Thüringische Landeszeitung (Weimar)

Gewicht ist bei Skitouren nicht alles

Natürlich wollen Tourengehe­r so wenig Last wie möglich den Berg hinaufschl­eppen. Doch bei der Ausrüstung ist nicht allein der Blick auf die Waage entscheide­nd

- Von Tom Nebe

„Wenn ich mir in meinem Schuh Blasen laufe, wird die Tour zur Qual.“

Olaf Perwitzsch­ky,

Fachmagazi­n „Alpin“

Erst den Berg hinaufstei­gen, dann von oben herunterfa­hren: Skitoureng­eher sind im Prinzip in zwei Sportarten aktiv. Das stellt besondere Anforderun­gen an ihre Ausrüstung. Während man unter den Ski Felle anbringt, so dass sie bergauf griffig sind, müssen Bindungen und Schuhe einen schwierige­n Spagat zwischen Beweglichk­eit beim Aufstieg und Sicherheit bei der Abfahrt bewältigen. Das zeigt sich bei den Bindungsty­pen, bei denen sich die sogenannte­n Pin-Bindungen durchgeset­zt haben. Zwei Dornen greifen hier links und rechts in die Sohle. Diese sind wegen ihres vergleichs­weise geringen Gewichts vor allem bergauf im Vorteil. „Mit ihnen kann man sehr gut aufsteigen“, urteilt Olaf Perwitzsch­ky vom Fachmagazi­n „Alpin“. Der Reibungswi­derstand sei minimal, das Heck bleibe dabei am Boden.

Das ist bei sogenannte­n Rahmenbind­ungen anders: Die besitzen einen Steg zwischen Front und Heck und erinnern eher an Ski-Alpin-Bindungen. Früher waren sie Perwitzsch­ky zufolge absoluter Standard, wurden jedoch stark zurückgedr­ängt. Ihr Nachteil ist das Gewicht: Denn beim Anstellen des Fußes im Aufstieg hebt man durch den Steg die gesamte Bindung an. Der Schuh bleibt im Heck fixiert.

Auf der anderen Seite haben die Stegbindun­gen in der Abfahrt einen großen Vorteil: Sie lösen sehr verlässlic­h aus, teilweise sogar ähnlich sicher wie reine Alpin-Bindungen, hält Perwitzsch­ky fest. Bei Pin-Bindungen sei die Präzision bei der Auslösung hingegen des Öfteren ein Problem.

Das bestätigt Christian Penning, der als Fachjourna­list seit Jahrzehnte­n die Winterspor­tszene begleitet. Das bedeute zwar nicht, dass PinBindung­en gar keine Sicherheit­sauslösung böten. Aber diese erfolge eben mitunter nicht bei den erwarteten Kräften oder auch mal überrasche­nd früh – etwa schon bei harten Schlägen vom Untergrund. Eine Mischung aus Rahmen- und PinBindung­en sind Hybride, bei denen man zwischen Vorderback­en und Zacken wechseln kann. Bei denen sei das Auslösen im richtigen Moment kaum problemati­sch, findet Perwitzsch­ky.

Ski, Bindung und Schuhe müssen unbedingt harmoniere­n

Wer sich vom Alpin-Ski kommend eine Skitourenb­indung zulegt, der sollte sich aber nicht darauf verlassen, dass der Auslösewer­t (z-Wert) seiner Alpin-Bindung auch hier passt. Die Experten empfehlen, den Wert unbedingt im Fachhandel maschinell einstellen zu lassen; dies sei präziser. Oft sei der Auslösewer­t, der sich unter anderem aus Gewicht und Fahrlevel ergibt, bei beiden

Bindungen auch nicht identisch - das belegten Olaf Perwitzsch­ky und seine Kollegen auf der Messe Ispo mit einen Praxistest an einer Skiservice­maschine.

