit, Treue, Barmherzigkeit, Zuverlässigkeit, Mut, Demut, Selbstlosigkeit, Mitleid, Selbstbeherrschung, Geduld, Klugheit, Friedfertigkeit, Gerechtigkeit, Güte, Standhaftigkeit, Großzügigkeit, Gastfreundschaft, Freude, Gottesfurcht, Leidensbereitschaft, Dankbarkeit, Vergebungsbereitschaft und Fleiß.
Grundlegenden Bedarf an einer Reformation
Hierauf gestützt, sollte man schauen, wer zu einem passt. Wer da in der Vergangenheit nur Gift und Galle versprüht hat, kann nimmermehr so einfach in Betracht kommen - bedarf zumindest über eine längere Zeit der Läuterung. Der Volksmund sagt: „Sage mir, mit wem Du umgehst, und ich sage Dir, wer Du bist.“Die CDU hat grundlegenden Bedarf an einer Reformation von ihrem ethischen Grundaufbau her und tut auch gut daran, so ab und an ihre Verankerung im jüdisch-christlichen-griechischen Denken zu benennen und sich auch daran messen zu lassen. Wirkliche Ansätze hierzu kann ich bisher nicht erkennen. Sofern ihr aber eine grundlegende Erneuerung nicht gelingt, bleibt sie ein Spielfeld für politische Marktschreier, denen eine substanzielle Glaubwürdigkeit versagt bleibt. Da eine solche CDU aber tatsächlich entbehrlich ist, kann deren Untergang auch kein Verlust sein.
TLZ-Gastautor Dr. Werner Henning (CDU) ist langjähriger Landrat im Eichsfeld. Er hat jetzt, wie er sagt, ein paar Gedanken zur CDU in Thüringen aufgeschrieben. Er hatte sich bereits nach der Landtagswahl deutlich zu Wort gemeldet, weil, wie er betont, die Drift nach rechts doch recht erheblich gewesen sei. Er will mit seinem Gastbeitrag, so formuliert er es, etwas knallig konservativ provozieren.