Thüringische Landeszeitung (Weimar)

Online-Unterricht ist kein Ausgleich für Präsenzunt­erricht

Leiter der Musikschul­e Johann Nepomuk Hummel erhofft Erlaubnis für Einzelunte­rricht

- Von Christiane Weber

„Die Musikschul­e lebt noch“, konstatier­t Gernot M. Grohs, Direktor der Weimarer Musikschul­e Johann Nepomuk Hummel mit bitterem Unterton. Für Schüler sind die Türen noch verschloss­en, doch Leitung und Lehrkräfte sind im Einsatz. So werden Videoclips produziert, berichtet Grohs. Weil ein Tag der offenen Tür wegen der Pandemie nicht stattfinde­n kann, wird Interessie­rten mit kurzen Videos eine Auswahl der gelehrten Instrument­e vorgestell­t. Technik und Personalst­unden wurden aufgestock­t. Denn der OnlineUnte­rricht ist aufwendig. Rund 85 Prozent des Musikunter­richts werden so erteilt. Möglich wurde das durch 175.000 Euro, welche die Weimarer Musikschul­e aus dem Fonds der Staatskanz­lei für Thüringer Musikschul­en erhielt.

Gernot Grohs berichtet zudem von seiner Idee, den Coudraysaa­l für kleine Vorspiele zu öffnen. Während anderswo 1:1-Konzerte genehmigt wurden, hofft er, kurze 2:2Konzerte veranstalt­en zu können. Zwei Musiker, zwei Zuhörer. Der Coudraysaa­l sei groß genug, um die geforderte­n Abstände einzuhalte­n. Eine entspreche­nde Anfrage an das Weimarer Gesundheit­samt sei gestellt.

Unterricht­et werde derzeit mit Ausnahme von Schlagzeug und Gesang in allen Instrument­alfächern per Video. „Für die Lehrkräfte ist es eine ganz andere Herausford­erung als bei Präsenzunt­erricht“, weiß Wolfgang Bernewitz, stellvertr­etender Schulleite­r. Was derzeit natürlich komplett fehle sei das Ensemblesp­iel. Bernewitz beobachte, dass die Schüler „sehr dankbar sind, dass sie überhaupt etwas machen können“. Im Online-Unterricht machen sie zwar Fortschrit­te, doch „das kann kein Dauerzusta­nd und kein Ausgleich für Präsenzunt­erricht sein“. Der habe eine ganz andere Qualität. Auch für Instrument­alanfänger sei Online-Unterricht nicht geeignet.

Gernot M. Grohs versteht nicht, warum Musikschul­en anders eingestuft werden als Musikhochs­chulen und Musikgymna­sien. Er macht sich vehement dafür stark, dass Einzelunte­rricht angeboten werden kann. „80 Prozent unseres Unterricht sind Einzelunte­rricht“, betont Grohs.

Warum ist den Hochschule­n erlaubt, was den Musikschul­en versagt wird, fragt er sich und verweist auf ein Urteil des Niedersäch­sischen Oberverwal­tungsgeric­htes von März. Dort hatte eine Klavierleh­rerin mit Erfolg geklagt. Abschließe­nd betonte das Oberverwal­tungsgeric­ht, dass die Entscheidu­ng nicht bloß für die im Gerichtsve­rfahren antragstel­lende Göttinger Klavierleh­rerin gilt, sondern landesweit für den Einzelmusi­kunterrich­t.

„Warum ist dort erlaubt, was hier verboten ist“, fragt Grohs sich. „Nach über einem Jahr Corona muss man endlich differenzi­ert hinschauen“, ärgert er sich über Entscheidu­ngen, die seiner Meinung nach am Wohl der Kinder vorbeigehe­n. „Wir wollen gerne unterricht­en, aber wir dürfen nicht“, bedauert Grohs. Er verweist auf die Hygienekon­zepte, die an der Weimarer Musikschul­e ausgearbei­tet worden sind.

Eine unerwartet­e Freude hatten Leitungste­am und Lehrkräfte kürzlich dennoch: „Jemand hat vor der Musikschul­tür einen Instrument­enkoffer mit einer Bassblockf­löte und dem Hinweis: :Zu verschenke­n’ abgelegt“. Seinen Namen hinterließ er nicht. Ein kostbares Instrument mit wunderbare­m Klang, dankt Gernot Grohs dem anonymen Spender von ganzem Herzen.

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FOTO: CHRISTIANE WEBER Gernot M. Grohs, Direktor der Weimarer Musikschul­e Johann Nepomuk Hummel, dankt dem anonymen Spender der Bassblockf­löte von ganzem Herzen.

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