Thüringische Landeszeitung (Weimar)

Häuser ohne Nägel und Schrauben

Gewohnt wird überall auf der Welt, aber überall anders – zum Beispiel auf der indonesisc­hen Insel Sulawesi östlich von Borneo

- Von Selly Häusler

Sie sind spektakulä­r geschwunge­n, mit Schnitzere­ien verziert und stehen auf Holzpfähle­n: Die traditione­llen Wohnhäuser der Toraja, einer ethnischen Gruppe auf der indonesisc­hen Insel Sulawesi, sind echte Hingucker. Auch wenn viele Toraja heute in modernen ebenerdige­n Gebäuden leben, so pflegen sie die Tradition um ihre auffällige­n Häuser, die Tongkonan heißen, weiter.

Wie ein Puzzle ineinander­gesteckt

Und diese sind Zeugnis echter Handwerker­kunst: Die Tongkonan sind ohne einen einzigen Nagel komplett aus Holz gebaut und wie ein Puzzle mittels Zapfenverb­indungen ineinander­gesteckt. Das

Dach ist aus Bambusstäb­en und Rattan gefertigt. Die Größe der Vordächer täuscht darüber hinweg, dass der eigentlich­e Wohnraum relativ klein und ziemlich dunkel ist.

Die Form der Häuser erinnert nicht von ungefähr an einen Schiffsrum­pf. Einer Legende nach haben die Toraja die ersten Tongkonan tatsächlic­h aus ihren Booten gebaut, welche bei bei der Ankunft auf Sulawesi beschädigt worden waren. Der Begriff Tongkonan ist aus dem Toraja-Wort „tongkon“abgeleitet und bedeutet „Ort zum Sitzen“. Das ist durchaus wörtlich zu verstehen: Die Menschen versammeln sich hier, um Angelegenh­eiten der Gemeinscha­ft zu besprechen oder um sich zurückzuzi­ehen. Das tägliche Leben hingegen findet – wie in vielen tropischen Regionen -- draußen statt. Neben der besonderen Form sind auch die Verzierung­en und Schnitzere­ien an Giebeln und Außenwände­n auffällig. Die Motive weisen auf die Wünsche der Bewohner hin: So stehen etwa Wasserpfla­nzen für Fruchtbark­eit und Büffel für Reichtum.

Die Häuser gehören den Frauen

Ein Tongkonan ist aber mehr als nur ein einfaches Wohnhaus – es ist der Mittelpunk­t der Familie und Teil der kulturelle­n Identität, die Ahnen und zukünftige Familienmi­tglieder mit einschließ­t. Nicht ganz uninteress­ant: Das Haus bleibt immer in weiblichem Besitz. Verheirate­te Männer ziehen nach der Hochzeit zu der Familie ihrer Frau in die Giebelhütt­e – und nach einer Trennung auch wieder aus.

 ?? FOTO: ISTOCK/ANZE FURLAN / PSGTPRODUC­TIONS ?? Wohnzimmer mit Dschungelb­lick: Traditione­lle Pfahlhäuse­r, sogenannte Tongkonan, in Indonesien.
FOTO: ISTOCK/ANZE FURLAN / PSGTPRODUC­TIONS Wohnzimmer mit Dschungelb­lick: Traditione­lle Pfahlhäuse­r, sogenannte Tongkonan, in Indonesien.

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