Thüringische Landeszeitung (Weimar)
Gewicht ist bei Skitouren nicht alles
Natürlich wollen Tourengeher so wenig Last wie möglich den Berg hinaufschleppen. Doch bei der Ausrüstung ist nicht allein der Blick auf die Waage entscheidend
„Wenn ich mir in meinem Schuh Blasen laufe, wird die Tour zur Qual.“
Olaf Perwitzschky,
Fachmagazin „Alpin“
Erst den Berg hinaufsteigen, dann von oben herunterfahren: Skitourengeher sind im Prinzip in zwei Sportarten aktiv. Das stellt besondere Anforderungen an ihre Ausrüstung. Während man unter den Ski Felle anbringt, so dass sie bergauf griffig sind, müssen Bindungen und Schuhe einen schwierigen Spagat zwischen Beweglichkeit beim Aufstieg und Sicherheit bei der Abfahrt bewältigen. Das zeigt sich bei den Bindungstypen, bei denen sich die sogenannten Pin-Bindungen durchgesetzt haben. Zwei Dornen greifen hier links und rechts in die Sohle. Diese sind wegen ihres vergleichsweise geringen Gewichts vor allem bergauf im Vorteil. „Mit ihnen kann man sehr gut aufsteigen“, urteilt Olaf Perwitzschky vom Fachmagazin „Alpin“. Der Reibungswiderstand sei minimal, das Heck bleibe dabei am Boden.
Das ist bei sogenannten Rahmenbindungen anders: Die besitzen einen Steg zwischen Front und Heck und erinnern eher an Ski-Alpin-Bindungen. Früher waren sie Perwitzschky zufolge absoluter Standard, wurden jedoch stark zurückgedrängt. Ihr Nachteil ist das Gewicht: Denn beim Anstellen des Fußes im Aufstieg hebt man durch den Steg die gesamte Bindung an. Der Schuh bleibt im Heck fixiert.
Auf der anderen Seite haben die Stegbindungen in der Abfahrt einen großen Vorteil: Sie lösen sehr verlässlich aus, teilweise sogar ähnlich sicher wie reine Alpin-Bindungen, hält Perwitzschky fest. Bei Pin-Bindungen sei die Präzision bei der Auslösung hingegen des Öfteren ein Problem.
Das bestätigt Christian Penning, der als Fachjournalist seit Jahrzehnten die Wintersportszene begleitet. Das bedeute zwar nicht, dass PinBindungen gar keine Sicherheitsauslösung böten. Aber diese erfolge eben mitunter nicht bei den erwarteten Kräften oder auch mal überraschend früh – etwa schon bei harten Schlägen vom Untergrund. Eine Mischung aus Rahmen- und PinBindungen sind Hybride, bei denen man zwischen Vorderbacken und Zacken wechseln kann. Bei denen sei das Auslösen im richtigen Moment kaum problematisch, findet Perwitzschky.
Ski, Bindung und Schuhe müssen unbedingt harmonieren
Wer sich vom Alpin-Ski kommend eine Skitourenbindung zulegt, der sollte sich aber nicht darauf verlassen, dass der Auslösewert (z-Wert) seiner Alpin-Bindung auch hier passt. Die Experten empfehlen, den Wert unbedingt im Fachhandel maschinell einstellen zu lassen; dies sei präziser. Oft sei der Auslösewert, der sich unter anderem aus Gewicht und Fahrlevel ergibt, bei beiden
Bindungen auch nicht identisch - das belegten Olaf Perwitzschky und seine Kollegen auf der Messe Ispo mit einen Praxistest an einer Skiservicemaschine.
Generell gilt: Je leichter eine PinBindung ist, desto schwieriger werde es mit dem Auslöseverhalten. Die Hersteller stehen aber auch vor dem Problem, dass etwa die Varianz der Schuhe groß ist. Das macht es schwierig, die perfekt zuverlässige Bindung zu bauen. „Es gibt für Skitourenbindungen keine Norm. Das heißt im Klartext: Hersteller können auch Bindungen machen, die am Ende gar nicht auslösen“, sagt Perwitzschky. Eher reißen sie vom Ski ab – oder aber das Kreuzband im Knie des Sportlers reißt.
Andere kommen mit vorgegebenen z-Werten. Hier müssen Nutzerinnen und Nutzer sich vorher überlegen, bei welchen Kräften die Bindung für ihre Anforderungen wohl am besten auslöst. „Am Ende müssen die drei Elemente Ski, Bindung und Schuhe zusammenspielen“, sagt Penning. Wer zum Beispiel aufstiegsorientiert unterwegs ist und eine superleichte Bindung auswählt, nutzt besser auch einen leichten und schmaleren Ski sowie leichtere Schuhe.
Da eine Skitour zu großen Teilen bergauf führt, sind Tourenski im Vergleich zu ihren alpinen Verwandten wesentlich leichter. Oft komme Pappelholz zum Einsatz, während für den Pisteneinsatz Eschenholz eher das Material der Wahl ist, sagt Perwitzschky. Die Tourenbretter sind dadurch weniger stabil auf hartem Grund, was im Tiefschnee kein Problem ist. Allerdings: „Auf der Piste hat man damit aber eher wenig Spaß.“
Bei Tourenschuhen kommt es auf Passform, Gewicht und Beweglichkeit an, wobei der korrekte Sitz mit Abstand der wichtigste Punkt sei, sagt Perwitzschky: „Wenn ich mir in meinem Schuh Blasen laufe, wird die Tour zur Qual.“Ebenso wie im alpinen Bereich setzen die Hersteller darum auf individuelle Anpassung
– so seien etwa thermoverformbare Innenschuhe eigentlich Standard, sagt der Experte.
Es gibt – wie bei den Bindungen – Schuhe, die ihre Vorteile eher im Aufstieg haben und jene, mit denen sich besser abfahren lässt. Für längere Touren und steilere Aufstiege sind eher die Schuhe mit viel Bewegungsspielraum und wenig Gewicht die richtige Wahl.
Die meist an Alpin-Stiefel erinnernden schweren Modelle mit häufig drei bis vier Schnallen dürften dagegen Abfahrern entgegenkommen, „die etwa nur mal von der Bergstation aus kleinere Aufstiege machen möchten“, schildert Christian Penning. „Gerade schwächere Fahrer, die sich im Gelände nicht so wohlfühlen, sollten eher auf einen guten Allround-Tourenskischuh zurückgreifen“, rät Perwitzschky. „Der ist zwar nicht unbedingt superleicht, bietet aber bei der Abfahrt einen besseren Halt.“