Thüringische Landeszeitung (Weimar)
Protz-Prediger am Pranger
Sie tragen Designerjacken, edle Mäntel und Luxusschuhe, während sie von Jesus predigen: Ben Kirby, Christ aus den USA, stellt pompöse Pastoren bloß
Die Fernsehpredigerin Paula White weiß, wie sie ihre Botschaften zu Geld macht. Die Evangelikale aus Florida hat seinerzeit für ihr erklärtes Idol Donald Trump gebetet, verdingt sich nebenbei als Motivationstrainerin und hat es so auf ein geschätztes Vermögen von mehreren Millionen US-Dollar gebracht. Mit ihrem Reichtum bietet die 55-Jährige eine derart große Angriffsfläche, dass Ben Kirby sie seine „Goldmine“nennt.
Der gläubige Protestant aus Dallas befindet sich auf einer Art Kreuzzug gegen Protz-Prediger wie White. Gegen Geistliche, die in der Kirche teure Designerkleidung tragen und von ihren Gemeindemitglieder dennoch Spenden einfordern. „Ich frage mich, ob es okay ist, mit Predigten über Jesus reich zu werden“, so Kirby (31). Also prangert er auf Instagram und in einem jüngst in den USA erschienenen Buch den Hang vieler US-Pastoren zur Luxusmode an. „Preachers ’n’ Sneakers“heißt sein Projekt, also so viel wie „Prediger in Turnschuhen“. Kirby postet Fotos von Geistlichen und ihrer Mode, dazu die Preise ihrer Outfits. Am Anfang, sagt der Vater eines kleinen Sohnes, habe er sich über die modischen Exzesse vor allem lustig gemacht. Über die Gucci-Jacken und Krokodilleder-Gürtel für Tausende Dollar, die vom bizarren US-Rapper Kanye West (44) entworfenen Yeezy-Sneaker und die Louis-Vuitton-Pullover. Mittlerweile macht Kirby jedoch Ernst: Die „Kommerzialisierung des Glaubens“geht ihm gehörig gegen den Strich.
Paula White hat damit offenkundig kein Problem. Bei TV-Auftritten trägt sie gerne mit Silbersternen verzierte
Ben Kirby
Turnschuhe der britischen Designerin Stella McCartney (49), die laut Kirby umgerechnet etwa 700 Euro kosten. Und sie predigt das selbst unter Evangelikalen umstrittene Wohlstandsevangelium, wonach Vermögen und Erfolg der sichtbare Beweis für die Gunst Gottes seien.
Kirby betont, dass er nichts gegen teure Schuhe an sich habe. Doch solches Verhalten mache Christen lächerlich, findet er. In den USA, schreibt er in seinem Buch, gebe es den merkwürdigen Trend, dass sich immer mehr Geistliche geben wie Möchtegern-Popstars, um junge Leute in die Kirchen zu locken. Sie tragen überdimensionierte Brillen, Rolex-Uhren und enge Jeans, als gingen sie auf ein Hip-Hop-Konzert und nicht auf die Kanzel. Doch in ihrem Bemühen, cool zu wirken, komme die christliche Botschaft zu kurz, kritisiert Kirby. „Jesus ging es nie um schöne Kleidung.“
Wer sich auf Instagram durch die Beweisfotos wischt, versteht sein Unbehagen. Auf deutsche Christen wirken die Bilder besonders befremdlich. Zwar gab es verschwendungssüchtige Kirchenleute – erinnert sei an den früheren Limburger Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst (61), der seine Residenz für mehr als 30 Millionen Euro umbauen ließ. Aber so extravagant wie in amerikanischen Freikirchen kann man sich deutsche Geistliche kaum vorstellen.
Ben Kirby glaubt, dass der Aufstieg der sozialen Netzwerke das Berufsverständnis von US-Pastoren verändert habe. Sie ließen sich von Prominenten wie Justin Bieber (27) als private Seelsorger anheuern und verdienten mehrere Hunderttausend Dollar im Jahr. „Geistliche machen mit dem Glauben Profit“, beklagt er. Für seine Instagram-Aktion sei er von Geistlichen angefeindet worden. Doch das nehme er hin, denn viele Gläubige hätten ihm versichert, ihre spirituellen Vordenker nun zu hinterfragen. „Dass Menschen ohne diese Typen in teuren Sneakern nicht in den Himmel kommen, ist doch Quatsch.“
Nur von Paula White, der TrumpVertrauten, erwartet er weitere Auftritte in schriller Garderobe. Sie bleibt seine Goldmine.