Thüringische Landeszeitung (Weimar)
Schulen schließen fast überall
Bundesrat billigt Notbremse
Wird der Inzidenzwert von 165 an drei aufeinanderfolgenden Tagen überschritten, müssen Kindergärten und Schulen ab dem übernächsten Tag schließen. Betroffen ist damit nach aktuellem Stand fast ganz Thüringen mit Ausnahme von Jena, Weimar sowie den Landkreisen Nordhausen, Saale-Holzland und Hildburghausen. Ausnahmen soll es zudem für Abschlussklassen, Förderschulen und auch allgemein für Schüler mit besonderem Förderbedarf geben. Bei einer Inzidenz von 100 bis 165 müssen die Schulen Wechselunterricht anbieten. Der Bundesrat hatte das Infektionsschutzgesetz mit CoronaNotbremse trotz Kritik passieren lassen, das diese Regelungen vorschreibt. Bundespräsident FrankWalter Steinmeier unterzeichnete das Infektionsschutzgesetz, das nach der Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt in Kraft tritt. Sollte das heute der Fall sein, gelten ab Samstag landesweit Ausgangssperren. Wechselunterricht – beziehungsweise das Verbot des Präsenzunterrichts – gilt ab dem übernächsten Tag und würde für Schulen ab Montag greifen.
Der Bundesrat hat das geänderte Infektionsschutzgesetz mit der Corona-Notbremse trotz massiver Kritik gebilligt. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier unterschrieb das Gesetz noch am Donnerstag, kurz darauf wurde es im Bundesgesetzblatt veröffentlich, damit tritt es an diesem Freitag in Kraft. Zuvor hatten alle sechs Ministerpräsidenten, die sich in der Aussprache zu Wort meldeten, erhebliche Bedenken geäußert. Sie erkannten aber wegen der anhaltenden Pandemie den Handlungsbedarf an und wollten das Gesetz daher nicht aufhalten.
Die Ministerpräsidenten sahen durch die Bank verfassungsrechtliche Bedenken – insbesondere wegen der starren Notbremse – und Probleme bei der praktischen Umsetzung. Sie monierten, dass der Bund nicht die Erfahrungen der
Länder in der Pandemiebekämpfung berücksichtigt habe.
Bundesratspräsident Reiner Haseloff (CDU) kritisierte in scharfer Form die Kompetenzverlagerung auf den Bund. „Der heutige Tag ist für mich ein Tiefpunkt in der föderalen Kultur der Bundesrepublik Deutschland“, sagte der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt. Die Länderkammer berate über ein Gesetz, „dessen Entstehung, Ausgestaltung
und Ergebnis unbefriedigend sind“. Der saarländische Regierungschef Tobias Hans (CDU) betonte: „Ob diese Kompetenzverlagerung auf die Bundesebene eine wirkungsvollere Art der Pandemiebekämpfung darstellt, dieser Beweis, der ist noch nicht erbracht. Und der muss erbracht werden.“
Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier bezeichnete die starren Ausgangsbeschränkungen als „verfassungsrechtlich
problematisch“. Er bedauerte, „dass der Bundestag die Chance hat verstreichen lassen, viele Erfahrungen der Länder, die wir aus einem Jahr praktischem Krisenmanagement gesammelt haben, mehr und intensiver aufzunehmen“. Das hätte die Akzeptanz in der Bevölkerung deutlich erhöhen können. Zudem stelle sich die Frage, wie zum Beispiel die vorgesehenen Schulschließungen ab einer Inzidenz von 165 umgesetzt werden sollten, sagte Bouffier.
In dieselbe Kerbe schlug auch die Vorsitzende der Linken, Janine Wissler. „Die Idee, Schulen jetzt bis zu einer Inzidenz von 165 offen zu halten, kann nur bedeuten, dass die Pandemie sich weiterhin völlig unkontrolliert ausbreitet“, sagte Wissler unserer Redaktion. „Stattdessen werden Lehrende und Lernende einem gesundheitlichen Risiko ausgesetzt“, kritisierte die Linken-Chefin. Sie fordert deshalb eine schnellere Impfung von Beschäftigten an Schulen und Kitas und die flächendeckende Ausstattung von Schulen mit Luftfiltern.
Die Notbremse greift, wenn in einem Landkreis oder einer Stadt die Zahl der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen an drei Tagen hintereinander über 100 liegt. Dann dürfen Menschen ab 22 Uhr die eigene Wohnung nur noch verlassen, um allein spazieren zu gehen oder zu joggen – bis spätestens Mitternacht. Es darf sich höchstens noch ein Haushalt mit einer weiteren Person treffen, wobei Kinder bis 14 Jahren ausgenommen sind. Läden dürfen nur noch für Kunden öffnen, die einen aktuellen negativen Corona-Test vorlegen können und einen Termin gebucht haben.