Thüringische Landeszeitung (Weimar)
Wellbrock holt Schwimmer-Gold
Silber im Kajak-Zweier. Andere Hoffnungen auf Medaillen sind geplatzt
Vier Tage nach Bronze im Becken hat Doppel-Weltmeister Florian Wellbrock im Freiwasser Olympia-Gold gewonnen. Im Zehn-Kilometer-Rennen im Odaiba Marine Park kam der 23-Jährige aus Magdeburg mit deutlichem Vorsprung ins Ziel.
Im Kajak-Zweier landeten die Kanuten Max Hoff und Youngster Jacob Schopf über 1000 Meter auf Rang zwei hinter der Konkurrenz aus Australien.
Die Medaillenserie der deutschen Hockey-Männer riss hingegen. Sie verloren das Spiel um Platz drei gegen Indien mit 4:5. Die deutschen Tischtennis-Frauen verpassten ebenfalls die erhoffte Medaille im Teamwettbewerb. Sie unterlagen Hongkong mit 1:3.
Große Enttäuschung auch bei den Bahnradfahrern: DreifachWeltmeisterin Emma Hinze kam im Keirin nur auf Platz sieben. Roger Kluge war bei seinem neunten Platz im Omnium ohne Chance.
Der Odaiba Marine Park steht dafür, wie sich das deutsche Team die Spiele vorgestellt hat. Von hier aus hat man über die auf einem Ponton schwimmenden fünf Ringe einen wunderbaren Blick auf die Regenbogenbrücke, dahinter schießen Hochhäuser wie Pilze aus dem Boden. In der Bucht von Tokio sollte in einem Einkaufszentrum namens Aquatic City das Deutsche Haus untergebracht sein. Medaillengewinner wären dann auf Würdenträger und Gönner des Sports getroffen, hätten diese Spiele nur unter normalen Bedingungen stattfinden können. Und nun schreibt Vorzeigeschwimmer Florian Wellbrock an dieser Hafenpromenade eine der schönsten schwarzrotgoldenen Geschichten dieser Spiele.
Die Sonne ist keineswegs nachgiebig, nur weil eine Hupe bereits um 6.30 Uhr in der Frühe das 10-Kilometer-Rennen in der Tokio Bay freigibt. Gut Eindreiviertelstunden später klettert Wellbrock aus dem aufgewühlten Wasser. Er lässt sich auf den blauen Teppich fallen, ein Betreuer legt ihm ein nasses Handtuch über den Kopf. Der 23-Jährige japst nach Luft, nach zehn Kilometern im 29,2 Grad warmen Wasser. Er spannt seine Oberarmmuskeln an, das passt zur ersten Goldmedaille für den Deutschen Schwimm-Verband seit 13 Jahren: „Das ist mein Sommermärchen“, sagt er.
Seinen Triumph zeichnen Erlösung nach einer Vergangenheitsbewältigung und Einmaligkeit ob des Rennausgangs zugleich aus. Britta Steffen hatte 2008 in Peking zuletzt ganz oben auf dem Siegertreppchen gestanden; noch weiter muss man in der Liste deutscher Olympiasieger zurückgehen, das waren vor gar 33 Jahren in Seoul „Albatros“Michael Groß für die Bundesrepublik und Uwe Daßler für die DDR. Wellbrock, der bereits Bronze über 1500 Meter Freistil gewonnen hatte, holte nun das erste Freiwasser-Gold seit der Aufnahme der Wettbewerbe ins olympische Programm 2008. „Eine Medaille im Becken und im Freiwasser zu gewinnen, ist eine ganz andere Liga und spricht für sein Ausnahmetalent“, sagt Paul Biedermann, der Weltrekordhalter über 200 und 400 Meter Freistil. Auch Franziska van Almsick ist hin und weg: „Es ist vor allem seine mentale Stärke, die mich begeistert“, erklärt die 43-Jährige.
Von Rennen zu Rennen steigerte sich Wellbrock. Über 800 und 1500 Meter war er jeweils bis zur letzten Wende auf Goldkurs, holte dann nur über die längere Distanz Bronze: „Ich habe es zwar nicht öffentlich gesagt, aber wenn man als Weltmeister zu den Spielen reist, will man auch gewinnen.“Das macht Wellbrock, der in Magdeburg unter Bundestrainer Bernd Berkhahn zu einem Weltklasseathleten reifte, sofort klar: Die sieben Runden zu je 1,43 Kilometer werden für ihn zum Start-Ziel-Sieg. Um mit dem Deutschen mitzuhalten, lässt der Franzose Marc-Antoine Olivier sogar die erste Versorgungsstation aus. Wellbrock erstaunt: „Ich bin in der ersten Runde um die Boje, habe mich umgeschaut und dachte: Jungs, wollt ihr keinen Wettkampf heute? Ich glaube, viele waren von der Wassertemperatur eingeschüchtert.“
Die Machtdemonstration geht weiter. Der Führende erwehrt sich Angriffen der Verfolger, mit langen Armzügen kontrolliert er das Feld. Auch der beste Endspurt ist Wellbrock sicher: Er siegt in 1:48:33,7 Minuten vor Kristof Rasovszky (Ungarn/1:48:59,0) und Gregorio Paltrinieri (1:49:01,1) aus Italien.
Nun haben sich doch noch alle Strapazen ausgezahlt. „Wenn ich sehe, dass ich von Rennen zu Rennen stärker geworden bin, gibt das viel Motivation für die Zukunft.“Erster Olympiasieger im Becken und Freiwasser kann Florian Wellbrock ja noch 2024 in Paris werden.