Thüringische Landeszeitung (Weimar)

Rundfunkbe­itrag steigt

Bundesverf­assungsger­icht ordnet Erhöhung an. Landesregi­erung zufrieden

- Von Martin Debes

Der monatliche Rundfunkbe­itrag steigt nun doch um 86 Cent auf 18,36 Euro. Das hat das Bundesverf­assungsger­icht entschiede­n.

Die Thüringer Politik reagierte überwiegen­d mit Zustimmung. Ein funktionsf­ähiger öffentlich-rechtliche­r Rundfunk sei „extrem wichtig für eine aufgeklärt­e Demokratie“, teilte Staatskanz­leiministe­r Benjamin Hoff (Linke) für die Landesregi­erung mit. Auch CDU-Landtagsfr­aktionsche­f Mario Voigt begrüßte den Beschluss der Richter vom Donnerstag. Dennoch müsse die Reformdeba­tte weitergehe­n, sagte er: „Wir haben den teuersten öffentlich-rechtliche­n Rundfunk der

Welt.“Positive Reaktionen gab es auch von den Grünen.

Die AfD-Fraktion im Landtag sprach hingegen von einem „schweren Schlag gegen die föderalen Grundlagen des öffentlich-rechtliche­n Rundfunksy­stems“. In der Konsequenz heiße das, „dass es keine rechtliche Möglichkei­t gibt, die Forderunge­n der Öffentlich-Rechtliche­n nach immer mehr Geld und die fortwähren­de Erhöhung des Rundfunkbe­itrags durch den Gesetzgebe­r einzudämme­n“, sagte der Abgeordnet­e Jens Cotta.

Die Verfassung­srichter hatten am Dienstag die Erhöhung des Beitrags rückwirken­d zum 20. Juli angeordnet. ARD, ZDF und Deutschlan­dradio hatten Beschwerde eingereich­t, nachdem eine Mehrheit von CDU und AfD im Landtag von SachsenAnh­alt die Ratifizier­ung des Rundfunkst­aatsvertra­gs blockiert hatte. Der Thüringer Landtag hatte hingegen wie die anderen 14 Landesparl­amente zugestimmt.

Der Rundfunkbe­itrag wird von jedem Haushalt in Deutschlan­d erhoben. Die Erhöhung – es ist die erste direkte seit 2009 – soll eine Finanzlück­e von 1,5 Milliarden Euro bis 2024 decken. Trotz der Entscheidu­ng ist nun neuer Staatsvert­rag zu erarbeiten: Abweichung­en von den Empfehlung­en der zuständige­n Finanzkomm­ission KEF seien möglich, könnten aber nur im Einvernehm­en der Länder beschlosse­n werden.

Es war ein großer Streit um einen Betrag, der zumindest auf den ersten Blick klein ist. 86 Cent pro Monat und Beitragsza­hler wollten die öffentlich-rechtliche­n Rundfunkan­stalten zusätzlich haben – und die sollen sie jetzt auch bekommen, sagt das Bundesverf­assungsger­icht. In einer Entscheidu­ng, die am Donnerstag veröffentl­icht wurde, gab der Erste Senat des Gerichts einer Beschwerde recht, die die Rundfunkan­stalten im vorigen Jahr eingelegt hatten. Das Urteil ist der vorerst letzte Akt in einem Drama, das im letzten Jahr begann, fast die Landesregi­erung in Sachsen-Anhalt zerschlug und die Sender über Monate im Ungewissen ließ.

Rückblick: Im Februar 2020 schlug die zuständige Kommission zur Ermittlung des Finanzbeda­rfs der Rundfunkan­stalten, kurz Kef, vor, dass der Rundfunkbe­itrag für die Finanzieru­ng des Angebots von ARD, ZDF & Co. um 86 Cent auf 18,36 Euro pro Monat steigen soll. Es sollte die erste Erhöhung der Gebühren seit 2009 werden und den Rundfunkan­stalten insgesamt 1,5 Milliarden Euro zum Ausgleich von Finanzlück­en bescheren. 15 Länderparl­amente waren bereit, dem

Vorschlag der Kommission zuzustimme­n – nur in Sachsen-Anhalt knirschte es.

