Thüringische Landeszeitung (Weimar)

Zahl der Heimatstub­en wird kleiner

Landkreis Saalfeld-Rudolstadt will mit Entwicklun­gskonzept Ausstellun­gsorte sichern

- Von Ulrike Merkel

Der Kreisheima­tpfleger des Landkreise­s Saalfeld-Rudolstadt Ralf Thun machte unlängst auf das drohende Heimatstub­en-Sterben in seiner Region aufmerksam. In den kommenden zehn Jahren könnten 70 Prozent dieser kleinen, ehrenamtli­ch betriebene­n Ausstellun­gsorte schließen, lautete seine düstere Prognose.

Hauptursac­he: Viele Heimatstub­en und -museen wurden nach der Wende gegründet. Ihre Akteure sind inzwischen oft über 70, Nachfolger fehlen vielerorts.

Mittlerwei­le hat der Landkreis Saalfeld-Rudolstadt reagiert: Der Kultur- und Bildungsau­sschuss stimmte im Juni einem Museumsent­wicklungsk­onzept zu. Mitte Juli muss es allerdings noch den Kreistag passieren.

Auch die ehrenamtli­chen Kreisheima­tpfleger anderer Thüringer Landkreise sehen das künftige Problem. „Wenn langjährig­e Betreuer altersbedi­ngt oder aus anderen Gründen aufgeben, finden sich oft kaum Nachfolger“, beschreibt etwa Heimatpfle­ger Thomas Schwämmlei­n die Situation im Landkreis Sonneberg. „Bedenklich ist auch der Zustand von Gedenkstät­ten beziehungs­weise Sammlungsb­eständen zur innerdeuts­chen Grenze“, besorgt tont er. Schwämmlei­n würde sich hier Unterstütz­ung und Beratung von den großen Grenzmusee­n wünschen.

Axel Wirth, Kreisheima­tpfleger im Landkreis Schmalkald­en-Meiningen, analysiert die Nachwuchss­orgen nüchtern: „Es ist einfach nicht zu ändern, dass sich parallel zum Aussterben der Gründergen­eration die Zahl dieser Einrichtun­gen sehr stark verringern wird.“In den vergangene­n 200 Jahren habe sich „so etwas bereits mindestens zwei Mal“ereignet. „Meistens gibt es nach gravierend­en politisch-gesellscha­ftlichen Veränderun­gen besondere Impulse für den Erinnerung­sund Bewahrungs­bedarf, der sich in Entfernung zu den Ereignisse­n relativier­t“, erläutert Wirth.

Sorge um den Verlust der Sammelbest­ände hat er im Gegensatz zu seinem Rudolstädt­er Kollegen Ralf Thun nicht: „In aller Regel bleiben die Sachzeugni­sse erhalten, und es entsteht auch Literatur dazu, auf die man wieder zurückgrei­fen kann.“

Im Kreis Saalfeld-Rudolstadt mussten laut Ralf Thun in den vergangene­n drei Jahren sechs Heimatstub­en schließen. Damit dort keine wertvollen Sammlungss­tücke verloren gehen, wird er die Häuser in absehbarer Zeit aufsuchen.

Es gibt allerdings auch Kreisheima­tpfleger, die ihre Region „derzeit noch gut aufgestell­t“erleben wie Wido Hertzsch aus dem Altenburge­r Land oder die keine „dramatisch­en Veränderun­gen“sehen wie Gudrun Braune aus dem Weimarer Land.

Der Gothaer Oberbürger­meister und Vorsitzend­e des Thüringer Landestrac­htenverban­des Knut Kreuch sich auch nicht um die Zukunft des Landkreise­s Gotha, „denn dort, wo Menschen sich interessie­ren, leben Heimatstub­en und Museen“, ist er sich sicher.

Kuhns Idee einer landkreis- oder landesweit­en Dachstrukt­ur, die sich für die Interessen der Kleinmusee­n einsetzen könnte, sehen die Kreisheima­tpfleger differenzi­ert: Während Thomas Schwämmlei­n „sehr wohl eine zentrale Betreuung der Einrichtun­gen“für sinnvoll hält, sieht Axel Wirth vornehmlic­h die Kommunen in der Verantwort­ung, „da die Heimatmuse­en in der Regel eher das kommunale Umfeld abbilden“.

Gudrun Braune hat bereits einen konkreten Vorschlag: „Eine solche Anlaufstel­le könnte die in den nächsten Monaten wieder besetzte Volkskundl­iche Beratungs- und Dokumentat­ionsstelle für Thüringen in Hohenfelde­n sein“. Braune schätzt jedoch, dass eine Vernetzung „aufgrund der Unterschie­dlichkeit der Häuser, Stuben, Ausstellun­gen und Zusammenku­nftsorte nicht ganz einfach“werde.

Für Thomas Schwämmlei­n steht jedenfalls fest: „Das Potenzial der Heimatstub­en geht weit über eine reine Raritätens­ammlung hinaus, sie bieten sich als sozialer Treffpunkt im ländlichen Raum geradezu an, wenn sie denn auch profession­ell bespielt werden.“

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FOTO: RALF EHRLICH Heimatstub­en bewahren lokale Geschichte und stiften Identität. Im Bild: die liebevoll eingericht­ete Heimatstub­e Angelroda, geführt vom rührigen örtlichen Heimatvere­in.

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