Thüringische Landeszeitung (Weimar)
Online-Unterricht ist kein Ausgleich für Präsenzunterricht
Leiter der Musikschule Johann Nepomuk Hummel erhofft Erlaubnis für Einzelunterricht
„Die Musikschule lebt noch“, konstatiert Gernot M. Grohs, Direktor der Weimarer Musikschule Johann Nepomuk Hummel mit bitterem Unterton. Für Schüler sind die Türen noch verschlossen, doch Leitung und Lehrkräfte sind im Einsatz. So werden Videoclips produziert, berichtet Grohs. Weil ein Tag der offenen Tür wegen der Pandemie nicht stattfinden kann, wird Interessierten mit kurzen Videos eine Auswahl der gelehrten Instrumente vorgestellt. Technik und Personalstunden wurden aufgestockt. Denn der OnlineUnterricht ist aufwendig. Rund 85 Prozent des Musikunterrichts werden so erteilt. Möglich wurde das durch 175.000 Euro, welche die Weimarer Musikschule aus dem Fonds der Staatskanzlei für Thüringer Musikschulen erhielt.
Gernot Grohs berichtet zudem von seiner Idee, den Coudraysaal für kleine Vorspiele zu öffnen. Während anderswo 1:1-Konzerte genehmigt wurden, hofft er, kurze 2:2Konzerte veranstalten zu können. Zwei Musiker, zwei Zuhörer. Der Coudraysaal sei groß genug, um die geforderten Abstände einzuhalten. Eine entsprechende Anfrage an das Weimarer Gesundheitsamt sei gestellt.
Unterrichtet werde derzeit mit Ausnahme von Schlagzeug und Gesang in allen Instrumentalfächern per Video. „Für die Lehrkräfte ist es eine ganz andere Herausforderung als bei Präsenzunterricht“, weiß Wolfgang Bernewitz, stellvertretender Schulleiter. Was derzeit natürlich komplett fehle sei das Ensemblespiel. Bernewitz beobachte, dass die Schüler „sehr dankbar sind, dass sie überhaupt etwas machen können“. Im Online-Unterricht machen sie zwar Fortschritte, doch „das kann kein Dauerzustand und kein Ausgleich für Präsenzunterricht sein“. Der habe eine ganz andere Qualität. Auch für Instrumentalanfänger sei Online-Unterricht nicht geeignet.
Gernot M. Grohs versteht nicht, warum Musikschulen anders eingestuft werden als Musikhochschulen und Musikgymnasien. Er macht sich vehement dafür stark, dass Einzelunterricht angeboten werden kann. „80 Prozent unseres Unterricht sind Einzelunterricht“, betont Grohs.
Warum ist den Hochschulen erlaubt, was den Musikschulen versagt wird, fragt er sich und verweist auf ein Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichtes von März. Dort hatte eine Klavierlehrerin mit Erfolg geklagt. Abschließend betonte das Oberverwaltungsgericht, dass die Entscheidung nicht bloß für die im Gerichtsverfahren antragstellende Göttinger Klavierlehrerin gilt, sondern landesweit für den Einzelmusikunterricht.
„Warum ist dort erlaubt, was hier verboten ist“, fragt Grohs sich. „Nach über einem Jahr Corona muss man endlich differenziert hinschauen“, ärgert er sich über Entscheidungen, die seiner Meinung nach am Wohl der Kinder vorbeigehen. „Wir wollen gerne unterrichten, aber wir dürfen nicht“, bedauert Grohs. Er verweist auf die Hygienekonzepte, die an der Weimarer Musikschule ausgearbeitet worden sind.
Eine unerwartete Freude hatten Leitungsteam und Lehrkräfte kürzlich dennoch: „Jemand hat vor der Musikschultür einen Instrumentenkoffer mit einer Bassblockflöte und dem Hinweis: :Zu verschenken’ abgelegt“. Seinen Namen hinterließ er nicht. Ein kostbares Instrument mit wunderbarem Klang, dankt Gernot Grohs dem anonymen Spender von ganzem Herzen.