Thüringische Landeszeitung (Weimar)
Die Herzen berühren lassen
Kennen Sie das? Der Schreck, der in die Glieder fährt, wenn wir feststellen: Der Geldbeutel ist weg. Schnell wird jede Tasche durchwühlt. Erst einmal, dann noch einmal. Er muss doch hier irgendwo sein. Noch einmal wird der ganze Rucksack auf den Kopf gestellt. Habe ich wirklich überall nachgesehen?
Mit dem Puls steigt die Panik. Die Gedanken schießen durch den Kopf: Wo habe ich den Geldbeutel das letzte Mal genutzt? Was ist jetzt zuerst zu tun? Oder doch noch einmal alles durchsuchen?
Immer wieder sind wir im Leben auf der Suche. Nicht nur nach dem Geldbeutel, dem Schlüssel oder dem Telefon. Dies lässt sich am Ende oft schnell wiederfinden oder unkompliziert ersetzen. Die Suche nach dem guten Leben ist da schon etwas anspruchsvoller. Die Suche nach dem kleinen Glück, nach der Liebe, nach einer Heimat. Auf der Suche danach, wie wir als Gesellschaft gut wieder aus dem
Lockdown herauskommen und das kräftezehrende zurückliegende Jahr verarbeiten können. Wie wir Gräben überwinden, die jetzt schon zu erkennen sind und die uns auch weiterhin beschäftigen werden. Das sind große Aufgaben.
Panik hilft da nicht weiter. Schon eher die Einsicht und das Vertrauen, dass es Dinge im Leben gibt, die nicht in unserer Hand liegen. Gott sei Dank! Keiner kann und muss für seine Gesundheit allein sorgen. Liebe lässt sich nicht erzwingen. Glück können wir nicht machen. So sehr wir auch suchen, wir müssen uns auch finden lassen. Finden lassen von anderen Menschen, finden lassen von Gott. Denn der ist auch auf der Suche: Nach uns. Bleiben wir offen, neben all dem Suchen in unserem Leben uns auch immer wieder finden und die Herzen berühren zu lassen.
Ramón Seliger ist Pfarrer der Diakonie und Pfarrer an der Stadtkirche St. Peter und Paul (Herderkirche) in Weimar.