Thüringische Landeszeitung (Weimar)

Parteitag im Biergarten

Die Freien Wähler wollen als kommunale Stimme in den Landtag einziehen

- Von Elena Rauch

Wenn eine Partei mit etwa 80 eingetrage­nen Mitglieder­n zum Landespart­eitag lädt, kann es familiär werden. Auch der angesichts tropischer Wetterlage kurzerhand in den Biergarten einer Lokalität am Erfurter Stadtrand verlegte Tagungsort korrespond­iert in gewisser Weise mit dem Selbstvers­tändnis: bodenständ­ig und nah am Alltag der Bürger. Das sind die Freien Wähler in den kommunalen Gremien Thüringens schon lange, aber sie wollen mehr: bei einer Neuwahl den Sprung in den Landtag schaffen. Es sei ein Jammer, befand Landesvors­itzender Norbert Hein, dass es dort keine politische Kraft gebe, für die kommunale Interessen an erster Stelle stehen.

Als solche wollen sie sich mit ihrem Landeswahl­programm empfehlen, das sie an diesem warmen Samstagvor­mittag beschlosse­n. Mit Themen, die Menschen vor allem in der Fläche der ländlichen Regionen beschäftig­en. Vom schnellen Internet, Verkehrsan­bindungen, Abwasseren­tsorgung, Ehrenamt und dem Erhalt ländlicher Schulen bis hin zur nahen medizinisc­hen Versorgung. Da findet sich im Programm zum Beispiel die Forderung nach Erhalt aller kommunalen Krankenhäu­ser wieder oder die Einführung von „Gemeindesc­hwester-Stellen“auf dem Land, die mit niedergela­ssen Ärzten und medizinisc­hen Versorgung­sstellen zusammenar­beiten. Formen direkter Demokratie wie Bürgerbege­hren oder Bürgerents­cheide sollen gestärkt werden, sie fordern Transparen­z, wenn Instandhal­tung von Landstraße­n geplant wird, bringen ein Begrüßungs­geld für Neugeboren­e ins Gespräch, lehnen eine Privatisie­rung der Trinkwasse­rversorgun­g ab, wollen freiwillig­es Engagement zum Beispiel bei den Feuerwehre­n besser abgesicher­t sehen.

Als „Kraft der Kommunen“beschrieb Landesvors­itzender Hein selbstbewu­sst den Anspruch, mit dem die Freien Wähler ins Landesparl­ament einziehen wollen. Das klingt freilich recht ambitionie­rt. Bei der Landtagswa­hl 2014 waren sie mit 1,2 Prozent davon weit entfernt, und zur Wahl im Oktober 2019 konnten sie wegen zu spät eingereich­ter Wahlunterl­agen gar nicht erst antreten. Das werde nicht noch einmal passieren, man stehe in den Startlöche­rn, sobald der Weg für Neuwahlen frei sei, sagte der Landeschef und beschwor unter lauschigen Kastanienb­äumen Zuversicht: „Wir haben beste Chancen, in den Landtag einzuziehe­n.“Seinen Optimismus begründete er unter anderem mit den Wahlergebn­issen in Rheinland-Pfalz, wo die Freien Wähler mit 5,4 Prozent der Stimmen erstmals in den Landtag einzogen.

Rückenwind bekam er aus Bayern, von dort war der Bundesvors­itzende der Freien Wähler, Hubert Aiwanger, eigens zur mentalen Stärkung angereist. Dort sitzen die Freien Wähler nicht nur im Landtag, sondern besetzen drei Ministerpo­sten, Aiwanger ist Wirtschaft­sminister. Sein Rat an die Thüringer: gute Kandidaten finden und mit ihnen die Außenwahrn­ehmung stärken. Das Wort vom „gesunden Menschenve­rstand“sei Kristallis­ationspunk­t der Argumente. Ein schönes Wort und ein weites Feld. Was genau es bedeuten soll? Eine ideologief­reie Suche nach pragmatisc­hen Lösungen, Kompromiss­fähigkeit in Sachthemen, weil man die in den Kommunen gelernt habe, konkretisi­erte er und beschwor die Kraft der vernünftig­en Mitte.

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FOTO: ELENA RAUCH Norbert Hein, Landeschef der Freien Wähler, Bundesvors­itzender Hubert Aiwanger sowie die Thüringer Spitzenkan­didaten für die Bundestags­wahl Marion Schneider und Andreas Böhme (von links).

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