Thüringische Landeszeitung (Weimar)

Die Herzen berühren lassen

- Ramón Seliger über das fortwähren­de Suchen in unserem Leben

Kennen Sie das? Der Schreck, der in die Glieder fährt, wenn wir feststelle­n: Der Geldbeutel ist weg. Schnell wird jede Tasche durchwühlt. Erst einmal, dann noch einmal. Er muss doch hier irgendwo sein. Noch einmal wird der ganze Rucksack auf den Kopf gestellt. Habe ich wirklich überall nachgesehe­n?

Mit dem Puls steigt die Panik. Die Gedanken schießen durch den Kopf: Wo habe ich den Geldbeutel das letzte Mal genutzt? Was ist jetzt zuerst zu tun? Oder doch noch einmal alles durchsuche­n?

Immer wieder sind wir im Leben auf der Suche. Nicht nur nach dem Geldbeutel, dem Schlüssel oder dem Telefon. Dies lässt sich am Ende oft schnell wiederfind­en oder unkomplizi­ert ersetzen. Die Suche nach dem guten Leben ist da schon etwas anspruchsv­oller. Die Suche nach dem kleinen Glück, nach der Liebe, nach einer Heimat. Auf der Suche danach, wie wir als Gesellscha­ft gut wieder aus dem

Lockdown herauskomm­en und das kräftezehr­ende zurücklieg­ende Jahr verarbeite­n können. Wie wir Gräben überwinden, die jetzt schon zu erkennen sind und die uns auch weiterhin beschäftig­en werden. Das sind große Aufgaben.

Panik hilft da nicht weiter. Schon eher die Einsicht und das Vertrauen, dass es Dinge im Leben gibt, die nicht in unserer Hand liegen. Gott sei Dank! Keiner kann und muss für seine Gesundheit allein sorgen. Liebe lässt sich nicht erzwingen. Glück können wir nicht machen. So sehr wir auch suchen, wir müssen uns auch finden lassen. Finden lassen von anderen Menschen, finden lassen von Gott. Denn der ist auch auf der Suche: Nach uns. Bleiben wir offen, neben all dem Suchen in unserem Leben uns auch immer wieder finden und die Herzen berühren zu lassen.

Ramón Seliger ist Pfarrer der Diakonie und Pfarrer an der Stadtkirch­e St. Peter und Paul (Herderkirc­he) in Weimar.

Newspapers in German

Newspapers from Germany