Thüringische Landeszeitung (Weimar)
Top-Betrieb im höchsten Rhöndorf
Familie Schüler baut hochwertige Möbel für Reisemobile. Erfolgreiche Privatisierung
Am oberen Ortsrand von Frankenheim in der Rhön ist die Firma Schüler Holztechnik beheimatet. Hier werden hochwertige Möbel für Reisemobile hergestellt: Je teurer das Fahrzeug, desto individueller die Wünsche bei der Einrichtung. Auf solche Schränke, Tische, Türen, Abdeckungen und mehr haben sich die Schülers spezialisiert. Sie biegen spezielle Holzverbindungen. Machen die Einbauten möglichst leicht und dennoch stabil, damit bei der Fahrt nicht wackelt und klappert. Diese Können ist gefragt – nicht erst jetzt, da die Nachfrage auf dem Reisemobilmarkt so groß ist.
Die Firma wurde als eine der Ersten zum 1. Oktober 1990 reprivatisiert, damals noch als Betrieb zur Herstellung von Möbeln, wie sie zu DDR-Zeiten gefragt waren. Enteignet worden war das von Gustav Beck in den frühen 1930er Jahren gegründete Unternehmen 1972. Der Alteigentümer, der immer schon dafür gesorgt hatte, dass ein Betrieb auf dem technisch und handwerklich neusten Stand war, hat diesen Einschnitt damals nur wenige Monate überlebt. Und erst nach dem Fall der Mauer 1989 ist in der Familie offen darüber gesprochen worden, mit welcher Drohung die Gründergeneration unter Druck gesetzt worden war, damit sie ihr Hab und Gut hergab.
Nach sieben Aufbaujahren drohte die Insolvenz
Robert Schüler, Jahrgang 1947, und seine Frau Doris, geborene Beck, Jahrgang 1949, wagten nach dem Fall der Mauer rasch den Schritt in die Selbstständigkeit. Einfach war das nicht. Und beinahe wäre schon sieben Jahre später der Betrieb in Konkurs gegangen. Ein Kunde konnte nicht bezahlen – und sie daher ihre Verbindlichkeiten nicht erfüllen. Doch den Schülers gelang es – auch mit der tatkräftigen Unterstützung eines Treuhand-Beraters – die Rettung des Unternehmens. Robert Schüler hat in prekären Situationen geholfen, dass er gut vernetzt war – und dass er sich vor allem auch auf seine Geschäftspartner im Westen und auch eine dortige Bank verlassen konnte. Das ist eine seiner Erfahrungen der vergangenen 30 Jahre. Denn in der heimatlichen Rhön hatten ihm die Banken zunächst kein Geld geben wollen. Anfang der 1990er Jahren erschien sein Vorhaben zu riskant: Wer brauchte schon eine Möbelfabrikation in einem kleinen Dorf hoch auf dem Berg?!
Frankenheim ist der höchste Ort in der Rhön, liegt auf mehr als 750 Meter über dem Meeresspiegel und ragt von Thüringer Seite wie auf einer keilartigen Anhöhe hinein in die tiefer gelegene hessische und bayerische Rhön. Zu DDR-Zeiten bedeutete dies, dass der Ort abgeriegelt war. Nur wer sich Wochen zuvor angemeldet und einen Passierschein hatte, durfte in die Fünf-Kilometer-Zone rein. Robert Schüler, der seine Doris bereits in ganz jungen Jahren kennenlernte, kam aus der Meininger Gegend und wurde in Frankenheim heimisch. Erst hatte er bei Robotron gelernt, wurde dann beim Schwiegervater Tischler. Seine Frau blieb auch nach der Enteignung im Betrieb, er war zeitweilig in anderen Betrieben eingesetzt und hatte dennoch in dem Frankenheimer Unternehmen Verantwortung. Deshalb war den Schülers 1990 auch klar, auf was sie sich einließen. Dass beide Ausbildungen gut zusammenpassten, zeigte sich später, als im eigenen Betrieb nach 1990 die Digitalisierung immer weiter voranschritt. Und mittlerweile als Senior ist Robert Schüler stolz darauf, dass der Betrieb digital auf dem neuesten Stand ist.
Erst nach der friedlichen Revolution wird ein bitteres Geheimnis enthüllt
Sieben Jahre nach dem gerade noch abgewendeten Konkurs war klar, dass Schülers Betrieb wachsen musste: Im August 2004 konnte das neue Gebäude am Rande des Dorfes bezogen werden. Da lag die Idee, zu bauen und mit der Erweiterung Platz für neue Maschinen zu schaffen, gerade mal acht Monate zurück. Weihnachten 2003 war der Familie klar: In den alten Räumlichkeiten aus den Zeiten von Doris
Vater Gustav konnte es so nicht weitergehen. Zu wenig Platz für die anstehenden Aufträge, erinnert sich Robert Schüler an die damalige Situation. Sie hätten seinerzeit auch das Angebot gehabt, einen Betrieb bei Fulda zu übernehmen, sagen der Senior und seine Frau. Aber die Schülers wollten nicht weg. Sie sind hier zuhause und sie hätten mit dem Umzug ihre Mitarbeiter und damit viel Fachwissen verloren. Die Entscheidung, im höchstgelegenen Ort in der Rhön zu bleiben, erwies sich als richtig: Das Familienunternehmen, in dem längst die Söhne Silvio und André das Sagen haben, hat keinen Fachkräftemangel und bildet eigenen Nachwuchs aus. Auch die Schwiegertöchter von Doris und Robert Schüler arbeiten im Betrieb. Und mit Silvios Tochter Jacqueline ist bereits die nächste Generation im Unternehmen. „Sie hat jetzt den Posten meiner Frau übernommen und schaut aufs Geld“, lobt Robert Schüler. Ein weiterer Enkel will nach der Schule im Unternehmen einsteigen. Insgesamt hat die Firma drei Dutzend Beschäftigte.
Und womit wurden die Becks bei der Enteignung 1972 unter Druck gesetzt? Mit der sofortigen Aussiedlung aus dem Grenzgebiet. Und diese Aussiedlungsandrohung sollte auch für den Fall gelten, wenn sie irgendwann darüber sprechen würden. Das hatte die Mutter von Doris Schüler derart verängstigt, dass sie zu DDR-Zeiten über die Drohung schwieg und erst nach dem Mauerfall offene Worte fand.
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