Thüringische Landeszeitung (Weimar)
Rundfunkbeitrag steigt
Bundesverfassungsgericht ordnet Erhöhung an. Landesregierung zufrieden
Der monatliche Rundfunkbeitrag steigt nun doch um 86 Cent auf 18,36 Euro. Das hat das Bundesverfassungsgericht entschieden.
Die Thüringer Politik reagierte überwiegend mit Zustimmung. Ein funktionsfähiger öffentlich-rechtlicher Rundfunk sei „extrem wichtig für eine aufgeklärte Demokratie“, teilte Staatskanzleiminister Benjamin Hoff (Linke) für die Landesregierung mit. Auch CDU-Landtagsfraktionschef Mario Voigt begrüßte den Beschluss der Richter vom Donnerstag. Dennoch müsse die Reformdebatte weitergehen, sagte er: „Wir haben den teuersten öffentlich-rechtlichen Rundfunk der
Welt.“Positive Reaktionen gab es auch von den Grünen.
Die AfD-Fraktion im Landtag sprach hingegen von einem „schweren Schlag gegen die föderalen Grundlagen des öffentlich-rechtlichen Rundfunksystems“. In der Konsequenz heiße das, „dass es keine rechtliche Möglichkeit gibt, die Forderungen der Öffentlich-Rechtlichen nach immer mehr Geld und die fortwährende Erhöhung des Rundfunkbeitrags durch den Gesetzgeber einzudämmen“, sagte der Abgeordnete Jens Cotta.
Die Verfassungsrichter hatten am Dienstag die Erhöhung des Beitrags rückwirkend zum 20. Juli angeordnet. ARD, ZDF und Deutschlandradio hatten Beschwerde eingereicht, nachdem eine Mehrheit von CDU und AfD im Landtag von SachsenAnhalt die Ratifizierung des Rundfunkstaatsvertrags blockiert hatte. Der Thüringer Landtag hatte hingegen wie die anderen 14 Landesparlamente zugestimmt.
Der Rundfunkbeitrag wird von jedem Haushalt in Deutschland erhoben. Die Erhöhung – es ist die erste direkte seit 2009 – soll eine Finanzlücke von 1,5 Milliarden Euro bis 2024 decken. Trotz der Entscheidung ist nun neuer Staatsvertrag zu erarbeiten: Abweichungen von den Empfehlungen der zuständigen Finanzkommission KEF seien möglich, könnten aber nur im Einvernehmen der Länder beschlossen werden.
Es war ein großer Streit um einen Betrag, der zumindest auf den ersten Blick klein ist. 86 Cent pro Monat und Beitragszahler wollten die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zusätzlich haben – und die sollen sie jetzt auch bekommen, sagt das Bundesverfassungsgericht. In einer Entscheidung, die am Donnerstag veröffentlicht wurde, gab der Erste Senat des Gerichts einer Beschwerde recht, die die Rundfunkanstalten im vorigen Jahr eingelegt hatten. Das Urteil ist der vorerst letzte Akt in einem Drama, das im letzten Jahr begann, fast die Landesregierung in Sachsen-Anhalt zerschlug und die Sender über Monate im Ungewissen ließ.
Rückblick: Im Februar 2020 schlug die zuständige Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten, kurz Kef, vor, dass der Rundfunkbeitrag für die Finanzierung des Angebots von ARD, ZDF & Co. um 86 Cent auf 18,36 Euro pro Monat steigen soll. Es sollte die erste Erhöhung der Gebühren seit 2009 werden und den Rundfunkanstalten insgesamt 1,5 Milliarden Euro zum Ausgleich von Finanzlücken bescheren. 15 Länderparlamente waren bereit, dem
Vorschlag der Kommission zuzustimmen – nur in Sachsen-Anhalt knirschte es.
Journalistenverband freut sich über „Ohrfeige“für Populisten
Die dortige CDU-Fraktion wollte keine Erhöhung. Gleich mehrere Punkte kritisierte sie: Zum einen sehe man schon lange Reformbedarf beim Öffentlich-Rechtlichen, im Koalitionsvertrag von 2016 war „Beitragsstabilität“als Ziel vereinbart worden. Zum anderen, argumentierte sie, sei eine Erhöhung mitten in der Corona-Krise, die viele Menschen finanziell belastet, nicht vertretbar.
Doch außer der AfD vertrat diese Position keine der anderen Landtagsfraktionen. Die damaligen Koalitionspartner von SPD und Grünen waren sauer, witterten gemeinsame Sache von CDU und AfD. Um zu verhindern, dass die CDU-Fraktion mit der Rechtsaußen-Partei gegen den Vertrag stimmt, wurde die Abstimmung im Landtag damals abgesagt. Das Ja aus SachsenAnhalt blieb aus, das Geld für die Sender ebenfalls – und die zogen vor Gericht.
Das entschied nun: Eine „verfassungsrechtlich tragfähige Rechtfertigung“für ausgebliebene Zustimmung ist keines der vom Land vorgetragenen Argumente. Die Kammer sieht die Rundfunkfreiheit der Sender verletzt. Der Erste Senat hob die besondere Rolle der Anstalten hervor: In Zeiten „vermehrten komplexen Informationsaufkommens einerseits und von einseitigen Darstellungen, Filterblasen, Fake News, Deep Fakes andererseits“wachse die Bedeutung des beitragsfinanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunks, heißt es in dem Beschluss vom 20. Juli. Die Sender bildeten ein „Vielfalt sicherndes und Orientierungshilfe bietendes Gegengewicht“.
Der Gesetzgeber sei dafür verantwortlich, dass auch die finanziellen Voraussetzungen für diese Aufgaben gegeben sind. „Erfüllt ein Land seine Mitgewährleistungspflicht nicht und wird dadurch die Erfüllung des grundrechtlichen Finanzierungsanspruchs unmöglich, liegt bereits darin eine Verletzung der Rundfunkfreiheit“, heißt es weiter.
Die Rundfunkanstalten reagierten mit Erleichterung auf das Urteil: Tom Buhrow, Intendant des WDR und Vorsitzender der ARD, erklärte, die Entscheidung versetze „uns in die Lage, in den kommenden Jahren weiter das bestmögliche Programm für die Menschen zu machen“. Auch Journalismus-Gewerkschaften begrüßten das Urteil. Eine „schallende Ohrfeige“sei das für Populisten, die über die Finanzierung Einfluss nehmen wollten auf Programminhalte, sagte Frank Überall, Vorsitzender des Deutschen Journalistenverbands.
Ob die CDU in Sachsen-Anhalt sich davon angesprochen fühlt, kann man bezweifeln. Es habe gute Gründe gegeben, dem Vertrag nicht zuzustimmen, sagte Ministerpräsident Reiner Haseloff am Donnerstag nach der Entscheidung – unter anderem die zusätzliche finanzielle Belastung von Bürgerinnen und Bürgern durch die Pandemie.
Immerhin in diesem Punkt kann sich die CDU in Sachsen-Anhalt bestätigt fühlen: Der zukünftige Beitrag soll nun neu festgesetzt werden. Die finanzielle Belastung durch die Corona-Krise, schreibt das Gericht, sei dabei in den Blick zu nehmen.
Übergangsweise gilt der Vorschlag der Kef – der Beitrag wird um 86 Cent steigen.