Thüringische Landeszeitung (Weimar)

Wellbrock holt Schwimmer-Gold

Silber im Kajak-Zweier. Andere Hoffnungen auf Medaillen sind geplatzt

- Von Andreas Berten

Vier Tage nach Bronze im Becken hat Doppel-Weltmeiste­r Florian Wellbrock im Freiwasser Olympia-Gold gewonnen. Im Zehn-Kilometer-Rennen im Odaiba Marine Park kam der 23-Jährige aus Magdeburg mit deutlichem Vorsprung ins Ziel.

Im Kajak-Zweier landeten die Kanuten Max Hoff und Youngster Jacob Schopf über 1000 Meter auf Rang zwei hinter der Konkurrenz aus Australien.

Die Medaillens­erie der deutschen Hockey-Männer riss hingegen. Sie verloren das Spiel um Platz drei gegen Indien mit 4:5. Die deutschen Tischtenni­s-Frauen verpassten ebenfalls die erhoffte Medaille im Teamwettbe­werb. Sie unterlagen Hongkong mit 1:3.

Große Enttäuschu­ng auch bei den Bahnradfah­rern: DreifachWe­ltmeisteri­n Emma Hinze kam im Keirin nur auf Platz sieben. Roger Kluge war bei seinem neunten Platz im Omnium ohne Chance.

Der Odaiba Marine Park steht dafür, wie sich das deutsche Team die Spiele vorgestell­t hat. Von hier aus hat man über die auf einem Ponton schwimmend­en fünf Ringe einen wunderbare­n Blick auf die Regenbogen­brücke, dahinter schießen Hochhäuser wie Pilze aus dem Boden. In der Bucht von Tokio sollte in einem Einkaufsze­ntrum namens Aquatic City das Deutsche Haus untergebra­cht sein. Medailleng­ewinner wären dann auf Würdenträg­er und Gönner des Sports getroffen, hätten diese Spiele nur unter normalen Bedingunge­n stattfinde­n können. Und nun schreibt Vorzeigesc­hwimmer Florian Wellbrock an dieser Hafenprome­nade eine der schönsten schwarzrot­goldenen Geschichte­n dieser Spiele.

Die Sonne ist keineswegs nachgiebig, nur weil eine Hupe bereits um 6.30 Uhr in der Frühe das 10-Kilometer-Rennen in der Tokio Bay freigibt. Gut Eindreivie­rtelstunde­n später klettert Wellbrock aus dem aufgewühlt­en Wasser. Er lässt sich auf den blauen Teppich fallen, ein Betreuer legt ihm ein nasses Handtuch über den Kopf. Der 23-Jährige japst nach Luft, nach zehn Kilometern im 29,2 Grad warmen Wasser. Er spannt seine Oberarmmus­keln an, das passt zur ersten Goldmedail­le für den Deutschen Schwimm-Verband seit 13 Jahren: „Das ist mein Sommermärc­hen“, sagt er.

Seinen Triumph zeichnen Erlösung nach einer Vergangenh­eitsbewält­igung und Einmaligke­it ob des Rennausgan­gs zugleich aus. Britta Steffen hatte 2008 in Peking zuletzt ganz oben auf dem Siegertrep­pchen gestanden; noch weiter muss man in der Liste deutscher Olympiasie­ger zurückgehe­n, das waren vor gar 33 Jahren in Seoul „Albatros“Michael Groß für die Bundesrepu­blik und Uwe Daßler für die DDR. Wellbrock, der bereits Bronze über 1500 Meter Freistil gewonnen hatte, holte nun das erste Freiwasser-Gold seit der Aufnahme der Wettbewerb­e ins olympische Programm 2008. „Eine Medaille im Becken und im Freiwasser zu gewinnen, ist eine ganz andere Liga und spricht für sein Ausnahmeta­lent“, sagt Paul Biedermann, der Weltrekord­halter über 200 und 400 Meter Freistil. Auch Franziska van Almsick ist hin und weg: „Es ist vor allem seine mentale Stärke, die mich begeistert“, erklärt die 43-Jährige.

Von Rennen zu Rennen steigerte sich Wellbrock. Über 800 und 1500 Meter war er jeweils bis zur letzten Wende auf Goldkurs, holte dann nur über die längere Distanz Bronze: „Ich habe es zwar nicht öffentlich gesagt, aber wenn man als Weltmeiste­r zu den Spielen reist, will man auch gewinnen.“Das macht Wellbrock, der in Magdeburg unter Bundestrai­ner Bernd Berkhahn zu einem Weltklasse­athleten reifte, sofort klar: Die sieben Runden zu je 1,43 Kilometer werden für ihn zum Start-Ziel-Sieg. Um mit dem Deutschen mitzuhalte­n, lässt der Franzose Marc-Antoine Olivier sogar die erste Versorgung­sstation aus. Wellbrock erstaunt: „Ich bin in der ersten Runde um die Boje, habe mich umgeschaut und dachte: Jungs, wollt ihr keinen Wettkampf heute? Ich glaube, viele waren von der Wassertemp­eratur eingeschüc­htert.“

Die Machtdemon­stration geht weiter. Der Führende erwehrt sich Angriffen der Verfolger, mit langen Armzügen kontrollie­rt er das Feld. Auch der beste Endspurt ist Wellbrock sicher: Er siegt in 1:48:33,7 Minuten vor Kristof Rasovszky (Ungarn/1:48:59,0) und Gregorio Paltrinier­i (1:49:01,1) aus Italien.

Nun haben sich doch noch alle Strapazen ausgezahlt. „Wenn ich sehe, dass ich von Rennen zu Rennen stärker geworden bin, gibt das viel Motivation für die Zukunft.“Erster Olympiasie­ger im Becken und Freiwasser kann Florian Wellbrock ja noch 2024 in Paris werden.

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FOTO: OLIVER WEIKEN / DPA Mit Florian Wellbrock gewinnt 13 Jahre nach dem Doppel-Gold von Britta Steffen und 33 Jahre nach dem Olympia-Coup von Michael Groß wieder ein deutscher Schwimmer eine Goldmedail­le.
 ?? FOTO: JAN WOITAS / DPA ?? Sie freuen sich über Silber: Max Hoff (links) und Jacob Schopf fehlten im Kajak-Zweier nur wenige Zentimeter zum Sieg.
FOTO: JAN WOITAS / DPA Sie freuen sich über Silber: Max Hoff (links) und Jacob Schopf fehlten im Kajak-Zweier nur wenige Zentimeter zum Sieg.
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FOTO: AL BELLO / GETTY IMAGES Florian Wellbrock schwimmt in der Bucht von Tokio der Konkurrenz weit voraus und siegt mit 25 Sekunden Vorsprung.
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FOTO: DPA Gold: Florian Wellbrock

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