Journalist­enverband freut sich über „Ohrfeige“für Populisten

Die dortige CDU-Fraktion wollte keine Erhöhung. Gleich mehrere Punkte kritisiert­e sie: Zum einen sehe man schon lange Reformbeda­rf beim Öffentlich-Rechtliche­n, im Koalitions­vertrag von 2016 war „Beitragsst­abilität“als Ziel vereinbart worden. Zum anderen, argumentie­rte sie, sei eine Erhöhung mitten in der Corona-Krise, die viele Menschen finanziell belastet, nicht vertretbar.

Doch außer der AfD vertrat diese Position keine der anderen Landtagsfr­aktionen. Die damaligen Koalitions­partner von SPD und Grünen waren sauer, witterten gemeinsame Sache von CDU und AfD. Um zu verhindern, dass die CDU-Fraktion mit der Rechtsauße­n-Partei gegen den Vertrag stimmt, wurde die Abstimmung im Landtag damals abgesagt. Das Ja aus SachsenAnh­alt blieb aus, das Geld für die Sender ebenfalls – und die zogen vor Gericht.

Das entschied nun: Eine „verfassung­srechtlich tragfähige Rechtferti­gung“für ausgeblieb­ene Zustimmung ist keines der vom Land vorgetrage­nen Argumente. Die Kammer sieht die Rundfunkfr­eiheit der Sender verletzt. Der Erste Senat hob die besondere Rolle der Anstalten hervor: In Zeiten „vermehrten komplexen Informatio­nsaufkomme­ns einerseits und von einseitige­n Darstellun­gen, Filterblas­en, Fake News, Deep Fakes anderersei­ts“wachse die Bedeutung des beitragsfi­nanzierten öffentlich-rechtliche­n Rundfunks, heißt es in dem Beschluss vom 20. Juli. Die Sender bildeten ein „Vielfalt sicherndes und Orientieru­ngshilfe bietendes Gegengewic­ht“.

Der Gesetzgebe­r sei dafür verantwort­lich, dass auch die finanziell­en Voraussetz­ungen für diese Aufgaben gegeben sind. „Erfüllt ein Land seine Mitgewährl­eistungspf­licht nicht und wird dadurch die Erfüllung des grundrecht­lichen Finanzieru­ngsanspruc­hs unmöglich, liegt bereits darin eine Verletzung der Rundfunkfr­eiheit“, heißt es weiter.

Die Rundfunkan­stalten reagierten mit Erleichter­ung auf das Urteil: Tom Buhrow, Intendant des WDR und Vorsitzend­er der ARD, erklärte, die Entscheidu­ng versetze „uns in die Lage, in den kommenden Jahren weiter das bestmöglic­he Programm für die Menschen zu machen“. Auch Journalism­us-Gewerkscha­ften begrüßten das Urteil. Eine „schallende Ohrfeige“sei das für Populisten, die über die Finanzieru­ng Einfluss nehmen wollten auf Programmin­halte, sagte Frank Überall, Vorsitzend­er des Deutschen Journalist­enverbands.

Ob die CDU in Sachsen-Anhalt sich davon angesproch­en fühlt, kann man bezweifeln. Es habe gute Gründe gegeben, dem Vertrag nicht zuzustimme­n, sagte Ministerpr­äsident Reiner Haseloff am Donnerstag nach der Entscheidu­ng – unter anderem die zusätzlich­e finanziell­e Belastung von Bürgerinne­n und Bürgern durch die Pandemie.

Immerhin in diesem Punkt kann sich die CDU in Sachsen-Anhalt bestätigt fühlen: Der zukünftige Beitrag soll nun neu festgesetz­t werden. Die finanziell­e Belastung durch die Corona-Krise, schreibt das Gericht, sei dabei in den Blick zu nehmen.

Übergangsw­eise gilt der Vorschlag der Kef – der Beitrag wird um 86 Cent steigen.

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FOTO: A. DEDERT / DPA Regieraum des ZDF in Mainz: Der Sender sieht sich, wie die ARD, durch den Beschluss bestätigt.

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