Thüringische Landeszeitung (Weimar)
„An fünf von acht Tagen entdecke ich mit dem Antigentest eine Infektion, an drei Tagen werde ich sie übersehen.“
Die am Dienstag von der Bundesregierung beschlossene Notbremse des Bundes zur Ein- dämmung der Corona-Pandemie sorgt zunehmend für Unmut: Nach Berlins Regierendem Bürgermeis- ter Michael Müller und der rhein- land-pfälzischen Ministerpräsiden- tin Malu Dreyer (beide SPD) kriti- sierte die Linkspartei die geplante Änderung des Infektionsschutzge- setzes als einseitig und unwirksam. Während im privaten Bereich wei- ter verschärft werde, seien die Maß- nahmen im Beruf vollkommen unzureichend, sagte Parteichefin Janine Wissler unserer Redaktion: „Je- der weiß: Das Ergebnis einer solchen Bremsaktion ist keine Sicher- heit, das Ergebnis ist ein Crash.“Ein Schnelltest pro Woche reiche für sicheres Arbeiten nicht aus. Am Arbeitsplatz seien mindestens drei Tests pro Woche nötig. Der Gesetzentwurf soll am Freitag erstmals im Bundestag beraten werden. Einen Beschluss soll es kommende Woche geben.
Das Robert-Koch-Institut (RKI) hat am Mittwoch 21.693 Neuinfektionen gemeldet. Zudem wurden innerhalb von 24 Stunden 342 neue Todesfälle verzeichnet. Die Gesamtzahl der Menschen, die nach einer Infektion mit SarsCoV-2 gestorben sind, stieg damit auf 79.088. Die Zahl der binnen sieben Tagen gemeldeten Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner lag nach Angaben des RKI bundes- weit bei 153,2. Am Vortag lag die- se noch bei 140,9.
Die SPD im Bundestag will Sport im Freien und kontaktlosen Sport für Kinder von der geplanten Corona-Notbremse des Bundes ausnehmen. Ausnahmen bei den Ausgangsbeschränkungen für Sport im Außenbereich seien zwingend, sagte der parlamentarische Geschäftsführer der SPDFraktion, Carsten Schneider, am Mittwoch. Andernfalls drohe eine Eskalation der sozialen Situation bei denjenigen, die in beengten Verhältnissen lebten.
Die EU-Staaten haben sich auf eine Linie beim geplanten Co- rona-Zertifikat für einfacheres Rei- sen in Europa geeinigt. Die Botschafter der 27 Länder verständig- ten sich auf eine Position für die Verhandlungen mit dem EU-Parla- ment, hieß es aus Diplomatenkrei- sen. Nach Vorstellungen der EUKommission soll das „grüne Zerti- fikat“Ende Juni einsatzbereit sein und Impfungen, Testergebnisse und überstandene Infektionen do- kumentieren.
Ein bisschen Sicherheit in 20 Minuten, das war das Versprechen von Corona-Schnelltests: Seit sie zugelassen sind, wird in Schulen, vor dem Einkauf und vor privaten Treffen fleißig getestet, in der Hoffnung, auf diese Weise viele Infektionen zu verhindern. Doch jetzt steht infrage, wie viel Schutz diese Tests wirklich bringen.
Alarm schlug jetzt der Chefvirologe der Berliner Charité, Christian Drosten. Im „Corona-Update“-Podcast des NDR erklärte der Experte, dass die Tests in der Praxis Infektionen oft erst spät erkennen. „Die Schnelltests schlagen erst am Tag eins nach Symptombeginn an, da ist man aber schon drei Tage lang infektiös“, sagte Drosten. „Wenn man davon ausgeht, dass eine infizierte Person in der Regel acht Tage lang ansteckend ist, heißt das: An fünf von acht Tagen entdecke ich mit dem Antigentest eine Infektion, an drei Tagen werde ich sie übersehen.“Drei Tage, während denen Infizierte im Glauben, gesund zu sein, andere anstecken und die Pandemie befeuern können. Wie viel Schutz bieten Schnelltests also wirklich? Und was heißt das für bisherige Öffnungen? Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick:
Wie funktionieren die Schnelltests?
