Thüringische Landeszeitung (Weimar)
Mut zur schrägen Schrift
Erfurter Schriftforscher plädiert für Vielfalt beim geschriebenen Wort
Sachlich und streng oder verschnörkelt-romantisch – rund 300 Schriften gibt es in jedem gängigen Schreibprogramm für den Computer. Doch die meisten Menschen haben sich eine Schrift ausgesucht – Calibri, Arial oder Times – und benutzen diese Schrift für alles, was sie schreiben, bedauert Fritz Westphal, Hobby-Schriftforscher aus Erfurt.
„Dabei gibt es für jeden Anlass die passende Schrift“, versichert er. „Jede Schrift hat ihre eigene Wirkung, die die Bedeutung der geschrieben Worte noch verstärkt“, vergleicht Fritz Westphal. Allerdings wirken Schriften auf jeden Menschen unterschiedlich – was dem einen gefällt, findet der andere ganz furchtbar. „Deshalb muss man schon überlegen, welche Schrift zu welchem Menschen passt – und was ich ihm damit sagen will“, warnt der Schriftforscher, der jüngst seine Ergebnisse in der Zeitschrift „Die deutsche Schrift“veröffentlichen durfte, dem renommierten Magazin der Szene.
Sogenannte gebrochene Schriften wie die Textura etwa, die sich vor rund 700 Jahren entwickelte, wirken altmodisch und historisch, aber auch würdevoll. „Allerdings“, räumt Westphal ein, „kann sie kaum noch jemand lesen.“Schriften mit Serifen, den kleinen Ecken und Kanten, gelten als kraftvoll und linienbetont, strahlen Entschlossenheit
aus. Schriften ohne Serifen dagegen haben die nüchterne Anmutung von Wissenschaft und Technik, wirken zeitlos und modern. Aber nicht nur die Schriften selbst, auch deren Gestaltung kann eine besondere Wirkung auslösen, so Westphal. „Fettgedruckte Buchstaben wirken dominant, schwer und träge, kursiv geschriebene Wörter dagegen bekommen durch den Neigungswinkel eine gewisse Dynamik.“War man mit der Schreibmaschine auf deren Typen festgelegt, könne man mit dem Computer immer die passende Schrift auswählen, ermuntert Fritz Westphal. Denn schließlich gäbe die Art der Schrift geschriebener Sprache deren Klang.