Thüringische Landeszeitung (Weimar)
Bye, bye Homeoffice
Zum 30. Juni endet die Pflicht zur Arbeit von zu Hause. Was Beschäftigte jetzt wissen müssen
Mit dem Sommer kehrt die Normalität in großen Schritten zurück: Erstmals seit September sank am vergangenen Wochenende die Sieben-Tage-Inzidenz im bundesweiten Schnitt auf unter zehn Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner. Vieles, was vor wenigen Wochen noch undenkbar schien, ist zurückgekehrt. Die Biergärten sind voll, zur Fußball-Europameisterschaft gibt es erste Public-ViewingVeranstaltungen, Konzerte und Theatervorstellungen sind zurück.
„Die Homeoffice-Regelungen hätten verlängert werden müssen.“Vorstandsmitglied des Deutschen Gewerkschaftsbundes
Nicht nur in der Freizeit ist die Normalität spürbar. Für viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer steht die Rückkehr ins Büro bevor. In eineinhalb Wochen ist die Homeoffice-Pflicht passé. Dann läuft die sogenannte Bundesnotbremse aus, die Ergänzung des Infektionsschutzgesetzes. Sie verpflichtete Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, ihren Beschäftigten die Arbeit von zu Hause zu ermöglichen – Beschäftigte mussten dieses Angebot auch annehmen. Unsere Redaktion beantwortet die wichtigsten Fragen:
Müssen Beschäftigte ab dem 1. Juli zurück ins Büro?
Die Bundesnotbremse mit ihren deutschlandweit einheitlichen Regelungen gilt ab einer Inzidenz von 100 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner. Die Homeoffice-Pflicht ist davon aber nach Angaben einer Sprecherin aus dem Bundesarbeitsministerium losgelöst – sie gilt unabhängig von der jeweiligen Inzidenz bis zum 30. Juni. Noch eineinhalb Wochen lang müssen Arbeitgeber es ihren Beschäftigten also ermöglichen, weiterhin von zu Hause zu arbeiten – sofern es ihre Arbeit zulässt, sie also beispielsweise nicht in der Produktion, Pflege oder ähnlichen Berufen tätig sind, die Präsenz am Arbeitsplatz erfordern.
Zum 1. Juli gilt die Pflicht nicht mehr. Ob Beschäftigte zurück ins Büro müssen, hängt dann auch vom individuellen Arbeitsvertrag ab, sagt Kaja Keller, Fachanwältin für Arbeitsrecht bei der Berliner Rechtsanwaltskanzlei Gansel. „Viele haben eine feste Betriebsstätte im Arbeitsvertrag vereinbart. Ist das der Fall, darf der Arbeitgeber die Rückkehr ins Büro anordnen“, sagt Keller. Wer dagegen eine Vereinbarung über mobile Arbeit geschlossen hat, die über die pandemische Lage hinausgeht, müsse nicht ins Büro. Viele Firmen prüfen derzeit neue Regelungen für die mobile Arbeit.
Welche Sicherheitsvorschriften gelten im Büro?
Unabhängig von der auslaufenden Bundesnotbremse verhandelt die Bundesregierung derzeit über die Verlängerung der sogenannten Corona-Arbeitsschutzverordnung, die ebenfalls zum 30. Juni ausläuft. Sie regelt beispielsweise den Mindestabstand von 1,50 Metern zu Kolleginnen und Kollegen am Arbeitsplatz. Pro Person müssen nach aktueller Regelung zudem zehn Quadratmeter zur Verfügung stehen, Betriebe
müssen Arbeitsgruppen bilden und ihren Beschäftigten mindestens zweimal pro Woche einen Corona-Test anbieten.
Am kommenden Mittwoch wird das Bundeskabinett über eine Verlängerung der Arbeitsschutzverordnung beraten. Geplant ist, dass das verpflichtende Testangebot sowie die Abstands- und Maskenregeln verlängert werden, bei den Quadratmeterbegrenzungen soll es Lockerungen geben. Laut Arbeitsrechtlerin Keller gilt: „Können die Schutzmaßnahmen im Büro nicht eingehalten werden, dann muss es dem Mitarbeiter ermöglicht werden, weiter in einer sicheren Umgebung arbeiten zu können.“
Dürfen Beschäftigte auch dann zurück ins Büro, wenn der Arbeitgeber weiter Homeoffice anordnet?
Beschäftigte müssen der Weisung ihres Arbeitgebers nachkommen – dies gilt auch, wenn der Arbeitgeber ihnen aufträgt, weiter von zu Hause zu arbeiten. Allerdings gibt es ein Schlupfloch, erklärt Rechtsanwältin
Keller: „Wenn konkret im Arbeitsvertrag steht, dass das Betriebsgebäude das Bürogebäude ist und dort die notwendigen Sicherheitsmaßnahmen erfüllt werden können, dann muss der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer begründen können, warum eine Rückkehr nicht möglich ist.“
Was gilt für den Anfahrtsweg?
Die Technische Universität Berlin und die Berliner Charité kamen im März in einer Studie zu dem Schluss, dass die Fahrt mit Bus, UBahn und Tram sicher sei. Trotzdem sehen es viele Arbeitgeber derzeit lieber, wenn ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit dem Auto oder dem Fahrrad zum Arbeitsplatz kommen. Bestimmen könne der Arbeitgeber die Art, wie man zum Arbeitsplatz komme, nicht, sagt Arbeitsrechtlerin Keller. Er könne aber Empfehlungen abgeben. Formuliere der Arbeitgeber eine direkte Dienstanweisung, den öffentlichen Personennahverkehr zu meiden, dann müsse er über eine Kompensation
nachdenken, sagt Keller – etwa die Übernahme der Parkplatzkosten oder der Leihgebühr für Mietfahrräder.
Warum wird die Homeoffice-Pflicht nicht verlängert?
„Die Pflicht, Homeoffice anzubieten oder zu nutzen, ist im Sommer in dieser Schärfe nicht mehr aufrechtzuerhalten“, sagte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) unserer Redaktion. Kritik kommt vom Deutschen Gewerkschaftsbund. „Noch sind wir nicht durch mit der Pandemie und es ist erwiesen, dass das Infektionsrisiko in geschlossenen Räumen deutlich höher ist“, sagte DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel.
Erleichtert reagieren dagegen die Arbeitgeber. „Die deutsche Wirtschaft begrüßt das Auslaufen der Verordnung zum Homeoffice, da dieser bürokratische Aktionismus ein überflüssiges Einmischen der Politik war“, sagte Steffen Kampeter, Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Arbeitgeber.