Thüringische Landeszeitung (Weimar)
Zurück ins Büro: Muss ich das überhaupt?
Der Chef fordert das Ende des Homeoffice. Doch nicht jedem passt das. Arbeitsrechtler erklären, was jetzt gilt
Die Lage in Deutschland stabilisiert sich. Viele der CoronaMaßnahmen werden abgemildert. Die meisten Arbeitnehmer im Homeoffice sollen nach und nach wieder ins Büro zurückkehren. Doch mancher will das gar nicht. Und viele können es auch nicht, weil die Kinderbetreuung durch Schulen und Kitas noch nicht wieder im gewohnten Ausmaß angeboten wird. Zwei Arbeitsrechtler – Boris Dzida, Rechtsanwalt und Partner der Kanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer, und Marta Böning, Juristin und Referatsleiterin für individuelles Arbeitsrecht beim Deutschen Gewerkschaftsbund – beantworten die wichtigsten Fragen zur Rückkehr ins Büro.
Wann kann der Arbeitgeber die Corona-Pandemie für beendet erklären?
Auf diese Frage gibt es eine einfache Antwort: „Wenn das Robert-KochInstitut eine entsprechende Erklärung abgegeben hat“, sagt Boris Dzida von Freshfields Bruckhaus Deringer. Heißt also: Der Arbeitgeber kann die Coronavirus-Pandemie nicht für beendet erklären, weil er sie ja auch nicht ausgerufen hat.
Wenn ich Angst vor einer Ansteckung habe, darf ich dann zu Hause bleiben?
Leider nein. Denn laut Boris Dzida reicht die Angst allein nicht aus. Etwas anderes gilt, wenn der Arbeitnehmer einer Risikogruppe angehört und der Arbeitgeber kein Schutzkonzept erstellen kann, das den Arbeitnehmer ausreichend schützt. In solchen Ausnahmefällen kann es einen Anspruch auf Homeoffice-Arbeit geben, selbst wenn dies nicht in einer Betriebsvereinbarung oder im Arbeitsvertrag vorgesehen ist. Falls man tatsächlich der Meinung ist, in seinem Betrieb sind die Schutzvorkehrungen nicht ausreichend, sollte man mit seinem Betriebsrat Kontakt aufnehmen oder sich bei seiner Gewerkschaft melden, rät Marta Böning vom DGB.
Kann der Arbeitgeber Beschäftigte zwingen, vom Homeoffice ins Büro
zurückzukehren?
Boris Dzida: „Wenn die Arbeit im Homeoffice in einer Betriebsvereinbarung oder im Arbeitsvertrag geregelt ist, hängt die Antwort davon ab, was dort zur Rückkehr ins Büro geregelt ist.“Ist dort etwa geregelt, dass man drei Tage pro Woche im Homeoffice arbeiten darf, könne der Arbeitgeber keine vollständige Rückkehr ins Büro erzwingen. Bestünden keine solche Regelungen, kann der Arbeitgeber eine Rückkehr ins Büro anordnen. Allerdings sieht Marta Böning vom DGB eine problematische Entwicklung: „Durch die Corona-Pandemie gibt es beim Homeoffice viel Willkür und Wildwuchs. Deshalb sind neben den betrieblichen Regelungen, die im Idealfall den Rahmen für die Arbeit von zu Hause setzen, auch gesetzliche Regeln wichtig.“Der DGB erwarte, dass das Gesetz zum Recht auf Homeoffice – wie von der Bundesregierung angekündigt – im Herbst kommt. „Wir brauchen klare Regeln zum Schutz der
Beschäftigten – denn Arbeiten im Homeoffice kann auch Entgrenzung bedeuten“, so Böning.
Was gilt, wenn nichts geregelt worden ist und die Geschäftsführung beim Beginn der Corona-Maßnahmen nur gesagt hat: Arbeitet bitte von zu Hause?
„Dann darf die Geschäftsführung auch sagen: Kommt bitte wieder zurück ins Büro“, so Dzida. Allerdings muss das mit einer angemessenen Frist erfolgen, damit Kinderbetreuung und Ähnliches geregelt werden kann.
Wie lang ist eine angemessene Frist für die Rückkehr ins Büro?
Da gibt es keine klaren Vorgaben. Dzida empfiehlt mindestens drei Tage, bei Mitarbeitern mit Kindern eine Woche.
Und was ist, wenn die Kinderbetreuung nicht so gegeben ist wie früher?
Eltern, die wegen Kita- oder Schulschließungen die Betreuung ihrer Kindern übernehmen müssen, können Ersatzleistungen für den Entgeltausfall erhalten. Das Gesetz sieht vor, dass der Staat 67 Prozent des Nettoeinkommens – maximal 2016 Euro im Monat – erstattet. Der Lohnersatz gilt für Eltern von Kindern unter zwölf Jahren. Eltern, die ein Kind mit Behinderung betreuen, können die Hilfe unabhängig vom Alter des Kindes erhalten. Marta Böning vom DGB kritisiert, die Höhe der Entschädigung sei von der Bundesregierung zu knapp bemessen. Außerdem greife das Recht nur bei ganztägigen Fehlzeiten, nicht stundenweise.