Thüringische Landeszeitung (Weimar)
Die Schadensbilanz der Cyber-Angriffe: 223 Milliarden Euro
Digitaler Diebstahl, Spionage und Sabotage sind eine Gefahr für die Wirtschaft – und für manche Firmen existenzbedrohend
Cyberattacken verursachen bei der deutschen Wirtschaft Schäden in Höhe von jährlich einer Viertelbillion Euro, genauer: 223 Milliarden. Das ist eine Zahl mit zwölf Nullen, mithin eine Dimension, „die man gar nicht mehr greifen kann“, meint Sinan Selen, Vizepräsident des Kölner Bundesamts für Verfassungsschutz.
Warnungen vor Cyberangriffen sind inflationär. Doch die Schadensbilanz, die Bitkom dieses Jahr ermittelte, hat selbst Verbandspräsident
Achim Berg alarmiert: „Einige Zahlen sind doch schon echt schockierend.“
Alle zwei Jahre befragt Bitkom mehr als 1000 Unternehmen in Deutschland. 2019 gaben 75 Prozent an, sie seien von Angriffen betroffen. In diesem Jahr waren es schon 88 Prozent. Wobei die restlichen zwölf Prozent antworteten, sie seien „vermutlich betroffen“.
Nahezu die gesamte Wirtschaft, folgerte Berg, sei von Diebstahl, Spionage oder Sabotage erfasst worden, zumindest von entsprechenden Versuchen. Cyberangriffe seien zu einer „zentralen Bedrohung für die deutsche Wirtschaft“geworden. Der Gesamtschaden hat sich seit 2019 verdoppelt, seit 2017 vervierfacht. Neun Prozent der Unternehmen sehen sich durch Cyberattacken existenziell bedroht. „Die Pandemie hat es den Angreifern leicht gemacht“, analysiert Berg.
Während der Corona-Krise haben viele Menschen zu Hause gearbeitet, aber dieses „Homeoffice“war nicht gut abgesichert. 59 Prozent der Unternehmen, bei denen Homeoffice grundsätzlich möglich ist (817 Firmen), führten IT-Sicherheitsvorfälle
während der Pandemie auf die Heimarbeit zurück.
Verfassungsschützer Selen glaubt nicht, „dass wir hilflos sind“. Aber man müsse die Hausaufgaben machen: „Homeoffice darf nicht zum Risiko werden.“Die Kriminellen handeln zumeist aus drei Motiven: ■ Sie wollen sich bereichern – der Klassiker. Schäden durch Erpressungsvorfälle – meist unmittelbare Folge von Ransomware-Angriffen – haben sich im Vergleich zu 2019 mehr als vervierfacht (plus 358 Prozent). Dann werden die Betriebsabläufe gestört, mitunter fallen InforSchülers mations- und Produktionssysteme aus – bis Lösegeld gezahlt wird.
■ Angreifer schöpfen alle Informationen ab, an die sie herankommen können, manchmal scheinbar unstrukturiert.
■ Sie verschaffen sich Wettbewerbsvorteile. „Die Diebe wissen ganz genau, welche Daten sie haben wollen“, nämlich Kommunikationsdaten und geistiges Eigentum, erzählt Berg. 29 Prozent der befragten Unternehmen führten Angriffe auf kriminelle Banden zurück. „Da stecken meist Profis dahinter“, sagt Berg.