Thüringische Landeszeitung (Weimar)
Vergleich bei Klage zur Dieselaffäre gescheitert
Wegen des Streits um das Anwaltshonorar platzt der Vergleich im Dieselskandal. VW will trotzdem entschädigen
Die Verhandlungen um einen Vergleich bei der Musterfeststellungsklage im Dieselskandal sind auf den letzten Metern gescheitert. Volkswagen und die Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) hatten sich bereits auf eine Summe von 830 Millionen Euro für die rund 460.000 im Klageregister eingetragenen VW-Kunden verständigt. Das sind rund 2000 Euro pro Verbraucher. Nun eskaliert der Streit an der Höhe des Honorars für die Anwälte der Verbraucherzentrale.
Bereits Ende Januar hatten beide Seiten eine grundsätzliche Einigung über die Vergleichshöhe erzielt.
Seit viereinhalb Jahren müssen deutsche VW-Kunden in der Diesel-Affäre auf eine Entschädigung warten. Ein 830 Millionen Euro schwerer Vergleich ist seit Ende Januar unterschriftsreif. Doch jetzt sind die Verhandlungen im Streit über das Anwaltshonorar geplatzt. Volkswagen will die 460.000 Kläger bei der Musterfeststellungsklage trotzdem entschädigen, auch ohne offizielle Einigung. Sie sollen im Schnitt rund 2000 Euro erhalten.
Das kündigte der Konzern am Freitag nach einer außerordentlichen Vorstandssitzung an. Kurz zuvor hatte VW die Vergleichsverhandlungen mit dem Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) für gescheitert erklärt. Aus Verhandlungskreisen erfuhr unsere Redaktion, dass der Streit über eine Entschädigung auf den letzten Metern an dem Anwaltshonorar eskalierte. „Bis zuletzt haben wir an einer gemeinsamen Lösung im Sinn der Kunden gearbeitet, wir bedauern, dass die gemeinsame Umsetzung der mit dem vzbv getroffenen Einigung an unangemessenen Forderungen der Prozessanwälte des vzbv scheiterte“, teilte der Konzern mit.
Bereits Ende Januar hatten VW und vzbv eine Einigung über die Vergleichshöhe erzielt. Seither streiten beide Seiten über eine pauschale Gebührenforderung der Anwälte, die die Verbraucherzentrale vor Gericht vertreten.
Die Kanzlei RUSS macht für die Abwicklung pauschal 50 Millionen Euro geltend und wolle dafür keinen konkreten Leistungsnachweis liefern, lautet der Vorwurf. Die Forderung – rund 120 Euro pauschal pro Verbraucher – wolle die Kanzlei auch nicht von einem unabhängigen Dritten prüfen lassen. Darauf bestand der VW-Konzern. Aus Schriftwechseln, die unserer Redaktion vorlagen, geht hervor, dass sich auch die Verbraucherzentrale für eine pauschale Abrechnung der Anwaltskosten ausspricht. Der vzbv hatte in den Briefen eine Frist bis Freitagmittag gesetzt.
„Einer unabhängigen rechtlichen Prüfung ihrer Gebührenordnung haben sie sich verweigert, eine Zahlung ohne einen ausreichend konkreten Leistungsnachweis oder ohne rechtlichen Grund ist für Volkswagen jedoch nicht möglich“, teilte der Konzern auf Anfrage mit. Aus den Dokumenten geht hervor, dass der übliche Preis für die Abwicklung eines solchen Vergleichs bei rund 17 Millionen Euro liegt.
Die Gebührenforderung der Anwälte bei der deutschen Musterfeststellungsklage liegt gemessen an der Vergleichssumme beim Sechsfachen dessen, was die Verteidiger im Zuge des Dieselskandals in den USA erhielten. Dort ging es um 16,7 Milliarden Dollar (15,4 Milliarden Euro) für die VW-Kunden, die Anwälte erhielten 175 Millionen.
Die Verbraucherzentrale hat die Vorwürfe zurückgewiesen. Die Gespräche seien geplatzt, weil VW kein transparentes, vertrauenswürdiges und für die Verbraucher sicheres System der Abwicklung ermöglichen wollte, sagte vzbv-Chef Klaus Müller. Die von VW verlangte Leistungsbeschreibung habe er am Mittwoch geliefert. VW reichte die zweiseitige Mail jedoch für eine rechtssichere Abrechnung nicht aus. „Wir hatten uns eine Einigung gewünscht“, sagte Müller, „und schauen jetzt in die Zukunft. Die Musterfeststellungsklage ist nicht beendet.“
Tatsächlich können sich die Verhandlungen nun über Jahre hinziehen. Danach müssten die 460.000 Verbraucher Ansprüche einzeln durchsetzen. Dem will der Konzern trotz geplatztem Vergleich zuvorkommen.
Wie VW-Kunden jetzt an ihr Geld kommen
VW bietet den Verbrauchern, die sich für die Musterfeststellungsklage registriert haben, den 830 Millionen Euro schweren Vergleich auch ohne Einigung mit der Verbraucherzentrale an. „Das Scheitern der Vergleichsverhandlungen mit dem Verbraucherzentrale Bundesverband darf nicht zulasten der Kundinnen und Kunden gehen“, hieß es. Dazu können sich Kunden im Internet unter vergleich.volkswagen.de registrieren. Ab Ende März sollen Dieselfahrer auf einer Online-Plattform ein Angebot für eine Einmalzahlung erhalten.
Bei der Musterfeststellungsklage geht es um die Grundsatzfrage, ob VW-Kunden infolge des Wertverlusts durch die Abgasmanipulation an elf Millionen Autos Anspruch auf Entschädigung haben. Bis zum Prozessbeginn vor dem Oberlandesgericht
Braunschweig konnten sie sich kostenfrei in ein Klageregister beim Bundesjustizministerium eintragen. Das Klageinstrument war im Zuge der Diesel-Affäre geschaffen worden.
„Wir schauen jetzt in die Zukunft. Die Musterfeststellungsklage ist nicht beendet.“vzbv-Chef Klaus Müller
In Deutschland stand VW einem Vergleich zunächst skeptisch gegenüber. Das Gericht drang aber auf Vergleichsverhandlungen. Zwischenzeitlich standen Forderungen von mehreren Milliarden Euro im Raum. Parallel zur Musterfeststellungsklage laufen bundesweit Zehntausende Einzelklagen gegen VW.
Anfang Januar kamen VW und Verbraucherzentrale an einen Tisch und waren sich im Grundsatz rasch einig. Die Anwälte der RUSS-Kanzlei hatten noch im Dezember zu Protokoll gegeben, sie teilten sich das übersichtliche Honorar von 7530,80 Euro – bei der Musterfeststellungsklage handele es sich um ein Prestigeverfahren, gute Werbung für die Kanzlei. Zu den strittigen 50 Millionen Euro äußerten sie sich am Freitag nicht.