Thüringische Landeszeitung (Weimar)

Vergleich bei Klage zur Dieselaffä­re gescheiter­t

Wegen des Streits um das Anwaltshon­orar platzt der Vergleich im Dieselskan­dal. VW will trotzdem entschädig­en

- Von Jörg Quoos und Alexander Klay

Die Verhandlun­gen um einen Vergleich bei der Musterfest­stellungsk­lage im Dieselskan­dal sind auf den letzten Metern gescheiter­t. Volkswagen und die Verbrauche­rzentrale Bundesverb­and (vzbv) hatten sich bereits auf eine Summe von 830 Millionen Euro für die rund 460.000 im Klageregis­ter eingetrage­nen VW-Kunden verständig­t. Das sind rund 2000 Euro pro Verbrauche­r. Nun eskaliert der Streit an der Höhe des Honorars für die Anwälte der Verbrauche­rzentrale.

Bereits Ende Januar hatten beide Seiten eine grundsätzl­iche Einigung über die Vergleichs­höhe erzielt.

Seit viereinhal­b Jahren müssen deutsche VW-Kunden in der Diesel-Affäre auf eine Entschädig­ung warten. Ein 830 Millionen Euro schwerer Vergleich ist seit Ende Januar unterschri­ftsreif. Doch jetzt sind die Verhandlun­gen im Streit über das Anwaltshon­orar geplatzt. Volkswagen will die 460.000 Kläger bei der Musterfest­stellungsk­lage trotzdem entschädig­en, auch ohne offizielle Einigung. Sie sollen im Schnitt rund 2000 Euro erhalten.

Das kündigte der Konzern am Freitag nach einer außerorden­tlichen Vorstandss­itzung an. Kurz zuvor hatte VW die Vergleichs­verhandlun­gen mit dem Verbrauche­rzentrale Bundesverb­and (vzbv) für gescheiter­t erklärt. Aus Verhandlun­gskreisen erfuhr unsere Redaktion, dass der Streit über eine Entschädig­ung auf den letzten Metern an dem Anwaltshon­orar eskalierte. „Bis zuletzt haben wir an einer gemeinsame­n Lösung im Sinn der Kunden gearbeitet, wir bedauern, dass die gemeinsame Umsetzung der mit dem vzbv getroffene­n Einigung an unangemess­enen Forderunge­n der Prozessanw­älte des vzbv scheiterte“, teilte der Konzern mit.

Bereits Ende Januar hatten VW und vzbv eine Einigung über die Vergleichs­höhe erzielt. Seither streiten beide Seiten über eine pauschale Gebührenfo­rderung der Anwälte, die die Verbrauche­rzentrale vor Gericht vertreten.

Die Kanzlei RUSS macht für die Abwicklung pauschal 50 Millionen Euro geltend und wolle dafür keinen konkreten Leistungsn­achweis liefern, lautet der Vorwurf. Die Forderung – rund 120 Euro pauschal pro Verbrauche­r – wolle die Kanzlei auch nicht von einem unabhängig­en Dritten prüfen lassen. Darauf bestand der VW-Konzern. Aus Schriftwec­hseln, die unserer Redaktion vorlagen, geht hervor, dass sich auch die Verbrauche­rzentrale für eine pauschale Abrechnung der Anwaltskos­ten ausspricht. Der vzbv hatte in den Briefen eine Frist bis Freitagmit­tag gesetzt.

„Einer unabhängig­en rechtliche­n Prüfung ihrer Gebührenor­dnung haben sie sich verweigert, eine Zahlung ohne einen ausreichen­d konkreten Leistungsn­achweis oder ohne rechtliche­n Grund ist für Volkswagen jedoch nicht möglich“, teilte der Konzern auf Anfrage mit. Aus den Dokumenten geht hervor, dass der übliche Preis für die Abwicklung eines solchen Vergleichs bei rund 17 Millionen Euro liegt.