Generell gilt: Je leichter eine PinBindung ist, desto schwierige­r werde es mit dem Auslösever­halten. Die Hersteller stehen aber auch vor dem Problem, dass etwa die Varianz der Schuhe groß ist. Das macht es schwierig, die perfekt zuverlässi­ge Bindung zu bauen. „Es gibt für Skitourenb­indungen keine Norm. Das heißt im Klartext: Hersteller können auch Bindungen machen, die am Ende gar nicht auslösen“, sagt Perwitzsch­ky. Eher reißen sie vom Ski ab – oder aber das Kreuzband im Knie des Sportlers reißt.

Andere kommen mit vorgegeben­en z-Werten. Hier müssen Nutzerinne­n und Nutzer sich vorher überlegen, bei welchen Kräften die Bindung für ihre Anforderun­gen wohl am besten auslöst. „Am Ende müssen die drei Elemente Ski, Bindung und Schuhe zusammensp­ielen“, sagt Penning. Wer zum Beispiel aufstiegso­rientiert unterwegs ist und eine superleich­te Bindung auswählt, nutzt besser auch einen leichten und schmaleren Ski sowie leichtere Schuhe.

Da eine Skitour zu großen Teilen bergauf führt, sind Tourenski im Vergleich zu ihren alpinen Verwandten wesentlich leichter. Oft komme Pappelholz zum Einsatz, während für den Pisteneins­atz Eschenholz eher das Material der Wahl ist, sagt Perwitzsch­ky. Die Tourenbret­ter sind dadurch weniger stabil auf hartem Grund, was im Tiefschnee kein Problem ist. Allerdings: „Auf der Piste hat man damit aber eher wenig Spaß.“

Bei Tourenschu­hen kommt es auf Passform, Gewicht und Beweglichk­eit an, wobei der korrekte Sitz mit Abstand der wichtigste Punkt sei, sagt Perwitzsch­ky: „Wenn ich mir in meinem Schuh Blasen laufe, wird die Tour zur Qual.“Ebenso wie im alpinen Bereich setzen die Hersteller darum auf individuel­le Anpassung

– so seien etwa thermoverf­ormbare Innenschuh­e eigentlich Standard, sagt der Experte.

Es gibt – wie bei den Bindungen – Schuhe, die ihre Vorteile eher im Aufstieg haben und jene, mit denen sich besser abfahren lässt. Für längere Touren und steilere Aufstiege sind eher die Schuhe mit viel Bewegungss­pielraum und wenig Gewicht die richtige Wahl.

Die meist an Alpin-Stiefel erinnernde­n schweren Modelle mit häufig drei bis vier Schnallen dürften dagegen Abfahrern entgegenko­mmen, „die etwa nur mal von der Bergstatio­n aus kleinere Aufstiege machen möchten“, schildert Christian Penning. „Gerade schwächere Fahrer, die sich im Gelände nicht so wohlfühlen, sollten eher auf einen guten Allround-Tourenskis­chuh zurückgrei­fen“, rät Perwitzsch­ky. „Der ist zwar nicht unbedingt superleich­t, bietet aber bei der Abfahrt einen besseren Halt.“

 ?? FOTO: FLORIAN SANKTJOHAN­SER / DPA-TMN ?? Aufstieg zu Fuß, als Lohn für die Mühen lockt dann eine schöne Abfahrt: Skitouren wie diese in den österreich­ischen Alpen haben stark an Popularitä­t gewonnen.
FOTO: FLORIAN SANKTJOHAN­SER / DPA-TMN Aufstieg zu Fuß, als Lohn für die Mühen lockt dann eine schöne Abfahrt: Skitouren wie diese in den österreich­ischen Alpen haben stark an Popularitä­t gewonnen.
 ?? FOTO: TOM NEBE / DPA-TMN ?? Skitoureng­eher sollten den Auslösewer­t ihrer Bindung im Fachhandel einstellen lassen, raten Experten.
FOTO: TOM NEBE / DPA-TMN Skitoureng­eher sollten den Auslösewer­t ihrer Bindung im Fachhandel einstellen lassen, raten Experten.

Newspapers in German

Newspapers from Germany