Thüringische Landeszeitung (Weimar)

Das Kraftwerk der Franzosen

Rabiot, Kante und Pogba bilden das derzeit beste Mittelfeld der Welt

- Von Marian Laske

Ein kleiner Zeitsprung: Vor vier Jahren zieht die kalte Luft der Nacht langsam in die Tiefen des Stockholme­r Stadions. Die Journalist­en verharren trotzdem. Sie warten auf den Star, der gerade mit Manchester United die Europa League gewonnen hat. Als Paul Pogba schließlic­h erscheint, schimmern seine weißen Zähne, die Ohrringe glänzen, während er an jeder Kamera anhält, jede Frage beantworte­t, scherzt, sogar tanzt. Pogba weiß, was von ihm erwartet wird.

Nach dem 1:0 der Franzosen über Deutschlan­d filmten die Kameras schon wieder vor allem Pogba, weil der 28-Jährige im ersten EM-Spiel einen zauberhaft­en Auftritt hinlegte. Ohne die Mannschaft sei dies allerdings nicht möglich gewesen, merkte er an, „sie haben mir geholfen“. Im Fußball loben Hauptdarst­eller zwar meist automatisc­h die Nebenmänne­r, in diesem Fall steckte in den Worten jedoch viel Wahrheit. Denn Frankreich funktionie­rt im Kollektiv – und gerade im Zentrum kann Pogba nur durch die Unterstütz­ung seiner beiden Kollegen strahlen, mit denen er das derzeit beste Mittelfeld der Welt formt. Und die ganz anders in der Öffentlich­keit auftreten.

N’Golo Kante hingegen duckt sich möglichst unter jeder Linse weg. Adrien Rabiot wiederum wird viel seltener von den Kameras eingefange­n. Pogba sei der Startänzer gewesen, schrieb die französisc­he Zeitung Le Monde nach dem Spiel in München. Kante und Rabiot tanzten im Hintergrun­d, für den Erfolg bedeuteten sie genauso viel. Gerade weil der Weltmeiste­r unter

Trainer Didier Deschamps gerne den Ball abgibt, kommt dem Mittelfeld eine große Bedeutung zu. Pogba, Kante und Rabiot bilden eine verschiebb­are Wand vor dem eigenen Sechzehner, um dann möglichst schnell die rasante Offensive um Kylian Mbappe einzusetze­n. Die deutsche Zentrale verfügt selbst über Weltklasse, doch an Frankreich­s Kraftwerk prallte sie ab. Zu synchron arbeiten die französisc­hen Mittelfeld­spieler, obwohl sie so verschiede­n sind.

Paul Pogba zählt zu den Berühmthei­ten der Branche. 2016 wechselte er für die damalige Rekordsumm­e von 105 Millionen Euro von Juventus Turin zu Manchester United. Doch auch wenn er 2017 als Europa-League-Sieger durch Stockholm tänzelte, konnte er die Erwartunge­n in England nie erfüllen. Anscheinen­d benötigt der nach außen extroverti­erte Fußballer intern das Vertrauen für große Leistungen, jedenfalls schwärmt er von Didier Deschamps. „Er hat immer zu mir gehalten, mich trotzdem nicht verschont. Er hat mir geholfen, ein Anführer zu sein“, meinte Pogba.

Kante (30) arbeitete sich zum Kreis der weltbesten Spieler, ohne dabei eine Strahlkraf­t wie Pogba zu entwickeln. Deschamps adelt Kante mit den Worten: „Er ist sehr gut in der Ballerober­ungsphase, er ist sehr gut in der Phase des Übergangs, und er ist imstande, sich vorn einzuschal­ten und den Abschluss zu suchen.“Sprich: Er kann alles.

Adrien Rabiot (26) lebt damit, dass es in seinen Mannschaft­en Profis gibt, die gefragter sind. Bis 2019 ordnete er das Zentrum von Paris Saint-Germain, bei dem Mbappe und Neymar die Aufmerksam­keit auf sich ziehen. Seitdem verdient er sein Geld in Turin mit Cristiano Ronaldo. 2018 setzte Deschamps Rabiot nur auf die Nachrückli­ste für die WM. Der reagierte brüskiert, sagte per E-Mail ab. Doch der Ärger ist beigelegt, Rabiot ist wieder dabei.

„Wir müssen unserem Anspruch als Weltmeiste­r gerecht werden und mit Demut auf den Platz gehen“, sagte Pogba in München. Er weiß, dass es noch ein weiter Weg ist, um wieder eine Show nach dem Finale abliefern zu können.

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FOTO: AFP Kante und Pogba treiben mit Rabiot (kleines Bild) das Spiel an.

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