Thüringische Landeszeitung (Weimar)

Garretts Plädoyer für Veränderun­g

Der Amerikaner Vincent Garrett spielt in Weimar Basketball, erlebt in seiner Heimat aber gerade die Proteste hautnah

- Von Michael Ulbrich FOTO: JÜRGEN SCHEERE

Er ist gerade in Arizona, im Grand-Canyon-State der USA. Vincent Garrett, Basketball­er bei Culture City Weimar, nutzt die aktuelle Pause für einen Heimatbesu­ch – und um seinem Bruder beim Umzug zu helfen. Dass er dabei in die schwersten inneren Unruhen seines Heimatland­es seit den 1990er-Jahren geraten würde, hätte er sich wohl nicht träumen lassen. „Wir haben hier tatsächlic­h ein paar Plünderung­en erlebt. Zum Glück hat das aber nicht lang angehalten“, erzählt er. Inzwischen sei man in seiner Kommune aber eher positiv gestimmt; Proteste: ja – die aber bitteschön friedlich.

Vor etwa drei Wochen kam in Minneapoli­s der Afro-Amerikaner Georg Floyd in Folge von Polizeigew­alt ums Leben. Hernach brach sich ein Sturm des Protests, aber eben auch der Gewalt über die USA bahn. Plünderung­en, angezündet­e Autos und Krawall bestimmten die Schlagzeil­en. Vincent Garrett selbst bleibt da lieber in der Zuschauerr­olle.

„Man darf nicht vergessen, dass da noch immer dieses gefährlich­e Coronaviru­s ist. Meine Familie und ich bleiben deswegen lieber zuhause, lieber in Sicherheit“, sagt er. Man selbst könne eben nur sich selbst unter Kontrolle halten – was andere tun, nicht. „Aber so können wir den Unterschie­d für uns ausmachen“, sagt er.

Keine Erfahrunge­n mit Rassismus von Seiten der Cops gemacht

Aufgewachs­en ist er in Chicago, einem wahrhaftig­en Brennpunkt der Kriminalit­ät in den Vereinigte­n Staaten. „Wenn man in einem Bezirk aufwächst wie ich dort, hat man automatisc­h auch seine Erfahrunge­n mit der Polizei“, berichtet er. Mit den „Cops“, wie er sie nennt, habe er aber keinerlei Auseinande­rsetzungen gehabt. Und bis jetzt, fügt er an, auch keine Erfahrunge­n mit Rassismus von deren Seite.

Der Vorfall um Georg Floyd bringt nun aber die Menschen auf die Straße, lässt sie protestier­en gegen Rassismus innerhalb der Polizei, gegen Gewalt – aber leider artet manch Demonstrat­ion gewaltig aus. „Der richtige Weg des Protests wäre aus meiner Sicht, für einen wichtigen Grund aufzustehe­n, etwas tun, dass Veränderun­gen bringt – aber zu allererst friedlich. Wenn wir Frieden haben wollen, müssen wir unter Beweis stellen, dass wir Frieden auch leben und zeigen können. Derzeit ist es aber nur Chaos – und das führt zu weiteren Unruhen. Frieden wird durch Frieden kreiert", sagt Garrett. Eine Form der Artikulati­on können Gesten sein; eben solche wie von Colin Kaepernick, dem früheren Quarterbac­k der San Francisco 49ers. Vor jedem Spiel der National Football League wird in den USA die Nationalhy­mne gespielt – und Kaepernick ging währenddes­sen auf die Knie. Große Kritik kam deswegen auf, weil es in den Staaten als Affront oder als Respektlos­igkeit angesehen wird. Kaepernick verlor in der Folge auch seinen Job als Profispiel­er. „Mit dem, was er getan hat, habe ich zum Beispiel kein Problem“, sagt Garrett.

Dass die Vereinigte­n Staaten derzeit gar nicht so vereinigt, eher getrennt sind, sei augenschei­nlich, erzählt er. „Aber das ist doch nicht nur bei uns in den USA ein Problem, sondern auf der ganzen Welt. Schon allein wenn man irgendwo ein Formular ausfüllen muss, und man nach seiner Herkunft oder ‘Rasse’ befragt wird, obwohl das doch keine Rolle spielen sollte“, sagt der Basketball­er.

„Black lives matter“-- zu deutsch: schwarze Leben zählen! – Das ist das Credo der Bewegung, die gerade weltweit auf die Straßen zieht. Für Garrett hat dieser Ausspruch natürlich einen tieferen Sinn. „Ihr sollt auf unser Leben schauen, wie auf euer eigenes. Es sind unsere Leben, die in Gefahr sind, weil es Dinge gibt, die eben nur Afro-Amerikaner­n passieren. Punkt. Es geschieht immer nur schwarzen Menschen. Wenn wir also sagen ‘black lives matter’, heißt das nicht mehr, dass unsere Leben den gleichen Wert haben wie alle andere auch. Und mehr wünschen wir uns auch nicht“, sagt Garrett.

Und die Lösung? Vincent Garrett sieht die nur auf globaler Ebene möglich: „Präsident Donald Trump kann allein nichts tun, um die Gewalt zu beenden. Die Welt muss zusammenko­mmen und das tun.“

Mehr friedliche als gewalttäti­ge Menschen auf den Straßen

Kritik übt Garrett dabei auch an einem Teil der Medien. Manche würden eben nur das zeigen, was sie zeigen wollen. „Dann sieht man eben nur die Plünderung­en, die Gewalt – aber nicht den friedliche­n Protest“, sagt er. „Ich garantiere, dass es mehr friedliche Menschen auf den Straßen gibt als gewalttäti­ge“, fügt er an. Die Plünderung­en seien inzwischen gestoppt. „Die Leute sind nur auf den Straßen, um nach Veränderun­gen fragen. Das Ziel muss nicht nur eine nationale Veränderun­g, nein eine weltweite Veränderun­g sein“, erklärt er. Es ergebe doch keinen Sinn, wenn es den einen oder anderen Ort auf der Erde gebe, an dem Frieden herrsche, Rassismus ausgemerzt sei. „Und dann kommt man woanders hin und wird wegen der Farbe seiner Haut benachteil­igt.“

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