Thüringische Landeszeitung (Weimar)
In der Regelungslücke
Ist Meiningens künftiger Intendant auch Chef des Landestheaters Eisenach? Das ist unklar
„Das Haus“, erklärte Jens Neundorff von Enzberg jüngst der Neuen Musikzeitung, „könnte aufgrund der Möglichkeiten und Größe eine barocke Perle werden. Das reizt mich und war durchaus einer der Gründe, die Intendanz in Meiningen anzutreten.“
Er sprach hier aber nicht über das Staatstheater, zu dessen künftigem Chef ihn die Kulturstiftung Meiningen-Eisenach im März berief. Er sprach über finanziell wie künstlerisch ziemlich ambitionierte Opernpläne mit „Thüringer Barock“am Landestheater Eisenach.
Dort war man ohnehin einigermaßen irritiert. Gleichsam „durch die Hintertür“trat da einer als neuer Intendant auch Eisenachs auf. So erzählt man es sich in der Belegschaft. Neundorff führte bereits viele Gespräche, im Rathaus, im Theater und mit der Thüringen Philharmonie Gotha-Eisenach.
„Ich sehe da große Potenziale“, erklärte er auch unserer Zeitung. Eisenach sei für ihn ein großes Thema, und das Landestheater, dessen allmählichen Niedergang er lange verfolgt habe, ihm enorm wichtig. „Es ist im positiven Sinne ein Stadttheater, und man muss überlegen, wie man das wieder beleben könnte.“Allerdings, räumt er ein, habe er dafür gar kein Mandat. „Tatsächlich ist das eine ungeklärte Situation.“
Die Kulturstiftung MeiningenEisenach muss, laut ihrer Tagesordnung für den 22. Juni, „eine Regelungslücke in der Satzung“behandeln, die, so die Empfehlung, „geschlossen werden sollte.“Sie ist Trägerin unter anderem beider Theater, die nicht zusammengehören, aber seit 2008 zusammenarbeiten.
Andris Plucis leitet das Haus gleichsam im Ehrenamt
Die Lücke entstand, als man Ansgar Haag 2018 als Eisenacher Intendanten abberief; er übte die Doppelfunktion zehn Jahre lang aus. Intendant Haag werde sich mehr Zeit für sein Meininger Theater nehmen, sagte damals Kulturminister Benjamin Hoff (Linke), der dem Stiftungsrat vorstand. Derweil berief man Eisenachs Ballettchef Andris Plucis kommissarisch zum künstlerischen Leiter, zunächst für eine Saison, dann für eine zweite.
Plucis war erst mal wenig begeistert, arrangierte sich aber mit dem „Kümmererjob“, wie er es nennt. Einen Vertrag dafür bekam er nicht, auch keinen einzigen Cent extra. Er leitet das Haus gleichsam im Ehrenamt. Die Geschäftsführung obliegt de facto dem ohnehin ehrenamtlichen Stiftungsvorstand.
Die Stiftung wollte die künstlerische Leitung neu ausschreiben oder wahlweise einen anderen Ballettdirektor berufen. Dergleichen geschah nie. Nun kommt heraus, dass Ansgar Haag womöglich nur nominell aus Eisenach abberufen wurde, de jure dort aber noch amtiert. Satzung und Geschäftsordnung der Kulturstiftung wurden nie geändert. Sie sprechen immer noch und immer nur von „dem Intendanten des Theaters“, obwohl es ja zwei selbstständige Theaterbetriebe gibt.
Das dürfte Haags Nachfolger im Blick gehabt haben, obwohl die Kulturstiftung ausdrücklich nur die Meininger Intendanz zur Spielzeit 2021/22 ausgeschrieben und besetzt hatte. „Das Theater arbeitet innerhalb der Stiftung eng mit dem Landestheater Eisenach zusammen“, hieß es. Mehr nicht.
Man müsse die Strukturen klären, ohne Porzellan zu zerschlagen, sagt Jens Neundorff von Enzberg.
Das gehe nur mit den Eisenachern, nicht ohne oder gar gegen sie. Es geht nicht um eine feindliche Übernahme und ihm nicht um einen Posten, sondern um Inhalte. Er spricht unter anderem von eigenständigen Produktionen mit Meininger Sängern ausschließlich für die „Musikstadt“Eisenach.
OB Wolf: Tanzbereiche zwischen Meiningen und Eisenach festlegen
Ob er dabei mit einer künstlerischen Leitung des Landestheaters zusammenarbeitet oder als Intendant alleinverantwortlich ist, sei letztlich egal. „Für mich sind beide Varianten durchaus denkbar“, sagt auch Katja Wolf (Linke). Die Oberbürgermeisterin gibt sich gelassen und völlig offen. Neundorff müsse im Stiftungsrat seine strategischen Überlegungen darstellen. Dann werde man „die Tanzbereiche zwischen Meiningen und Eisenach“festlegen. Am Ende müsse „ein gut funktionierendes und lokal verankertes Theater“herauskommen.
Dieses, gibt Wolf zu, hat sich seit 2018 „mit einer hohen Eigendynamik in hohem Maße selbstverantwortlich organisiert“– bei übrigens extrem komplizierten Kooperationsstrukturen mit Partnern in Rudolstadt und Gotha, die ihrerseits auch Nordhausen beziehungsweise Erfurt im Blick haben müssen. Eisenach galt ein Jahrzehnt lang als fünftes Rad am Meininger Wagen. Inzwischen funktioniert die Zusammenarbeit deutlich besser. Plötzlich waren und sind Opernaufführungen in Eisenach möglich, die man dem Haus zuvor mit technischen Ausreden vorenthielt.
Die Belegschaft des Landestheaters hält es für einen komischen Vorgang, wenn sie nicht weiß, dass oder ob sie einen neuen Intendanten kriegt. Entsprechend äußerte sie sich in einem Brief an die Staatskanzlei. Auch Andris Plucis hält eine eigene künstlerische Leitung aus Erfahrung für richtig und wichtig, ganz unabhängig von seiner Person; Plucis geht 2024 in Rente. Priorität für ihn hat indes, „dass das Landestheater in der Stiftung bleibt.“
Inzwischen scheint das Pendel in Richtung jener größtmöglichen Eigenständigkeit auszuschlagen, für die auch Minister Hoff wiederholt eintrat. Seine Haltung scheint in der Sache klarer und weniger flexibel zu sein als die der OB Wolf.
Teilnehmer und nahe Beobachter der Vertragsgespräche mit Neundorff berichten übereinstimmend, dabei sei es sehr viel um Eisenach gegangen, solange Hoffs Kulturabteilung ohne den Minister verhandelte. „Da hat sich einer ziemlich weit aus dem Fenster gelehnt“, heißt es. Hoff soll das gestoppt haben, sobald er hinzukam: Man solle sich doch auf Meiningen konzentrieren.