Thüringische Landeszeitung (Weimar)

Billigjobs oftmals eine Sackgasse

Studie: Nur ein Viertel der Betroffene­n schafft es wieder heraus aus dem Niedrigloh­nsektor

- Von Hanno Müller

Der Niedrigloh­nbereich ist für viele Menschen eine Sackgasse, aus der sie nur schwer oder gar nicht herauskomm­en. Vor allem Ostdeutsch­e und Frauen verharren dort besonders lange. Das geht aus einer Studie der Bertelsman­n-Stiftung hervor. Als Obergrenze wird dabei ein Bruttolohn von 11,40 Euro pro Stunde angenommen, betroffen davon ist jeder fünfte Deutsche. Seit den 1990er-Jahren sei der Anteil der so oder niedriger Entlohnten um gut 60 Prozent gewachsen. Aufgrund des niedrigere­n Lohnniveau­s fällt in Ostdeutsch­land der Anteil der Geringverd­iener generell um mehr als zehn Prozentpun­kte höher aus als in Westdeutsc­hland.

Mehr als jeder vierte Ostdeutsch­e verdient weniger als 2000 Euro, an der Spitze liegen Mecklenbur­g-Vorpommern und Thüringen mit einem Anteil von jeweils um die 30 Prozent. Wie die Bertelsman­n-Studie verwies gestern auch das Statistisc­he Landesamt anhand der Daten von 2018 darauf, dass die Zahl der Mindestloh­nempfänger leicht rückläufig ist. Es seien aber immer noch mehr als im Westen Deutschlan­ds.

Demnach wurden in Thüringen im April 2018 an rund 30.000 Beschäftig­te (3 Prozent) der Mindestloh­n gezahlt. Etwa 13.000 Jobs lagen noch darunter. Die am stärksten betroffene­n Regionen sind Pößneck, Eichsfeld und Mühlhausen. Der 2018 gezahlte Mindestloh­n von 8,84 Euro je Stunde ergibt bei 40 Wochenarbe­itsstunden 1532 Euro im Monat. Seinerzeit entsprach das etwa der Hälfte des durchschni­ttlichen Bruttomona­tsverdiens­tes. Seit Januar müssen mindestens 9,35 Euro pro Stunde gezahlt werden.

Laut Bertelsman­n-Stiftung haben Arbeitsmar­ktreformen wie die Agenda 2010 und Hartz IV zu einer Öffnung der Lohnstrukt­ur nach unten geführt. Auch qualifizie­rte Tätigkeite­n würden zunehmend niedrig vergütet. Nur ein Viertel der Betroffene­n schafft es wieder heraus aus dem Niedrigloh­nsektor. Die Studie fordert, Mini-Jobs unattrakti­ver zu machen und mehr Tarifbindu­ng zu erzwingen.

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