Thüringische Landeszeitung (Weimar)
Es geht ums Überleben
Wacker Nordhausen steht ohne Geld und den nach Dresden geflüchteten Trainer da
Nordhausen. In Nordhausen sind gestern gleich an zwei Stellen die Zelte abgebrochen worden. Die Behausung, wo Heiko Scholz am Sonntag noch die 0:1-Niederlage gegen Viktoria Berlin erklärte, wurde abgebaut. Ein paar Stunden zuvor hatte der Trainer selbst seine Koffer gepackt. Als der 53-Jährige am Nachmittag bereits bei Dynamo Dresden die erste Übungseinheit leitete, saß das Präsidium des vor Wochen in finanzielle Turbulenzen geratenen Vereins zusammen. Zu welchen Lösungen das Gremium kam, drang bis gestern Abend nicht an die Öffentlichkeit.
Am Montag und Dienstag jedenfalls hatte die Mannschaft trainingsfrei. Ob heute nun Co-Trainer Matthias Peßolat das sportliche Kommando übernimmt, war ebenso offen wie die Antwort auf die Frage, wer die Mannschaft am Sonntag beim Auswärtsspiel bei Chemie Leipzig betreuen wird.
Längst kämpft Wacker Nordhausen ums nackte Überleben. Neben den ausstehenden Gehältern in den vergangenen zwei Monaten kamen Außenstände beim Finanzamt, der Krankenkasse und der Berufsgenossenschaft hinzu. Am Rande des jüngsten Punktspiels gegen Viktoria Berlin hatte Vizepräsident HansJoachim Junker eine Lösung der finanziellen Probleme bis Weihnachten in Aussicht gestellt.
Heiko Scholz hat offenbar angesichts der völlig unklaren Zukunft seine persönlichen Konsequenzen gezogen. Der Fußballlehrer war fast auf den Tag genau vor einem Jahr als Nachfolger von Volkan Uluc vorgestellt worden, erreichte am Ende mit dem Viertligisten den dritten Platz und eroberte den Landespokal. „So ein Ding habe ich auch noch nicht gemacht. Es ging sehr schnell, lange überlegen brauchte ich nicht. Dynamo Dresden ist etwas Besonderes. Ich weiß aber auch um die Schwere der Arbeit, was hier in den nächsten Wochen verlangt wird“, sagte Scholz. Der gebürtige Görlitzer war von 1990 bis 1992 bei Dynamo als Spieler aktiv und kickte damals an der Seite des heutigen Sportgeschäftsführers Ralf Minge. Bereits von 1978 bis 1982 spielt er im Dresdner Nachwuchs.
In Dresden freilich war man froh, so schnell eine Übergangslösung gefunden zu haben. Die Sachsen hatten sich am Montagabend von Cheftrainer Cristian Fiel getrennt und damit auf die Talfahrt des Tabellenletzten
reagiert. „Wir sind Heiko Scholz dankbar, dass er ohne zu zögern zugesagt hat, als Interimstrainer zu helfen, und dass ihm die Verantwortlichen von Wacker Nordhausen
dabei keine Steine in den Weg gelegt haben“, erklärte Minge.
In Dresden hat Scholz einen Vertrag bis zum 30. Juni 2021 unterzeichnet und soll auch Teil des Trainerstabes bleiben, wenn ein Nachfolger für Fiel – spätestens bis zum Ende der Winterpause – gefunden ist. Gestern Nachmittag um exakt 14.07 Uhr verließ er die Kabine und steuerte unter den neugierigen Blicken von 150 Zuschauern und 20 Journalisten zum ersten Mal den Dresdner Trainingsplatz an.
In Nordhausen dagegen ist völlig offen, wie die Talfahrt gestoppt werden kann. Auf und neben dem Platz.