Antigen-Schnelltests weisen bestimmte vom Virus gebildete Eiweiße nach, und das innerhalb von sehr kurzer Zeit. Sind in einer Probe diese Eiweiße vorhanden, wird auf dem Teststreifen ein Enzym aktiviert und die Farbe des Streifens ändert sich: Der Test ist positiv. Bei niedrigen Virusmengen sind sie aber weniger zuverlässig als PCR-Tests.
Kann man damit sicher öffnen?
Mit der derzeitigen Infektionslage: nein, sagt Bernd Salzberger, Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Infektiologie. „Aktuell sind an Tests gekoppelte Öffnungen keine
Dänemark verbietet wegen häufiger und in sehr seltenen Fällen tödlicher Nebenwirkungen den CoronaImpfstoff des britisch-schwedischen Herstellers Astrazeneca. Das hat das dänische Gesundheitsamt am Mittwoch bekannt gegeben. Die 149.000 Dänen, die bereits eine erste Dosis des Vakzins gespritzt bekommen haben, sollen bei der Zweitimpfung nun ein anderes Präparat erhalten.
„Das war ein schwerer Beschluss, mitten in der Pandemie“, sagte der Direktor der dänischen Gesundheitsverwaltung, Sören Brostström. Letztlich sei man zu der Einsicht gelangt, dass das Risiko, den Astrazeneca-Impfstoff weiter zu verimpfen, größer sei als der Nutzen. „Es ist sehr ernst, dass wir nun in dieser Sigute Strategie“, so Salzberger. Testen und Shoppen, Testen und Theater, diese Rechnung der Politik sei löchrig und bei den aktuellen Fallzahlen höchst riskant. „Es ist ein großer Unterschied, ob ich eine Inzidenz von 10 von 100.000 in 7 Tagen habe oder von 150“, so Salzberger. Wie Drosten verweist auch der Bereichsleiter Infektiologie am Uniklinikum Regensburg auf die Schwächen der Antigentests. „Bei einer Inzidenz von 150 spielt die Zahl der falsch negativen Fälle eine viel größere Rolle. Dann kommen viel mehr unentdeckt Infizierte in den Verkehr.“
Die Sinnhaftigkeit einer Schnelltest-Strategie hänge also auch mit der Epidemiologie zusammen. Sie sei erst bei niedrigen Fallzahlen praktikabel. Doch die gibt es in Deutschland derzeit kaum irgendwo: Am Mittwoch meldete das RKI eine 7-Tage-Inzidenz von 153,2 – so hoch wie zuletzt Mitte Januar während der zweiten Welle. Und das, obwohl man beim Institut davon ausgeht, dass über die Ostertage weniger tuation sind“, kommentierte Ministerpräsidentin Mette Frederiksen. Denn tatsächlich könnte die Entscheidung nun das gesamte Impfprogramm des Landes und auch den terminlich genau geplanten Ausstieg aus dem Lockdown über den Haufen werfen.
Die seltenen, schweren Nebenwirkungen nach der Impfung mit getestet wurde und auch die Schulferien in vielen Ländern die Dynamik gebremst haben dürften.
Wie viel bringen Schnelltests dann?
Auch wenn Schnelltests nicht das beste Diagnosemittel seien: Wenn man „sehr, sehr ausgiebig“teste, reduziere man trotzdem die Zahl der zirkulierenden Menschen, die eine Infektion haben, sagt Salzberger. Dies zu tun, sei also durchaus sinnvoll – negative Tests als Basis für Öffnungen zu nutzen, aktuell dagegen eindeutig nicht. Auch Christian Drosten stellte am Mittwoch auf Twitter klar: Dass nicht alle Infektionen durch Schnelltests gefunden werden, heißt nicht, dass diese gar keinen Nutzen haben.
Was heißt das für Schulen?
