Thüringische Landeszeitung (Weimar)
Putin will Verfassung ändern
Bleibt der Kremlchef bis 2036 im Amt?
Kritiker sind zum Treffen mit Wladimir Putin bei der Debatte über die größte Verfassungsänderung der russischen Geschichte nicht zugelassen. Stattdessen lässt sich der Kremlchef von der handverlesenen Arbeitsgruppe dafür feiern, dass er die Weichen für die Zukunft Russlands stelle. Putin verspricht, was alle hören wollen: einen erstmals in der Verfassung verankerten Mindestlohn. Und eine Anpassung der Mindestrente.
Es geht um soziale Fragen, um den Großmachtstatus und die international angesehene Kulturnation Russland. Putin versichert: Solange er Präsident sei, werde es in Russland keine gleichgeschlechtliche Ehe geben. Aber um die Frage, wie lange er Präsident oder in anderer Funktion an der Macht bleibt, geht es nicht. Dabei ist Putins eigene Zukunft das am heißesten diskutierte Thema im Land.
Kremlgegner wittern in Putins Verfassungsplänen einen „Staatsstreich“. Die liberale Partei Jabloko, aber auch der Oppositionsführer Alexej Nawalny und der im Exil lebende Kremlgegner Michail Chodorkowski fordern die Menschen auf, bei dem im Frühjahr geplanten Referendum mit Nein zu stimmen. Der Präsident zerstöre mit seinem Regime den russischen Staat, schimpft Chodorkowski. Putin missbrauche seine Macht, um für sich und seine Leute sichere Posten auf Lebenszeit zu schaffen.
Die Proteststimmung hält sich aber in Grenzen, wie die Moskauer Denkfabrik Carnegie Center feststellt. Für die Menschen seien ein Mindestlohn und eine regelmäßige Rentenanpassung Grund genug, bei der Volksabstimmung „Ja“anzukreuzen. Damit erkaufe sich Putin das Okay zum Gesamtpaket.
In der Vergangenheit war Putin selbst noch gegen eine Änderung der Verfassung. Was genau der 67Jährige nun also vorhat, nach 2024, wenn seine laut aktueller Verfassung letzte Amtszeit endet, ist unklar. Der prominente Chefredakteur Alexej Wenediktow vom Radiosender Echo Moskwy meinte am Donnerstag, dass nach der Reform das Gesetz zur Wahl des Präsidenten geändert werde. Putin könne sich das dann noch vom Verfassungsgericht bestätigen lassen – und wieder antreten. Für noch einmal maximal zwei Amtszeiten bis 2036.
Ob es dazu kommt, ist freilich unklar. Auch Putin entgeht nicht, dass seine Zustimmungswerte sinken. Nach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstitutes Lewada vertrauen inzwischen nur noch 35 Prozent der Russen Putin – fast die Hälfte des Wertes von 2017.