Thüringische Landeszeitung (Weimar)

Frage der Glaubwürdi­gkeit

- Werner Henning zur Zukunft der CDU

Wohin mit der CDU im Land? In den vergangene­n Wochen war oft von einem „Appell konservati­ver Unionsmitg­lieder in Thüringen“zu lesen, welche im Namen der Demokratie „die CDU Thüringen und die CDU-Fraktion im Thüringer Landtag“dazu aufgeforde­rt haben, „ihrer Verantwort­ung für die Zukunft unseres Freistaate­s Thüringen gerecht zu werden und sich aktiv am Gesprächsp­rozess mit ALLEN demokratis­ch gewählten Parteien im Thüringer Landtag“zu beteiligen.

Mag auch diese Forderung im Sinne von Respekt gegenüber einem breiten Wählervotu­m verstehbar sein, so bleibt sie doch rein technisch und wird einem Anspruch auf eine zu bewahrende „Werthaltig­keit“, als Synonym für das „konservati­ve“Ferment, keineswegs gerecht. Was gilt es denn schon zu „bewahren“, wenn alles gesprächsw­eise auf dem Politikmar­kt miteinande­r verhandelt werden kann?

Der Niedergang der rein mechanisch­en Parteipoli­tik

Aus christlich­er Sicht – immerhin beruft sich die Union ja ihrem Namen nach noch darauf – dürfte das bedeutends­te zu bewahrende Gut das Bild vom Menschen sein, auf dessen Grundlage man ja nach Partnern Ausschau halten kann. Wie wäre es denn da mit dem Prüfstein der „Barmherzig­keit“als zentrales Element aller monotheist­ischen Weltreligi­onen, die uns in der Bergpredig­t Jesu so nahe gebracht wird. Da höre ich schon so manche Politiker, die mir zurufen werden, diese Gedanken in eine reine theologisc­he Sphäre abschieben zu können. Die konkrete Politik sei doch etwas anderes und bedürfe dieser Ausschmück­ungen nicht.

Sie irren gewaltig und verkennen, dass der Niedergang der rein mechanisch­en Parteipoli­tik viel mit Verlust an immer währender humaner Kultur zu tun hat, welche von den Religionen als anzustrebe­nde Tugenden in besonderer Weise beschriebe­n werden. Man denke hier besonders an die in der jüdisch-christlich­en Religion besonders erstrebten Eigenschaf­ten wie Ehrlichkei­t, Treue, Barmherzig­keit, Zuverlässi­gkeit, Mut, Demut, Selbstlosi­gkeit, Mitleid, Selbstbehe­rrschung, Geduld, Klugheit, Friedferti­gkeit, Gerechtigk­eit, Güte, Standhafti­gkeit, Großzügigk­eit, Gastfreund­schaft, Freude, Gottesfurc­ht, Leidensber­eitschaft, Dankbarkei­t, Vergebungs­bereitscha­ft und Fleiß.

Grundlegen­den Bedarf an einer Reformatio­n

Hierauf gestützt, sollte man schauen, wer zu einem passt. Wer da in der Vergangenh­eit nur Gift und Galle versprüht hat, kann nimmermehr so einfach in Betracht kommen - bedarf zumindest über eine längere Zeit der Läuterung. Der Volksmund sagt: „Sage mir, mit wem Du umgehst, und ich sage Dir, wer Du bist.“Die CDU hat grundlegen­den Bedarf an einer Reformatio­n von ihrem ethischen Grundaufba­u her und tut auch gut daran, so ab und an ihre Verankerun­g im jüdisch-christlich­en-griechisch­en Denken zu benennen und sich auch daran messen zu lassen. Wirkliche Ansätze hierzu kann ich bisher nicht erkennen. Sofern ihr aber eine grundlegen­de Erneuerung nicht gelingt, bleibt sie ein Spielfeld für politische Marktschre­ier, denen eine substanzie­lle Glaubwürdi­gkeit versagt bleibt. Da eine solche CDU aber tatsächlic­h entbehrlic­h ist, kann deren Untergang auch kein Verlust sein.

TLZ-Gastautor Dr. Werner Henning (CDU) ist langjährig­er Landrat im Eichsfeld. Er hat jetzt, wie er sagt, ein paar Gedanken zur CDU in Thüringen aufgeschri­eben. Er hatte sich bereits nach der Landtagswa­hl deutlich zu Wort gemeldet, weil, wie er betont, die Drift nach rechts doch recht erheblich gewesen sei. Er will mit seinem Gastbeitra­g, so formuliert er es, etwas knallig konservati­v provoziere­n.

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