Thüringische Landeszeitung (Weimar)
„Für Armin Laschet wird es extrem schwer werden.“
Armin Laschet war auf das Unheil nicht vorbereitet. „Vor welchem Gegner haben Sie mehr Angst – Annalena Baerbock oder Olaf Scholz?“, wollte RTL- Moderator Maik Meuser am Dienstagabend von dem frisch gekürten Kanzlerkandidaten der Union wissen und zitierte aus einer aktuellen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa: „Die Grünen liegen sieben Punkte vor Ihnen.“Laschets hilflose Antwort: „Ich kenne keine Forsa-Umfrage, ich weiß nicht worauf sich das jetzt bezieht.“
Dabei hatten zu diesem Zeitpunkt die neuen Zahlen von Forsa für RTL/ntv schon wie eine Bombe im politischen Berlin eingeschlagen. Ihnen zufolge verliert die Union sieben Prozentpunkte, käme bei einer Wahl jetzt nur noch auf 21 Prozent, die Grünen lägen mit 28 Prozent auf Platz eins. Die SPD käme nur noch auf 13 Prozent.
Auch in anderer Hinsicht ist die Umfrage für Laschet ein Desaster: 63 Prozent der Befragten sind überzeugt, dass sich die Wahlchancen der Union durch seine Nominierung verschlechtert haben; bei den Anhängern der CDU sind es 67 Prozent, bei denen der CSU sogar 90 Prozent. 74 Prozent der Bürger glauben nicht, dass der CDU-Chef seine Chancen bis zum Wahltag im September deutlich verbessern kann. Nur 15 Prozent der Deutschen würden für Laschet stimmen, wenn sie den Kanzler direkt wählen könnten, 15 Prozent für den Spitzenkandidaten der SPD, Olaf Scholz. Für die neue Kanzlerkandidatin der Grünen, Annalena Baerbock, würde sich hingegen fast jeder Dritte entscheiden.
Allerdings sind Umfragen mit Vorsicht zu genießen. Sie sind nur eine Momentaufnahme. Im Frühjahr 2017 lag der SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz deutlich vor Angela Merkel. Der Ausgang der Bundestagswahl ist bekannt. 2018 war Markus Söder laut Umfrage der unbeliebteste aller Ministerpräsidenten, nur zwei Jahre später der beliebteste.
Hinzu kommt, dass Forsa immer wieder mit spektakulären Abweichungen von sich reden macht. In anderen Umfrageinstituten sieht man die jüngsten Zahlen der Konkurrenz denn auch skeptisch: „Einen solchen Umschwung in dieser Größenordnung halte ich nicht für realistisch“, sagte Matthias Jung von der Forschungsgruppe Wahlen. Interessant ist auch der Befragungszeitraum: 2003 der insgesamt 3505 Befragten wurden vor Montag befragt – sie wussten also noch gar nicht, wer die Union am Ende als Kanzlerkandidat anführen wird. Richtig ist aber auch, dass Armin Laschet seit Monaten in allen Umfragen sehr schlecht abschneidet.
„Für Laschet wird es extrem schwer werden“, ist denn auch der Berliner Parteienforscher Oskar Niedermayer überzeugt: „Er muss
■ Grünen-Chef Robert Habeck hat die Nominierung von Annalena Baerbock zur Kanzlerkandidatin als „schmerzhaftesten Tag“in seiner politischen Laufbahn bezeichnet. Dies räumte er im Interview mit der „Zeit“ein. Sein Beitrag zum Erfolg werde nun sein, die Entscheidung „zu einem politischen Sieg zu machen“. Er habe nichts mehr gewollt, „als dieser Republik als Kanzler zu dienen. Und das werde ich nach diesem Wahlkampf nicht“. jetzt nicht nur einen sinnvollen Umgang mit der CSU finden, sondern auch die eigene Partei befrieden. Der Riss geht quer durch die CDU, und zwar von unten nach oben. Das ist schwer einzufangen.“
Laut Niedermayer sind vier Dimensionen für das Image eines Politikers entscheidend: Sachkompetenz, Führun Glaubwürdigke und persönli Sympathie. „I Krisenzeiten ist für die Menschen die Führungs- stärke das zentrale Ele- ment. Das heißt: Lasche muss sich jet ganz schnell als rungsstarker manager profilieren , sagt der Politikexperte: „Sein Image ist das eines Zauderers. Er müsste sich neu erfinden. Je länger sich ein Image festsetzt, umso schwieriger wird es, es zu ändern.“
Wichtig für Laschet wird auch sein, dass er die Parteijugend hinter sich hat. Denn es ist der Nachwuchs, der den Haustürwahlkampf maßgeblich organisiert und die Plakate klebt. Doch der hatte sich am Sonntag demonstrativ für CSUChef Markus Söder eingesetzt: 14 Landesverbände der Jungen Union sprachen sich für den bayerischen CSU-Chef als Kanzlerkandidat aus, drei enthielten sich. Nur die Nordrhein-Westfalen, freilich der größte
JU-Landesverband, hielten ihrem Ministerpräsidenten die Treue. Die Junge Union hat zusätzlich zu den 16 Bundesländern noch Verbände in Braunschweig und Oldenburg. Am Dienstag veröffentlichte die Junge Union eine Erklärung mit teils harschen Worten. Der Bundesvorstand habe mit seiner Sitder Laschet ürt wurde, in Bild eines Wahlsiegers“abgegeben, heißt es darin: „So können wir nicht in den Wahlkampf ziehen – organitorisch und arteiinternen g.“„Armin Laschet muss jetzt dafür sorgen, dass es in der Union keine Verlierer gibt“, sagte JU-Chef Tilman Kuban unserer Redaktion: „Außerdem muss er schnell klarmachen, mit welchem Team er authentisch welche inhaltlichen Positionen besetzen will. Dabei brauchen wir auch jüngere und unverbrauchte Köpfe, die für einen echten Aufbruch stehen und unsere Ideen für die Zukunft verkörpern.“Einbinden muss Laschet auch die CSU. Wie tief der Frust bei der Schwesterpartei sitzt, zeigte sich am Dienstag. Da retweetete CSU-Generalsekretär Markus Blume einen Aufruf, „auch außerhalb Bayerns Mitglied der CSU“zu werden. 2021 ist ein Superwahljahr mit der Bundestagswahl am 26. September als Höhepunkt. Auf interaktiv.tlz.de/bundestagswahl-2021-umfragen-ergebnissewahlkarte/ finden Sie alle Entwicklungen in den Umfragen und das Wahlverhalten seit der Wiedervereinigung.