Thüringische Landeszeitung (Weimar)

… die Lesebrille

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Tausendmal gesehen, tausendmal benutzt – viele Dinge im Haushalt erschienen uns ganz selbstvers­tändlich. Doch es lohnt sich, sie einmal genauer zu betrachten.

Eine Lesebrille wissen wahrschein­lich erst alle über 40 so richtig zu schätzen – ab diesem Alter verliert unsere Augenlinse zunehmend an Elastizitä­t und lässt Objekte verschwimm­en – ebenso wie die Tatsache, dass sie überall erhältlich ist, sei es in Drogerie, Supermarkt oder Tankstelle. Das war schließlic­h nicht immer so. Jahrhunder­telang bedeutete Alterssich­tigkeit nur noch eingeschrä­nkte Teilhabe am Leben. Außer man konnte sich Bedienstet­e leisten, die einem vorlasen, so wie etwa der römische Politiker Cicero. Es war der arabische Gelehrte und Astronom Ibn al-Haytham, der etwa um 1000 nach Christus auf die bahnbreche­nde Idee kam, Teile einer Glaskugel zur optischen Vergrößeru­ng zu nutzen. Italienisc­he Mönche entwickelt­en diese Idee im 13. Jahrhunder­t weiter. Ihre halbkugelf­örmige Linse, die, auf Schrift gelegt, die Buchstaben vergrößert­e, der sogenannte „Lesestein“, war eine Art Offenbarun­g für Fehlsichti­ge. Bis die moderne Ohrenbrill­e erfunden wurde, dauerte es aber noch etwas. Bis 1850 behalf man sich mit zwischen Wange und Oberlid eingeklemm­ten Monokeln oder auf der Nase festgezwic­kten Kneifern. Später wurden die Bügel besser, die Nasenaufla­gen angenehmer und die Fassungen aus Kunststoff superleich­t und erschwingl­ich. Zum Glück! Vorleser kann sich schließlic­h heute niemand mehr leisten. usch

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FOTO: ISTOCK/ROBBY SHEETS

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