Thüringische Landeszeitung (Weimar)
„Ein Gläschen Wasser hab’ ich immer dabei“
Hanna-Elisabeth Gabriel spielt Oboe im Loh-Orchester Sondershausen und muss dafür viel Bambus schnitzen
„Da ist kein Schnaps drin, sondern Wasser“, sagt Hanna-Elisabeth Gabriel schmunzelnd, während sie ein kleines Schraubglas öffnet und auf die Ablage des Notenständers stellt. Sie sitzt auf der Bühne im Haus der Kunst in Sondershausen, wo in einer halben Stunde eine Probe des Sondershäuser Loh-Orchesters für die Opernaufführung „Hänsel und Gretel“beginnt. Ihrem Instrumentenkoffer entnimmt sie als Nächstes eine kleine Schachtel, in der sich Mundstücke für ihr Instrument, die Oboe, befinden.
Die Mundstücke – Musiker bezeichnen sie als Rohr – müssen vor der Benutzung ein bis zwei Minuten ins Wasser gelegt werden. Sie bestehen aus einer Art Bambus, der zum Beispiel in Südfrankreich wächst. „Wenn der trocken ist, ist er hart und muss eingeweicht werden“, erklärt die 43-Jährige. Denn nur so sei es überhaupt möglich, einen Ton zu erzeugen.
Die genaue Bezeichnung für das Oboenmundstück lautet Doppelrohrblatt. Es besteht aus zwei übereinanderliegenden Blättchen, die zwischen den Lippen angesetzt werden und mittels der Luft, die von der Musikerin erzeugt wird, zum Schwingen gebracht werden – dadurch entsteht der Ton. Die Oboenrohre fertigt Hanna-Elisabeth Gabriel übrigens selbst an.
„Wenn man bedenkt, dass so ein Rohr nur etwa ein bis maximal drei Wochen hält und nur ein bis fünf Prozent aller Rohre, die man herstellt, die richtige Tonqualität haben, um sie auf der Bühne verwenden zu können, dann kann man sich vorstellen, dass es eine sehr nervenaufreibende Angelegenheit ist“, erzählt sie. Dabei würden die Musiker manchmal Stunden zubringen, es wird „immer das Sorgenkind eines jeden Oboisten bleiben“.
Ein Kilogramm Bambus – schon auf eine Länge von 20 Zentimetern geschnitten – kostet etwa 300 Euro. Genügend Vorrat hat die Loh-Musikerin immer zu Hause, und um es bearbeiten zu können, noch diverse kleine Hobelmaschinen.
Zur Probe hat sie außer der kleinen Oboe – dabei handelt es sich um die Sopranstimme der Oboenfamilie – noch ein Englischhorn dabei, das ist die Altstimme. Neben dem Größenunterschied und der Tatsache, dass der Ton beim Englischhorn eine Quinte tiefer ist, unterscheiden sich die Instrumente in der Form des Schallbechers. Dieser ist beim Englischhorn birnenförmig, was bewirkt, dass der Klang wärmer und weicher ist. Es kommt also zum Einsatz, wenn es in der Musik „elegisch und herzerwärmend wird“. Beide Instrumente sind aus Grenadill-Holz gefertigt. Die Loh-Musikerin erklärt dazu, dass dieses Holz wirklich so schwarz sei, wie bei den Oboen zu sehen. „Da ist nichts lackiert“, versichert sie.
Die Oboe war aber nicht das erste Instrument, auf dem Hanna-Elisabeth Gabriel musizierte. Im Alter von fünf Jahren hat sie zunächst mit dem Klavier spielen angefangen. Anlass dafür war, dass ihr Vater ein altes Klavier aus einer Kirche gerettet hatte. Mit 13 wollte sie dann ein Instrument, das sie ohne Probleme überall mitnehmen konnte – „eigentlich eine Querflöte“, erineinem nert sich Gabriel. Ihr damaliger Klavierlehrer sagte aber, Querflöte würde doch jeder spielen, sie solle sich doch lieber für eine Oboe oder Klarinette entscheiden. „Da fand ich Oboe schon spannender.“
Gleich beim ersten Versuch, das Instrument zu spielen, habe sie einen Ton herausgebracht, „da war ich begeistert und wollte es unbedingt lernen“. Bekannt war ihr bis zu diesem Zeitpunkt nur, dass bei
„Peter und der Wolf“die Ente von der Oboe dargestellt wird. „Ich hatte als Kind eine Schallplatte davon“, erklärt Gabriel mit einem Lächeln.
Nach dem Abitur folgte 1995 ein Studium in Hannover. Beworben hatte sich Hanna-Elisabeth Gabriel erfolgreich an mehreren Einrichtungen, letztlich aber wegen des guten Rufs für Hannover entschieden. Hier absolvierte sie eine künstlerische Ausbildung, die dazu führt, in Orchester spielen zu können. Parallel dazu machte sie eine pädagogische Ausbildung zum Instrumentallehrer. 2001 legte sie ihr Examen ab und fing anschließend mit Probespielen bei Orchestern an.
Aus einem resultierte für die Spielzeit 2001/2002 ein Praktikumsplatz bei der Duisburger Philharmonie. Die freie Stelle beim Loh-Orchester in Sondershausen, gepaart mit einem erfolgreichen Probespiel, sei für sie ein Glücksfall gewesen. Eine Stelle in der Heimatstadt Magdeburg – zu dieser Zeit eigentlich die erste Wahl – sei nicht frei gewesen.
Die Entscheidung, im Loh-Orchester zu spielen, habe sie zu keiner Zeit bereut. Es sei hier wie in einer großen Familie und auch die Atmosphäre eine richtig gute. Zu den positiven Aspekten gehöre aber auch die abwechslungsreiche Arbeit und das große Repertoire des Loh-Orchesters, das neben klassischen Konzerten unter anderem auch Musiktheater, Musicals und Opern beinhaltet. Hanna-Elisabeth Gabriel wünscht sich, dass das Sondershäuser Orchester noch lange erhalten bleibt und künftig nicht an der Kultur gespart wird. Sie kann sich gut vorstellen, noch lange in Sondershausen zu bleiben.
„Ein besonderes Erlebnis war die Konzertreise nach Tokio 2004 – bis hin zum Erdbeben habe ich alles erlebt.“Hanna-Elisabeth Gabriel Musikerin