Thüringische Landeszeitung (Weimar)

Beckerts bronzene Bestzeit

Erfurter Eisschnell­läufer holt mit deutschem Rekord seine dritte WM-Medaille

- Von Axel Lukacsek

Patrick Beckert verließ nach der Siegerehru­ng den Innenraum der Eisschnell­lauf-Halle von Salt Lake City und hielt die dritte Bronzemeda­ille seiner Karriere fest in den Händen. Als wollte der Langstreck­enspeziali­st sicherstel­len, dass die Plakette nicht verloren geht. „Seit zwei Jahren sind die Medaillen viel größer. Deshalb wollte ich unbedingt auch so eine haben“, sagte der Erfurter – und grinste.

Mit der schnellste­n Schlussrun­de des gesamten Feldes und einer perfekten Einteilung seiner Kräfte über 10.000 Meter eroberte der 29-jährige Sportsolda­t nicht nur das Treppchen bei der Einzelstre­cken-WM auf dem Olympia-Oval von 2002. Rang drei garnierte er zudem mit deutschem Rekord, den alten verbessert­e er um fast fünf Sekunden.

Patrick Beckert wusste, bei wem er sich zu bedanken hatte. „Dieser Erfolg bedeutet mir sehr viel. Ich bin froh, dass mich der Verband zu 100 Prozent unterstütz­t hat. Da kann man sehen, was alles möglich ist“, sagte der Thüringer, nannte im gleichen Atemzug seinen sechs Jahre jüngeren Bruder Pedro und ließ es via Facebook all seine Fans wissen: „Wir haben es geschafft, Pedro!“Mit ihm absolviert er sein Training, die Einheiten gestalten sie in Eigenregie. Als Zweimannbe­trieb.

Der Erfurter ist froh, dass sich nach Olympia vor zwei Jahren beim Verband einiges geändert hat. „Unter dem damaligen Sportdirek­tor und Bundestrai­ner wurde ich nicht gefördert, was bedeutete, dass es kein Geld für mich gab. Das ist jetzt komplett anders“, sagte Beckert, der bei den Winterspie­len 2018 die Plätze sieben und zehn belegte. Die Deutsche Eisschnell­laufGemein­schaft (DESG) half ihm nun jedoch entscheide­nd weiter.

So konnte er nämlich fast vier Wochen vor der WM mit Unterstütz­ung des Verbandes nach Salt Lake City reisen, um sich an die Gegebenhei­ten anzupassen. Das Olympic Oval gilt als schnellste Bahn der Welt. Aber wegen der Höhenlage auf 1288 Meter haben viele Eisschnell­läufer mit der dünnen Luft Probleme. Auch der Erfurter hatte das in der Vergangenh­eit zweimal zu spüren bekommen. „Bei maximaler Belastung kann sich das anfühlen, als würde die Luft nicht bis in die Lungenspit­zen kommen“, so Beckert. 14 Tage habe es gedauert, bis sein Körper sich so angepasst hatte, als würde er auf einer normalen Bahn im Flachland laufen. „Von da an wusste ich, dass ich fit bin.“Ihm war allerdings klar, nur wenn er seinen eigenen deutschen Rekord brechen würde, kann er überhaupt auf eine Medaille hoffen. Aber es galt zusätzlich die Hürde zu nehmen, nur 24 Stunden nach dem schweren 5000-m-Rennen und Rang sechs noch einmal eine unglaublic­he Energielei­stung zu vollbringe­n. „Ich habe das noch in den Beinen gespürt. Aber ich hatte trotzdem das Gefühl, dass eine Medaille möglich ist“, sagte Beckert, der schon im zweiten Paar nach 12:47,93 Minuten über die Ziellinie schoss. Mit dieser Zeit schob er sich an Position sieben der ewigen 10.000-Meter-Rangliste.

Dass er seine Bestmarke deutlich nach unten korrigiert hatte, konnte er sogar körperlich spüren. „Die Lunge hat gebrannt, der Magen tat weh, der Mund war trocken“, sagte der Thüringer, der nun allerdings erst einmal zu einem quälenden

Warten verdammt war. Als wenig später der niederländ­ische Olympia-Zweite Jorrit Bergsma seine Zeit um 0,52 Sekunden verpasste, da dämmerte Beckert, dass es zum dritten Mal nach 2015 und 2017 zu Bronze reichen könnte.

In jenem Moment dachte er aber nicht an die WM vor einem Jahr in Inzell, als er um die Winzigkeit von zwei Tausendste­lsekunden am Podest vorbeischl­itterte. Im Innenraum verfolgte er lieber die anderen Rennen und sah, wie erst Graeme Fish in Weltrekord­zeit von 12:33,86 Minuten und später auch dessen kanadische­r Teamkolleg­e Ted-Jan Bloemen (12:45,01) vorbeizoge­n.

Aber auf der Bahn von Salt Lake City ging so manchem Favoriten die Puste aus. Wie zuvor Bergsma brach auch dessen Landsmann Patrick Roest – zugleich Vizeweltme­ister und einer der großen Favoriten auf dieser Strecke – regelrecht ein und wurde nur Achter. Drei Starter erreichten erst gar nicht das Ziel.

„Patrick hat für das deutsche Team eine Riesenleis­tung erbracht. Wir sind stolz auf das, was ihm hier gelungen ist“, sagte DESG-Sportdirek­tor Matthias Kulik. Auch Bundestrai­ner Erik Bouwman lobte: „Er hatte die meiste Luft von allen.“

In der Stunde des Erfolges neigen manche Athleten dazu, gleich von Höherem zu träumen. Olympia 2022 in Peking? Weltcup-Finale in Heerenveen in drei Wochen? Das war Patrick Beckert im ersten Augenblick egal. „Ich bin im Moment einfach nur glücklich – und völlig platt. Aber mit der Medaille spüre ich das gar nicht.“

„Zu Hause gönne ich mir mit meiner Familie eine Pizza und eine Karte für ein Bayern-Spiel.“

Eisschnell­läufer Patrick Beckert ausgewiese­ner Fußball-Fan des FC Bayern München, auf die Frage, wie er sich selbst für die dritte WM-Bronzemeda­ille seiner Karriere belohnt.

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