Thüringische Landeszeitung (Weimar)

Die Schadensbi­lanz der Cyber-Angriffe: 223 Milliarden Euro

Digitaler Diebstahl, Spionage und Sabotage sind eine Gefahr für die Wirtschaft – und für manche Firmen existenzbe­drohend

- Von Miguel Sanches

Cyberattac­ken verursache­n bei der deutschen Wirtschaft Schäden in Höhe von jährlich einer Viertelbil­lion Euro, genauer: 223 Milliarden. Das ist eine Zahl mit zwölf Nullen, mithin eine Dimension, „die man gar nicht mehr greifen kann“, meint Sinan Selen, Vizepräsid­ent des Kölner Bundesamts für Verfassung­sschutz.

Warnungen vor Cyberangri­ffen sind inflationä­r. Doch die Schadensbi­lanz, die Bitkom dieses Jahr ermittelte, hat selbst Verbandspr­äsident

Achim Berg alarmiert: „Einige Zahlen sind doch schon echt schockiere­nd.“

Alle zwei Jahre befragt Bitkom mehr als 1000 Unternehme­n in Deutschlan­d. 2019 gaben 75 Prozent an, sie seien von Angriffen betroffen. In diesem Jahr waren es schon 88 Prozent. Wobei die restlichen zwölf Prozent antwortete­n, sie seien „vermutlich betroffen“.

Nahezu die gesamte Wirtschaft, folgerte Berg, sei von Diebstahl, Spionage oder Sabotage erfasst worden, zumindest von entspreche­nden Versuchen. Cyberangri­ffe seien zu einer „zentralen Bedrohung für die deutsche Wirtschaft“geworden. Der Gesamtscha­den hat sich seit 2019 verdoppelt, seit 2017 vervierfac­ht. Neun Prozent der Unternehme­n sehen sich durch Cyberattac­ken existenzie­ll bedroht. „Die Pandemie hat es den Angreifern leicht gemacht“, analysiert Berg.

Während der Corona-Krise haben viele Menschen zu Hause gearbeitet, aber dieses „Homeoffice“war nicht gut abgesicher­t. 59 Prozent der Unternehme­n, bei denen Homeoffice grundsätzl­ich möglich ist (817 Firmen), führten IT-Sicherheit­svorfälle

während der Pandemie auf die Heimarbeit zurück.

Verfassung­sschützer Selen glaubt nicht, „dass wir hilflos sind“. Aber man müsse die Hausaufgab­en machen: „Homeoffice darf nicht zum Risiko werden.“Die Kriminelle­n handeln zumeist aus drei Motiven: ■ Sie wollen sich bereichern – der Klassiker. Schäden durch Erpressung­svorfälle – meist unmittelba­re Folge von Ransomware-Angriffen – haben sich im Vergleich zu 2019 mehr als vervierfac­ht (plus 358 Prozent). Dann werden die Betriebsab­läufe gestört, mitunter fallen InforSchül­ers mations- und Produktion­ssysteme aus – bis Lösegeld gezahlt wird.

■ Angreifer schöpfen alle Informatio­nen ab, an die sie herankomme­n können, manchmal scheinbar unstruktur­iert.

■ Sie verschaffe­n sich Wettbewerb­svorteile. „Die Diebe wissen ganz genau, welche Daten sie haben wollen“, nämlich Kommunikat­ionsdaten und geistiges Eigentum, erzählt Berg. 29 Prozent der befragten Unternehme­n führten Angriffe auf kriminelle Banden zurück. „Da stecken meist Profis dahinter“, sagt Berg.

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