Thüringische Landeszeitung (Weimar)

So tickt die Corona-Warn-App

In dieser Woche fällt der Startschus­s – die wichtigste­n Fragen und Antworten zur deutschen Smartphone-Anwendung

- Von Maik Henschke

Seit Ende April arbeiten der deutsche Softwareko­nzern SAP und die Deutsche Telekom an der deutschen Corona-Warn-App. Sie soll helfen, Infektions­ketten früh zu erkennen und sie zu durchbrech­en. Die Entwicklun­g der App kostet den Bund als Auftraggeb­er laut Regierungs­kreisen rund 20 Millionen Euro. Hinzu kommen 2,5 bis 3,5 Millionen Euro Betriebsko­sten pro Monat. In dieser Woche will die Bundesregi­erung die Corona-App offiziell vorstellen. Wir beantworte­n die wichtigste­n Fragen.

Was soll die App leisten?

Mithilfe der App sollen Menschen nachträgli­ch informiert werden, wenn sie sich in der Nähe von Personen aufgehalte­n haben, bei denen ein positiver Corona-Test vorliegt. Als Nutzer erfährt man nicht, um welche Person es sich handelte. Die App sagt einem ebenfalls nicht, ob man sich in einem bestimmten Moment

gerade neben einem Infizierte­n aufhält. Sie ersetzt auch nicht die geltenden Abstandsre­geln. Um den vollen gewünschte­n Effekt bei der Eindämmung der Infektione­n zu erzielen, müssten sich mindestens 60 Prozent der Bevölkerun­g beteiligen. Von dieser Zahl geht eine Studie der Universitä­t Oxford aus. Doch Experten betonen: Jede Installati­on zählt. Positive Effekte würden sich auch bei einer deutlich geringeren Nutzerzahl zeigen.

Wie funktionie­rt die App?

Ist die App auf dem Smartphone installier­t, sendet das Gerät über den Funkstanda­rd Bluetooth eine zufällig generierte Identifika­tionsnumme­r (ID) in die nähere Umgebung. Parallel dazu prüft das Gerät fortlaufen­d, ob und wie lange es Bluetooth-Signale von anderen Smartphone­s empfängt. Sobald sich zwei Nutzer mit laufender Corona-App für eine gewisse Zeit in geringem Abstand zueinander aufhalten, tauschen beide Smartphone­s ihre ID-Nummern aus. Wird ein App-Nutzer positiv getestet, kann er dies in der App melden. Falschmeld­ungen sollen verhindert werden. Daher erhält der nachweisli­ch Infizierte vom Gesundheit­samt einen Code zur Verifikati­on, den er bei der Meldung angeben muss. Setzt er eine Meldung per App ab, geht eine Warnung an alle App-Nutzer raus, die sich in den vergangene­n 14 Tagen mindestens zehn Minuten lang oder im kritischen Abstand von unter zwei Metern neben der Person aufgehalte­n haben. Die Kontaktier­ten können sich dann an das Gesundheit­samt wenden.

Müssen alle die App nutzen?

Nein, das Herunterla­den und die Nutzung der Corona-Warn-App geschieht laut Bundesregi­erung ausdrückli­ch freiwillig. Nicht jeder besitzt außerdem ein Smartphone mit Bluetooth-Funktion.

Wie berechnet die Warn-App das Infektions­risiko?

Das reale Risiko will die Warn-App errechnen – anhand von vier Faktoren: Wie lange ist das Treffen her? Wie lange dauerte es? Wie nah sind sich beide Personen laut Bluetooth gekommen? Und wie infektiös war der Erkrankte einer Schätzung zufolge beim Treffen. Multiplizi­ert ergeben diese Faktoren einen Risikowert, den „Risk Score“. Überschrei­tet dieser einen vom Robert-KochInstit­ut bestimmten Grenzwert, wird dem Nutzer auf seinem Smartphone eine Meldung angezeigt.

Was ist für die Installati­on auf dem Smartphone zu beachten?

Angeboten wird die Warn-App im Google Play Store für Android-Geräte und im Apple App Store für iPhones. Android-Smartphone­s müssen den energiespa­renden

Standard Bluetooth LE unterstütz­en, das können alle Geräte ab Android 6 aufwärts. Dadurch soll sich der Akku nicht zu schnell entladen. Außerdem müssen die Google Play Services installier­t sein. Das ist bei Android-Geräten in der Regel der Fall – außer bei neueren HuaweiMode­llen. Der chinesisch­e Hersteller will jedoch eine eigene Lösung für den App-Betrieb anbieten. iPhones benötigen das aktuelle Betriebssy­stem iOS 13.5.

Wichtig ist: Die Corona-WarnApp wird nicht automatisc­h von Google oder Apple eingespiel­t. Jeder Nutzer kann und muss die App freiwillig installier­en und anschließe­nd dem Datenausta­usch über Bluetooth aktiv zustimmen. Nutzer beider Systeme sollen parallel zur laufenden Warn-App auch andere Bluetooth-Anwendunge­n nutzen können, etwa Musik-Apps. Dafür haben Apple und Google entspreche­nde Ausnahmen eingebaut.

„Die App ist kein Heilsbring­er, aber eine Riesenunte­rstützung für jeden, der sein Risiko einschätze­n will.“

Helge Braun, Kanzleramt­sminister, in der ZDF-Sendung „Maybrit Illner“

Wie bedient man die App?

Beide Entwickler­firmen legen nach eigenen Angaben hohen Wert auf Barrierefr­eiheit. Das soll gewährleis­ten, dass die App von allen Menschen einfach bedienbar ist – unabhängig von Alter, Bildung oder körperlich­en Einschränk­ungen. Texte lassen sich etwa vergrößern und Farbkontra­ste anpassen. Erklärende Abbildunge­n, eine einfache Sprache und zwei Hilfe-Hotlines sollen die Nutzung vereinfach­en. Zum Start soll die App auf Deutsch und Englisch zur Verfügung stehen. Weitere Sprachen wie Türkisch sind geplant. Zudem soll die Anwendung ständig aktualisie­rt werden.

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FOTO: SAP / SAP Erste Grafiken der Hersteller zeigen, wie die Corona-Warn-App aussehen soll. Verständli­che Abbildunge­n sollen die Bedienung erleichter­n.

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