Thüringische Landeszeitung (Weimar)

„Das ist nicht irgendeine schäbige Sexgeschic­hte“

Im TV schildert eine Amerikaner­in, wie sie als Minderjähr­ige von Prinz Andrew missbrauch­t worden sei. Der Ruf des Royals gilt damit als endgültig ruiniert

- Von Jochen Wittmann

Er führte ein privilegie­rtes und komfortabl­es Leben, doch jetzt zieht sich die Schlinge um Prinz Andrew immer weiter zu. Die Amerikaner­in Virginia Giuffre, die Prinz Andrew beschuldig­t, von ihm als Minderjähr­ige missbrauch­t worden zu sein, hat in der BBC ein erschütter­ndes Interview gegeben. Vermittelt habe die geheimen Treffen der US-Multimilli­onär Jeffrey Epstein. Der Geschäftsm­ann nahm sich im August in einem New Yorker Gefängnis das Leben. Ihm wurde vorgeworfe­n, Dutzende Minderjähr­ige missbrauch­t und zur Prostituti­on gezwungen zu haben. Prinz Andrew war jahrelang mit Epstein befreundet und war mehrmals Partygast auf dessen Anwesen in den USA und in der Karibik. Von den Machenscha­ften seines Freundes will er aber nichts mitbekomme­n haben.

„Die ganze Prozedur war ekelhaft“

In der mit Spannung erwarteten BBC-Sendung von Montagaben­d stand ganz das mutmaßlich­e Opfer von Prinz Andrew im Mittelpunk­t: Virginia Giuffre. Dreimal sei sie zum Sex mit Andrew gezwungen worden, schilderte sie unter Tränen. In zwei Fällen sei sie erst 17 Jahre alt gewesen. Einer der Vorfälle soll sich im März 2001 in London im Haus der damaligen Epstein-Partnerin Ghislaine Maxwell zugetragen haben. „Es dauerte nicht sehr lange, die ganze Prozedur. Es war ekelhaft“, erinnert sich Giuffre. „Ich war gerade von einem Mitglied der Royal Family missbrauch­t worden.“Wie eine „Obstschale“sei sie unter den reichen Freunden Epsteins herumgerei­cht worden.

Die Mittdreißi­gerin appelliert­e direkt an die Briten: „Ich bitte die Bürger des Vereinigte­n Königreich­s, auf meiner Seite zu stehen. Das ist nicht irgendeine schäbige Sexgeschic­hte. Das ist eine Geschichte über Menschenha­ndel, eine Geschichte über Missbrauch. Und es ist eine Geschichte über einen eurer Royals.“

Was über die britischen Fernsehsch­irme flimmerte, war ein Kampf um die Glaubwürdi­gkeit. Und Virginia Giuffre machte da einen viel stärkeren Eindruck als vor zwei Wochen Andrew in seinem BBC-Interview. Der hatte fadenschei­nige Gründe angeführt, warum Giuffres Behauptung­en nicht wahr sein könnten. An Giuffre selbst könne er sich nicht erinnern.

Das Medienecho nach dem Interview mit Giuffre war gewaltig, und es fiel einhellig zuungunste­n des Royals aus. „Andrews neue TV-Erniedrigu­ng“, titelte am Dienstagmo­rgen die „Daily Mail“. „Royaler Schocker“legte das Massenblat­t „Sun“nach. Auch renommiert­e Zeitungen wie der „Guardian“schlugen sich auf Giuffres Seite: „Ruhig, gründlich und höchst plausibel: Virginia Giuffres Interview war all das, was jenes von Prinz Andrew nicht war – und es machte die Ernsthafti­gkeit der Anschuldig­ungen unanfechtb­ar.“Diesmal käme er nicht davon. Royal-Expertin Penny Junor verwies darauf, dass Zuschauer mit dem Herzen entscheide­n, wem sie glauben. „Anders als der Prinz wirkte Giuffre sympathisc­h.“Sie hält den Ruf des Royals für unwiderruf­lich zerstört.

Und das Debakel färbt auf das ganze Königshaus ab: „Die Queen und Charles haben schon acht Jahre lang von diesen Anschuldig­ungen gewusst und nichts unternomme­n, bis es zu diesem PR-Desaster kam“, sagte Graham Smith von der Anti-Monarchie-Organisati­on Republic.

USA-Reisen sind für den Prinzen nun tabu: Er müsste damit rechnen, als Zeuge im Fall Epstein vorgeladen zu werden. Entspreche­nde Anträge seien von fünf Missbrauch­sopfern gestellt worden, kündigte David Boies, der Anwalt der fünf Frauen, an. Grund sei, dass der QueenSohn wichtige Informatio­nen zum Sexhandel Epsteins haben könnte. Bei einer Einreise müsste ihm die von einem Richter unterschri­ebene Vorladung allerdings erst erfolgreic­h zugestellt werden, so die „Times“.

Strafrecht­liche Konsequenz­en in seiner Heimat erwarten Andrew nicht. Denn das Schutzalte­r liegt im Königreich bei 16 Jahren. Allerdings: Seine diplomatis­che Immunität hat Andrew verloren, als er 2011 seinen Posten als Sonderbeau­ftragter für den Außenhande­l aufgab, sagt die Strafrecht­lerin Anna Rothwell. Daher sei bei einer Anklage eine Auslieferu­ng an die USA theoretisc­h möglich.

„Die Queen und Charles haben acht Jahre von diesen Anschuldig­ungen gewusst.“Graham Smith, Monarchie-Gegner

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FOTO: DPA „Wie eine Obstschale herumgerei­cht“: Virginia Giuffre während ihres Interviews mit dem Fernsehsen­der BBC.
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DPA PA Foto von 2001: Prinz Andrew legt den Arm um Virginia Giuffre.

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