Thüringische Landeszeitung (Weimar)
Häuser ohne Nägel und Schrauben
Gewohnt wird überall auf der Welt, aber überall anders – zum Beispiel auf der indonesischen Insel Sulawesi östlich von Borneo
Sie sind spektakulär geschwungen, mit Schnitzereien verziert und stehen auf Holzpfählen: Die traditionellen Wohnhäuser der Toraja, einer ethnischen Gruppe auf der indonesischen Insel Sulawesi, sind echte Hingucker. Auch wenn viele Toraja heute in modernen ebenerdigen Gebäuden leben, so pflegen sie die Tradition um ihre auffälligen Häuser, die Tongkonan heißen, weiter.
Wie ein Puzzle ineinandergesteckt
Und diese sind Zeugnis echter Handwerkerkunst: Die Tongkonan sind ohne einen einzigen Nagel komplett aus Holz gebaut und wie ein Puzzle mittels Zapfenverbindungen ineinandergesteckt. Das
Dach ist aus Bambusstäben und Rattan gefertigt. Die Größe der Vordächer täuscht darüber hinweg, dass der eigentliche Wohnraum relativ klein und ziemlich dunkel ist.
Die Form der Häuser erinnert nicht von ungefähr an einen Schiffsrumpf. Einer Legende nach haben die Toraja die ersten Tongkonan tatsächlich aus ihren Booten gebaut, welche bei bei der Ankunft auf Sulawesi beschädigt worden waren. Der Begriff Tongkonan ist aus dem Toraja-Wort „tongkon“abgeleitet und bedeutet „Ort zum Sitzen“. Das ist durchaus wörtlich zu verstehen: Die Menschen versammeln sich hier, um Angelegenheiten der Gemeinschaft zu besprechen oder um sich zurückzuziehen. Das tägliche Leben hingegen findet – wie in vielen tropischen Regionen -- draußen statt. Neben der besonderen Form sind auch die Verzierungen und Schnitzereien an Giebeln und Außenwänden auffällig. Die Motive weisen auf die Wünsche der Bewohner hin: So stehen etwa Wasserpflanzen für Fruchtbarkeit und Büffel für Reichtum.
Die Häuser gehören den Frauen
Ein Tongkonan ist aber mehr als nur ein einfaches Wohnhaus – es ist der Mittelpunkt der Familie und Teil der kulturellen Identität, die Ahnen und zukünftige Familienmitglieder mit einschließt. Nicht ganz uninteressant: Das Haus bleibt immer in weiblichem Besitz. Verheiratete Männer ziehen nach der Hochzeit zu der Familie ihrer Frau in die Giebelhütte – und nach einer Trennung auch wieder aus.