Regelmäßige Schnelltests von Schülerinnen, Schülern und Personal sind in vielen Bundesländern Teil der Bemühungen, den Präsenzunterricht nach den Osterferien zumindest teilweise zu ermöglichen. Zum Einsatz kommen dabei auch den Präparaten von Astrazeneca und dem US-Hersteller Johnson & Johnson hängen deutschen Experten zufolge möglicherweise mit dem speziellen Typ dieser Impfstoffe zusammen. „Die Tatsache, dass beide Impfstoffe auf dem gleichen Prinzip beruhen und die gleichen Probleme verursachen, spricht meines Erachtens eher dafür, dass der Vektor selbst die Ursache ist“, sagte Johannes Oldenburg vom Universitätsklinikum Bonn.
Erst im März hatte Deutschland Impfungen mit dem Produkt des Herstellers Astrazeneca vorübergehend ausgesetzt. Auch andere europäische Länder stoppten die Impfungen zeitweise. Hintergrund war – wie auch jetzt in Dänemark – eine auffällige Häufung sogenannter Sinusvenenthrombosen in Verbindung
Selbsttests. Heinz-Peter Meidinger, Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, hält das auch trotz Zweifeln an den Tests für richtig: „Uns war allen klar, dass Schnelltests und gerade auch die Selbsttests nicht so zuverlässig sind wie etwa PCRTests“, sagte Meidinger unserer Redaktion. „Das entwertet aber nicht die Sinnhaftigkeit einer Testpflicht an Schulen als ein zusätzlicher Baustein für mehr Gesundheitsschutz.“Gerade weil ihre Aussagekraft begrenzt ist, dürften Schnelltests aber nicht dazu führen, dass andere Maßnahmen wie die Maskenpflicht vernachlässigt würden, so Meidinger.
Was sagt der Handel?
Der Handel setzt weiter auf Schnelltests, wo sie erforderlich
mit einem Mangel an Blutplättchen nach den Impfungen. Inzwischen wird der Einsatz von Astrazeneca hierzulande nur noch für Menschen ab 60 Jahren empfohlen. Jüngere, die bereits die Erstimpfung mit dem Vakzin erhalten haben, sollen bei der Zweitimpfung auf ein anderes Präparat umsteigen können. Auf diese Empfehlung haben sich die Gesundheitsminister von Bund und Ländern am Mittwoch geeinigt.
Der US-Pharmakonzern Johnson & Johnson hatte am Dienstag wegen Berichten über Thrombosefälle den Marktstart seines Präparats in Europa aufgeschoben – nur einen Tag nachdem mit der Auslieferung begonnen worden war. Zuvor hatten Behörden in den USA ein vorübergehendes Aussetzen der Impfungen empfohlen. sind. Gleichzeitig ist der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Deutschland, Stefan Genth, angesichts der Hygienestandards in Läden und mehrerer Studienergebnisse überzeugt: „Der Einkauf birgt kein erhöhtes Infektionsrisiko. Das haben auch das Robert-Koch-Institut und die TU Berlin festgestellt.“
Gibt es eine Alternative?
Präziser als Antigen-Schnelltests sind PCR-Tests, mit denen sich nachweisen lässt, ob in einer Probe Bestandteile des Viruserbguts vorhanden sind. Doch das Verfahren, das dafür angewandt wird, kann nur in Laboren durchgeführt werden. PCR-Tests sind daher teurer und langsamer als Schnelltests und brauchen freie Laborkapazitäten. Für den flächendeckenden Einsatz, zum Beispiel im Schulbetrieb, sind sie deshalb nicht geeignet.
Bei einer Sinusvenenthrombose kommt es zu einem Verschluss bestimmter Venen im Gehirn durch Blutgerinnsel. Bis zum 8. April wurden dem Paul-Ehrlich-Institut 46 solcher Fälle nach einer Impfung mit dem Vakzin von Astrazeneca gemeldet. Fünf Frauen und drei Männern starben.
Unterdessen sorgte ein anderer Hersteller am Mittwoch für positive Nachrichten: Biontech und Pfizer wollen bis Ende Juni zusätzlich 50 Millionen Dosen ihres Impfstoffs an die EU-Staaten liefern. Dies teilte EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen mit. Es handele sich um eine Lieferung, die aus dem vierten Quartal vorgezogen werde. Dies könnte mögliche Ausfälle beim Impfstoff von Johnson & Johnson zum Teil wettmachen.