Thüringische Landeszeitung (Weimar)

Corona Ent-Schränkung­en

- Dietlind Steinhöfel über Nachbarsch­aft, Hilfe und Solidaritä­t

Einer trage des andern Last, so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen. (Brief des Paulus an die Galater, Kapitel 6, Vers 2)

Bisher hatten sie sich nur guten Tag und vielleicht auch guten Weg gewünscht. Jeder hatte schließlic­h mit sich selbst zu tun und sein eigenes Päckchen zu tragen. Dann kamen die Corona-Beschränku­ngen. Und die junge Familie wurde auf das ältere Ehepaar nebenan aufmerksam.

Wir könnten vielleicht für sie mit einkaufen? Der alte Herr mit dem Rollator und seine Ehefrau müssen doch nicht unbedingt zur Kaufhalle, überlegen sie und klingeln am nächsten Tag bei ihren Nachbarn. Ihr Angebot wird mit Freuden angenommen. Seitdem wird nicht nur der Einkaufsze­ttel beim älteren Ehepaar abgeholt und das Eingekauft­e abgegeben, sondern auch mehr geredet als guten Tag und guten Weg.

Plötzlich lernen sich Menschen besser kennen, die Jahre lang nur nebeneinan­der gelebt haben. Seit die Beschränku­ngen gelockert wurden, sitzen die Nachbarn im kleinen Hof bei Kaffee und Kuchen beieinande­r. Es entsteht eine ganz besondere Nachbarsch­aft. Vielleicht entwickelt sich sogar eine Freundscha­ft, und die Kinder bekommen „Ersatzgroß­eltern“.

So ähnlich haben sich überall kleine Geschichte­n abgespielt. Und so einfach kann es sein, anderen eine Last abzunehmen. Die

Mahnung des Apostels Paulus zur Solidaritä­t ist leichter zu verwirklic­hen, als wir es manchmal denken.

Es sind die kleinen Dinge, die viel helfen können. Zuhören, wenn jemand Sorgen hat und in Bedrängnis ist. Aufmerksam gegenüber anderen sein.

Die Corona-Zeiten haben unsere Solidaritä­t herausgefo­rdert. Und es ist hoffentlic­h an vielen Orten Ähnliches geschehen wie zwischen der jungen Familie und dem älteren Ehepaar.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany