Thüringische Landeszeitung (Weimar)
Corona Ent-Schränkungen
Einer trage des andern Last, so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen. (Brief des Paulus an die Galater, Kapitel 6, Vers 2)
Bisher hatten sie sich nur guten Tag und vielleicht auch guten Weg gewünscht. Jeder hatte schließlich mit sich selbst zu tun und sein eigenes Päckchen zu tragen. Dann kamen die Corona-Beschränkungen. Und die junge Familie wurde auf das ältere Ehepaar nebenan aufmerksam.
Wir könnten vielleicht für sie mit einkaufen? Der alte Herr mit dem Rollator und seine Ehefrau müssen doch nicht unbedingt zur Kaufhalle, überlegen sie und klingeln am nächsten Tag bei ihren Nachbarn. Ihr Angebot wird mit Freuden angenommen. Seitdem wird nicht nur der Einkaufszettel beim älteren Ehepaar abgeholt und das Eingekaufte abgegeben, sondern auch mehr geredet als guten Tag und guten Weg.
Plötzlich lernen sich Menschen besser kennen, die Jahre lang nur nebeneinander gelebt haben. Seit die Beschränkungen gelockert wurden, sitzen die Nachbarn im kleinen Hof bei Kaffee und Kuchen beieinander. Es entsteht eine ganz besondere Nachbarschaft. Vielleicht entwickelt sich sogar eine Freundschaft, und die Kinder bekommen „Ersatzgroßeltern“.
So ähnlich haben sich überall kleine Geschichten abgespielt. Und so einfach kann es sein, anderen eine Last abzunehmen. Die
Mahnung des Apostels Paulus zur Solidarität ist leichter zu verwirklichen, als wir es manchmal denken.
Es sind die kleinen Dinge, die viel helfen können. Zuhören, wenn jemand Sorgen hat und in Bedrängnis ist. Aufmerksam gegenüber anderen sein.
Die Corona-Zeiten haben unsere Solidarität herausgefordert. Und es ist hoffentlich an vielen Orten Ähnliches geschehen wie zwischen der jungen Familie und dem älteren Ehepaar.