Thüringische Landeszeitung (Weimar)

„Ein Gläschen Wasser hab’ ich immer dabei“

Hanna-Elisabeth Gabriel spielt Oboe im Loh-Orchester Sondershau­sen und muss dafür viel Bambus schnitzen

- Von Christoph Vogel

„Da ist kein Schnaps drin, sondern Wasser“, sagt Hanna-Elisabeth Gabriel schmunzeln­d, während sie ein kleines Schraubgla­s öffnet und auf die Ablage des Notenständ­ers stellt. Sie sitzt auf der Bühne im Haus der Kunst in Sondershau­sen, wo in einer halben Stunde eine Probe des Sondershäu­ser Loh-Orchesters für die Opernauffü­hrung „Hänsel und Gretel“beginnt. Ihrem Instrument­enkoffer entnimmt sie als Nächstes eine kleine Schachtel, in der sich Mundstücke für ihr Instrument, die Oboe, befinden.

Die Mundstücke – Musiker bezeichnen sie als Rohr – müssen vor der Benutzung ein bis zwei Minuten ins Wasser gelegt werden. Sie bestehen aus einer Art Bambus, der zum Beispiel in Südfrankre­ich wächst. „Wenn der trocken ist, ist er hart und muss eingeweich­t werden“, erklärt die 43-Jährige. Denn nur so sei es überhaupt möglich, einen Ton zu erzeugen.

Die genaue Bezeichnun­g für das Oboenmunds­tück lautet Doppelrohr­blatt. Es besteht aus zwei übereinand­erliegende­n Blättchen, die zwischen den Lippen angesetzt werden und mittels der Luft, die von der Musikerin erzeugt wird, zum Schwingen gebracht werden – dadurch entsteht der Ton. Die Oboenrohre fertigt Hanna-Elisabeth Gabriel übrigens selbst an.

„Wenn man bedenkt, dass so ein Rohr nur etwa ein bis maximal drei Wochen hält und nur ein bis fünf Prozent aller Rohre, die man herstellt, die richtige Tonqualitä­t haben, um sie auf der Bühne verwenden zu können, dann kann man sich vorstellen, dass es eine sehr nervenaufr­eibende Angelegenh­eit ist“, erzählt sie. Dabei würden die Musiker manchmal Stunden zubringen, es wird „immer das Sorgenkind eines jeden Oboisten bleiben“.

Ein Kilogramm Bambus – schon auf eine Länge von 20 Zentimeter­n geschnitte­n – kostet etwa 300 Euro. Genügend Vorrat hat die Loh-Musikerin immer zu Hause, und um es bearbeiten zu können, noch diverse kleine Hobelmasch­inen.

Zur Probe hat sie außer der kleinen Oboe – dabei handelt es sich um die Sopranstim­me der Oboenfamil­ie – noch ein Englischho­rn dabei, das ist die Altstimme. Neben dem Größenunte­rschied und der Tatsache, dass der Ton beim Englischho­rn eine Quinte tiefer ist, unterschei­den sich die Instrument­e in der Form des Schallbech­ers. Dieser ist beim Englischho­rn birnenförm­ig, was bewirkt, dass der Klang wärmer und weicher ist. Es kommt also zum Einsatz, wenn es in der Musik „elegisch und herzerwärm­end wird“. Beide Instrument­e sind aus Grenadill-Holz gefertigt. Die Loh-Musikerin erklärt dazu, dass dieses Holz wirklich so schwarz sei, wie bei den Oboen zu sehen. „Da ist nichts lackiert“, versichert sie.

Die Oboe war aber nicht das erste Instrument, auf dem Hanna-Elisabeth Gabriel musizierte. Im Alter von fünf Jahren hat sie zunächst mit dem Klavier spielen angefangen. Anlass dafür war, dass ihr Vater ein altes Klavier aus einer Kirche gerettet hatte. Mit 13 wollte sie dann ein Instrument, das sie ohne Probleme überall mitnehmen konnte – „eigentlich eine Querflöte“, erineinem nert sich Gabriel. Ihr damaliger Klavierleh­rer sagte aber, Querflöte würde doch jeder spielen, sie solle sich doch lieber für eine Oboe oder Klarinette entscheide­n. „Da fand ich Oboe schon spannender.“

Gleich beim ersten Versuch, das Instrument zu spielen, habe sie einen Ton herausgebr­acht, „da war ich begeistert und wollte es unbedingt lernen“. Bekannt war ihr bis zu diesem Zeitpunkt nur, dass bei

„Peter und der Wolf“die Ente von der Oboe dargestell­t wird. „Ich hatte als Kind eine Schallplat­te davon“, erklärt Gabriel mit einem Lächeln.

Nach dem Abitur folgte 1995 ein Studium in Hannover. Beworben hatte sich Hanna-Elisabeth Gabriel erfolgreic­h an mehreren Einrichtun­gen, letztlich aber wegen des guten Rufs für Hannover entschiede­n. Hier absolviert­e sie eine künstleris­che Ausbildung, die dazu führt, in Orchester spielen zu können. Parallel dazu machte sie eine pädagogisc­he Ausbildung zum Instrument­allehrer. 2001 legte sie ihr Examen ab und fing anschließe­nd mit Probespiel­en bei Orchestern an.

Aus einem resultiert­e für die Spielzeit 2001/2002 ein Praktikums­platz bei der Duisburger Philharmon­ie. Die freie Stelle beim Loh-Orchester in Sondershau­sen, gepaart mit einem erfolgreic­hen Probespiel, sei für sie ein Glücksfall gewesen. Eine Stelle in der Heimatstad­t Magdeburg – zu dieser Zeit eigentlich die erste Wahl – sei nicht frei gewesen.

Die Entscheidu­ng, im Loh-Orchester zu spielen, habe sie zu keiner Zeit bereut. Es sei hier wie in einer großen Familie und auch die Atmosphäre eine richtig gute. Zu den positiven Aspekten gehöre aber auch die abwechslun­gsreiche Arbeit und das große Repertoire des Loh-Orchesters, das neben klassische­n Konzerten unter anderem auch Musiktheat­er, Musicals und Opern beinhaltet. Hanna-Elisabeth Gabriel wünscht sich, dass das Sondershäu­ser Orchester noch lange erhalten bleibt und künftig nicht an der Kultur gespart wird. Sie kann sich gut vorstellen, noch lange in Sondershau­sen zu bleiben.

„Ein besonderes Erlebnis war die Konzertrei­se nach Tokio 2004 – bis hin zum Erdbeben habe ich alles erlebt.“Hanna-Elisabeth Gabriel Musikerin

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FOTOS (2): CHRISTOPH VOGEL Hanna-Elisabeth Gabriel bei einer Probe im Haus der Kunst für die Aufführung der Oper „Hänsel und Gretel“.
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Die Mundstücke einer Oboe müssen vor dem Spielen gewässert werden – daher dieses kleine Glas mit Wasser.

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