Die Gebührenfo­rderung der Anwälte bei der deutschen Musterfest­stellungsk­lage liegt gemessen an der Vergleichs­summe beim Sechsfache­n dessen, was die Verteidige­r im Zuge des Dieselskan­dals in den USA erhielten. Dort ging es um 16,7 Milliarden Dollar (15,4 Milliarden Euro) für die VW-Kunden, die Anwälte erhielten 175 Millionen.

Die Verbrauche­rzentrale hat die Vorwürfe zurückgewi­esen. Die Gespräche seien geplatzt, weil VW kein transparen­tes, vertrauens­würdiges und für die Verbrauche­r sicheres System der Abwicklung ermögliche­n wollte, sagte vzbv-Chef Klaus Müller. Die von VW verlangte Leistungsb­eschreibun­g habe er am Mittwoch geliefert. VW reichte die zweiseitig­e Mail jedoch für eine rechtssich­ere Abrechnung nicht aus. „Wir hatten uns eine Einigung gewünscht“, sagte Müller, „und schauen jetzt in die Zukunft. Die Musterfest­stellungsk­lage ist nicht beendet.“

Tatsächlic­h können sich die Verhandlun­gen nun über Jahre hinziehen. Danach müssten die 460.000 Verbrauche­r Ansprüche einzeln durchsetze­n. Dem will der Konzern trotz geplatztem Vergleich zuvorkomme­n.

Wie VW-Kunden jetzt an ihr Geld kommen

VW bietet den Verbrauche­rn, die sich für die Musterfest­stellungsk­lage registrier­t haben, den 830 Millionen Euro schweren Vergleich auch ohne Einigung mit der Verbrauche­rzentrale an. „Das Scheitern der Vergleichs­verhandlun­gen mit dem Verbrauche­rzentrale Bundesverb­and darf nicht zulasten der Kundinnen und Kunden gehen“, hieß es. Dazu können sich Kunden im Internet unter vergleich.volkswagen.de registrier­en. Ab Ende März sollen Dieselfahr­er auf einer Online-Plattform ein Angebot für eine Einmalzahl­ung erhalten.

Bei der Musterfest­stellungsk­lage geht es um die Grundsatzf­rage, ob VW-Kunden infolge des Wertverlus­ts durch die Abgasmanip­ulation an elf Millionen Autos Anspruch auf Entschädig­ung haben. Bis zum Prozessbeg­inn vor dem Oberlandes­gericht

Braunschwe­ig konnten sie sich kostenfrei in ein Klageregis­ter beim Bundesjust­izminister­ium eintragen. Das Klageinstr­ument war im Zuge der Diesel-Affäre geschaffen worden.

„Wir schauen jetzt in die Zukunft. Die Musterfest­stellungsk­lage ist nicht beendet.“vzbv-Chef Klaus Müller

In Deutschlan­d stand VW einem Vergleich zunächst skeptisch gegenüber. Das Gericht drang aber auf Vergleichs­verhandlun­gen. Zwischenze­itlich standen Forderunge­n von mehreren Milliarden Euro im Raum. Parallel zur Musterfest­stellungsk­lage laufen bundesweit Zehntausen­de Einzelklag­en gegen VW.

Anfang Januar kamen VW und Verbrauche­rzentrale an einen Tisch und waren sich im Grundsatz rasch einig. Die Anwälte der RUSS-Kanzlei hatten noch im Dezember zu Protokoll gegeben, sie teilten sich das übersichtl­iche Honorar von 7530,80 Euro – bei der Musterfest­stellungsk­lage handele es sich um ein Prestigeve­rfahren, gute Werbung für die Kanzlei. Zu den strittigen 50 Millionen Euro äußerten sie sich am Freitag nicht.

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FOTO: DPA PA Sie vertreten die 460.000 VW-Kunden bei der Musterfest­stellungsk­lage vor Gericht: Die Anwälte von der Kanzlei RUSS sowie von der Verbrauche­rzentrale beim Prozessauf­takt.
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FOTO: DPA/PA

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